Kapitel 51

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Nach dem Kathi gegangen war, hatten Jonathan und ich zum Mittag gegessen und uns im Anschluss über alles Mögliche unterhalten, das möglichst unverfänglich ist.

Er schien zu verstehen, dass ich mich nicht wirklich über die allgegenwärtige Situation unterhalten wollte und erzählte deshalb von irgendeiner dummen Sache die Isa am Sonntagmittag gemacht hatte, was ich mit einem eher krampfhaften Lächeln kommentierte.

In meinem Inneren herrschte immer noch ein großer Teil der Leere, die auch schon am Sonntag in mir gewesen ist und dort auch erstmal nicht weggehen wird. Wie denn auch? Auch wenn Jonathan mich ja anscheinend liebt und mich bei sich haben wollte, hat er definitiv jemand besseres als mich verdient.

Irgendwann wird ihm das bewusst werden, da bin ich mir sicher. Und wenn der Moment gekommen ist, dann bin ich alleine. Ohne irgendjemanden. Denn egal wann dieser Tag gekommen ist, ich denke nicht, dass ich mich bis zu diesem Zeitpunkt einer weiteren Person so weit öffnen und dieser vertrauen kann, wie ich es bei Jonathan tue.

Und dieser Gedanke fühlte sich an, als ob jemand mit einem Messer wahllos auf mein Herz einsticht und alles Glückliche rausschneidet, bis nur noch dieses Nichts in mir zurückbleibt, dass alles Positive anzieht, wie ein Magnet und dann verschlingt.

Was sollte ich nur tun? Und sollte ich ihm sagen, wie es mir geht, oder doch eher ihn in der Hoffnung lassen, dass es mir bald besser gehen würde? Glaubte er das überhaupt, oder merkt er, dass es nicht so ist?

In meinem Kopf schwirren die verschiedensten Fragen auf und ab und machten es mir schwer Jonathans Erzählungen zu folgen. Um das zu tun, müsste ich Antworten finden, doch ich war mir nicht sicher, ob ich dazu in der Lage war und wenn doch, wo ich überhaupt anfangen sollte.

Doch ein Glück musste ich mir darüber heute keine Gedanken mehr machen, denn nach geraumer Zeit kam, wie vom Arzt angekündigt, der Psychologe herein. „Hallo Lucas, ich bin Dr. Alexander Schneider, der Psychologe auf dieser Station, es freut mich dich kennenzulernen", sagte er zur Begrüßung.

„Hallo", antwortete ich in einem möglichst neutralen Tonfall, nicht wirklich sicher, was dieser Aufstand um mich sollte. Ich war doch schon in psychologischer Behandlung, warum musste ich denn nun mit jemand anderem sprechen?

Der Psychologe schaute sich kurz um, nur um dann seinen Blick auf Jonathan zu fokussieren, welcher neben mir am Bett saß und mit meinen Fingen spielte, während er mit einem neugierigen Blick das Geschehen beobachtete.

„Auch Hallo an dich", setzte er wieder an, „leider muss ich dich bitten den Raum für die Sitzung zu verlassen, da dieses Gespräch der ärztlichen Schweigepflicht untersteht und vor allem die erste Sitzung alleine mit dem Patienten stattfinden soll."

Jonathan nickte und stand auf, auch wenn man ihm ansah, dass er es nicht gerne machte. „Bis später, du schaffst das!", flüsterte er mir zu und küsste mich kurz auf die Stirn, dann wandte er sich mit einem letzten Lächeln von mir ab in Richtung der Tür, welche er hinter sich zu zog.

Nun war ich alleine mit dem Psychologen, welcher mich nur aufmunternd und erwartungsvoll anlächelte. Was wollte der denn von mir? Sollte ich von mir aus anfangen zu reden? Das war doch wohl nicht sein Ernst?

Was soll ich ihm denn sagen? Die Fakten über meinen Aufenthalt hier sind ihm doch eh bekannt, also warum kann er nicht einfach seine Fragen stellen, die ihn eigentlich nichts angehen, und dann wieder verschwinden.

Kurz überlegte ich, was ich machen sollte, dann fing ich an seinen Blick herausfordernd zu erwidern. Vielleicht kapiert er ja so, dass ich keine Lust auf ein Gespräch mit ihm habe.

Sein kurz darauffolgendes Seufzen, verriet mir, dass er meine Nachricht wohl verstanden hat. „Na gut, wenn du nicht anfangen willst, dann mach ich das eben, aber denk dran, dass ich dir eine Chance gegeben habe die leichtere Tour zu machen."

Er warf mir einen mahnenden Blick zu, bevor er ihn auf das Blattpapier vor ihn lenkte. „Okay, fangen wir an. Dein Name ist Lucas Sommer, 15 Jahre, und du bist hier vorgestern Abend eingeliefert worden, wegen eines Suizidversuchs", er stoppte und guckte kurz auf, vermutlich um eine Reaktion von mir zu sehen.

Doch außer eines kurzen Zusammenzuckens, ließ ich mir nichts anmerken. Da er ersteres wahrscheinlich nicht gesehen hatte, fuhr er nach wenigen Augenblicken fort: „Gut, dann kommen wir zur ersten Frage: Wie lange hast du diese Gedanken schon in deinem Kopf gehabt?"

Forschend sah er mich an, währenddessen ich mich langsam in meinem Kissen zurücklehnte und kurz überlegte, was ich tun sollte. Sollte ich die Wahrheit sagen, oder lügen? Wird mir das hier überhaupt etwas bringen, oder ist das alles nur Zeitverschwendung?

Ich konnte es beim besten Willen nicht sagen, aber vielleicht sollte ich die Chance ja ergreifen. Für Jonathan und vielleicht auch für Kathi. Oder? Kurz haderte ich noch, dann hatte ich mich entschieden.

„Der Lebensunmut ist schon eine Weile da, doch es wirklich zu beenden erst seit Neujahr in etwa", ich zuckte mit den Schultern, denn es war nicht wirklich leicht einen Zeitraum zu definieren. Es war halt einfach irgendwann da gewesen und ist immer mehr und mehr präsent geworden.

„Okay, und gab es vielleicht einen Grund, weshalb es ab dort schlimmer geworden ist?", fragte er nach und schaute mich mit einem durchdringenden Blick an. Ich schluckte und holte tief Luft, um mich kurz zu sammeln.

„Meine Eltern...", sagte ich mit belegter Stimme. Dann brach ich ab und machte eine kurze Pause, denn es tat einfach unglaublich weh darüber zu sprechen. Doch wenige Augenblicke später räusperte ich mich kurz, bevor ich wieder anfing zu sprechen.

„Meine Eltern sind nicht besonders gut auf mich zu sprechen, seitdem ich eine Tankstelle ausgeraubt habe. Da fing der ganze Schlamassel an. Tja und jetzt überweisen sie mir kein Geld mehr, mit dem ich die Schulkosten und alles weitere hätte abdecken müssen. Also lande ich entweder bald auf der Straße, oder wieder vor Gericht", ich zuckte mit den Schultern und tat mein Bestes gleichgültig zu wirken.

Jedoch wandte ich meinen Blick ab, denn ich glaubte nicht daran, dass in ihnen der Schmerz nicht zu sehen war. „Das muss ziemlich schwer für dich sein", antwortete er. Das war alles was er dazu zu sagen hatte?

Ja verdammt es ist schwer, aber er bekommt Geld dafür, dass er so einen mittellosen Quatsch labert. Der hat doch keine Ahnung von gar nichts! Frustriert stöhnte ich leise auf und beantwortete seine darauffolgenden Routinefragen nur mit knappen Antworten. Dieses Gespräch wird mich wohl kein bisschen weiterbringen.

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Heyyy, 

ich hoffe euch hat das heutige Kapitel gefallen :)

Sorry, dass es heute so 'spät' geworden ist. Ich hab den ganzen Tag für eine Arbeit gelernt und hab darüber völlig die Zeit vergessen... Aber naja, jetzt ist es ja da :D 

Bis nächste Woche, 

eure Lesekatze

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt