Kapitel 25

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Die nächsten Wochen vergingen und ich probierte eine gewisse Distanz zwischen mir und Jonathan zu bewahren. Doch das war nicht so leicht, denn erstens war Jonathan ein Mensch, der sehr auf Nähe ausgelegt war und zweitens wollte ich das auch eigentlich gar nicht.

Doch das war nur eines meiner Probleme, denn mittlerweile befanden wir uns mitten in der Arbeiten Phase und durch mein Extratraining fiel es mir zunehmend schwerer für alles zu lernen und mich gleichzeitig trotzdem noch im Training zu verbessern.

Zudem stellte sich mir nun eine Frage, über die ich mir vor wenigen Monaten nicht mal Gedanken gemacht habe. Welche Sexualität bin ich? Auf der einen Seite bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich mir sicher bin, schwul zu sein, doch ein viel größerer Teil möchte denken, dass ich doch noch irgendwie auf Frauen stehe. Denn wenn ich tatsächlich schwul bin, dann kann ich mich vermutlich vollends auf die Enterbung meines Vaters einstellen.

Erst ein Verbrechen und dann auch noch schwul. Damit widersprach ich nun vollends allen Voraussetzungen, die mein Vater sich für den perfekten Sohn gestellt hat. Einen vorzeige Sohn, der immer gute Noten hat, im Sport erfolgreich ist, studiert, irgendwann seine Firma übernimmt und dazu noch eine Frau aus einer anderen reichen Familie heiratet und zwei wohlerzogene Kinder kriegt.

Auch wenn ich diesem Ideal nie entsprechen wollte, habe ich mich genauso verhalten, wie er es wollte, damit er stolz auf mich ist. Doch er hat mir nie seine Aufmerksamkeit geschenkt. Egal, ob ich bei einem Schwimmwettkampf gewonnen habe, oder Jahrgangsbester in der Schule war. Freunde aus guten Familien angeschleppt habe und mich nicht durch die halbe Frauenwelt geschlafen habe.

Vermutlich habe ich deshalb diesen dummen Fehler begangen. Ich wollte seine Aufmerksamkeit haben. Nur einmal wollte ich zeigen, dass ich da bin, dass ich auch noch existiert. Doch daraufhin hat er mich nur noch weiter von sich weggestoßen, hat meinen Hilfeschrei ignoriert.

Mit Tränen in den Augen drehte ich mein Gesicht zur Wand und zog meine Decke bis zu meinem Kinn. Warum war diese Welt nur so verdammt ungerecht? Konnte ich nicht einfach aufhören zu existiert? Einfach nicht mehr da sein? Würde dann der immer noch wütende Schmerz in mir endlich verschwinden?

Leise schluchzte ich auf. Was wollte ich noch hier? Wen kümmert es, wenn ich weg bin? Meine Eltern ganz sicher nicht. Vor allem mein Vater wäre froh, wenn er mich los wäre, wenn er so tun könnte, als hätte es mich nie gegeben. Vielleicht ist das gut so. Niemand braucht mich. Ich bin vollkommen nutzlos.

„Hey, Lucas, ist alles gut?", hörte ich plötzlich Jonathans Stimme hinter mir fragen. Ich schüttelte nur den Kopf, in der Hoffnung, dass er es in der Dunkelheit nicht sah und mich in Ruhe lässt. Er seufzte: „Willst du nicht mit mir reden und dich weiter auf Abstand halten, wie die letzten Wochen schon? Ohne Grund? Ich werde dieses Mal nicht mitspielen und so tun, als würde ich es nicht bemerken. Ich weiß, dass es dir nicht gut geht, also warum lässt du mich nicht helfen? Was habe ich bitte falsch gemacht?"

Er klang verletzt. Das wollte ich nicht. Ich wollte doch nur, dass diese dämlichen Gefühle für ihn verschwinden, oder zumindest nicht stärker werden, aber verletzten wollte ich ihn definitiv nicht. Wieder schossen mir die Tränen in die Augen, alles machte ich falsch! Ein Schluchzer entfuhr mir.

„Oh man, Lucas jetzt rede doch endlich mit mir, was ist denn bloß los?", jetzt schien er besorgt. Um mich? Es sollte sich niemand um mich sorgen, dass war es nicht wert. Wieder entfuhr mir ein Schluchzer, woraufhin hinter mir ein Seufzer erklang. „Ok gut, dann rede halt nicht mit mir. Aber du hast noch nicht gewonnen, morgen reden wir beide vernünftig miteinander, verstanden? Und jetzt mach mal Platz, damit ich mich zu dir legen kann.

Ohne richtig zu wissen was ich tat, rückte ich zur Seite, um ihm Platz zu machen, woraufhin ich einen Augenblick später war nahm, wie er sich neben mich legte. Als unsere Arme sich zufällig berühren, durchschoss mich ein Kribbeln. Wie zur Hölle sollte ich heute Nacht bloß schlafen?

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt