Kapitel 29

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Seit dem Start unserer Beziehung waren mittlerweile ein paar Wochen vergangen. Mein Bett habe ich seitdem nicht mehr viel benutzt. Bis jetzt war nicht viel mehr schief gegangen. Zwischen Jonathan und mir lief alles super. Ich liebte ihn wirklich und auch wenn wir es noch nicht ausgesprochen hatten, wusste ich, dass er dasselbe für mich empfand.

Auch in der Schule lief es nicht schlecht und ich musste zugeben, dass das Balletttraining mir mittlerweile sogar ein wenig Spaß macht. Jedoch verschaffte mir ein Thema Bauchschmerzen. In wenigen Wochen waren Winterferien und so gerne ich auch Zeit mit Jonathan verbringe, seine Familie würde es sicherlich wundern, wenn ich ein zweites Mal mit ihnen die Ferien verbringen möchte.

Und Amelie möchte ich auch nicht unbedingt fragen, denn auch wenn ich mit ihr noch am meisten Kontakt außerhalb der Pausen habe, möchte ich sie nicht um diesen Gefallen bitten. Das könnte den Nebeneffekt haben, dass sie sich fragt warum und ich bin noch nicht bereit meine Vergangenheit mit vielen Menschen offen zu teilen.

Die einzige vernünftige Option sind meine Eltern. Aber mein Vater wird wohl seine Wut gegenüber mir noch nicht überwunden haben und das macht mir Angst. Ich denke wohl, dass meine Eltern mich aufnehmen würden, wenn sie wüssten, dass es keine weiteren Optionen gibt, aber gefallen wird es vor allem meinem Vater nicht.

Schon jetzt verfolgten mich die verschiedensten Szenarien im Schlaf, was auch Jonathan zu spüren schien. Jedoch merkte er, dass ich nicht wirklich drüber reden wollte und beließ es bis jetzt dabei, mich nicht darauf anzusprechen.

Ich konnte jedoch sehen, dass er mit mir leidet und das wollte ich nicht. Vor allem nicht wegen mir. Also schilderte ich ihm meine Problematik, wobei er natürlich meinte, dass ich immer bei ihm unterkommen dürfte. Das Wissen darüber machte mich glücklich, doch mir war nur allzu bewusst, dass es seiner Familie vermutlich nicht so erging.

Klar kriegen sie nicht viel von mir mit und an Geld mangelt es ihnen auch nicht, nur käme ich mir einerseits schlecht vor und andererseits würden sie auch viele Fragen nach dem Warum stellen. Und die Wahrheit würde sie vermutlich weit mehr abschrecken als meine Eltern. Wer nimmt schon gerne einen Jugendlichen bei sich auf, der einen Überfall durchgeführt hat, ohne geschnappt zu werden?

Auch Monika, meine Psychologin, hatte bemerkt, dass mir in letzter Zeit etwas auf dem Herzen lag. „Mensch Lucas, in letzter war es doch wieder etwas besser. Was ist denn passiert, was dich so bedrückt?", fragte sie bei einem unserer Treffen.

„Es wird noch passieren", brummte ich nur deprimiert. „Wie soll ich denn das jetzt verstehen?", meinte sie und guckte mich fragend an. „In den Ferien muss ich wohl oder übel zu meinen Eltern fahren. Ich möchte Jonathan nicht nochmal um diesen Gefallen bitten, obwohl mir dieser wahrscheinlich mehr gefallen wird als diese Option", beantwortete ich ihre Frage.

„Hast du mit deinen Eltern immer noch so ein schlechtes Verhältnis?" Kurz zögerte ich die Frage zu beantworten, doch mir blieb ja keine andere Wahl, wenn ich ihre Unterstützung wollte und die brauchte ich dringen: „Ich hab seit dem letzten Telefonat vor den Herbstferien nicht mehr bei ihnen angerufen."

„Und wieso nicht? Ich dachte deine Mutter wäre ganz froh gewesen von dir zu hören. Oder hatte ich das falsch verstanden?", neugierig guckte sie mich an. Ich schüttelte den Kopf: „Ja schon, aber was, wenn mein Vater drangehen würde? Die Hasstiraden möchte ich nicht ertragen müssen. Falls er überhaupt mit mir spricht und nicht gleich auflegt."

Seufzend wendet sie ihren nachdenklichen Blick zum Fenster: „Hast du danach eigentlich einmal mit deinen Eltern darüber gesprochen?" „Nein, sie haben vor mir geschwiegen, als würde ich nicht wirklich existieren", meinte ich verbittert, während verdrängte Erinnerungen in mir aufkamen.

„Vielleicht solltet ihr das mal tun." Ich nickte nur, wohl wissend, dass mein Vater ein Sturkopf ist, der kaum davon zu überzeugen wäre, mich auch nur anzuschauen.

Die nächsten paar Minuten ließ ich abwesend mein Blick durch das Zimmer gleiten, während sich in meinem Kopf immer mehr Szenarien für einen möglichen Ausgang des Telefonats bildeten.

„Hey, Lucas!", riss mich Monica aus meinen Gedanken, „Unsere Sitzung ist jetzt leider vorbei, aber ich will dir noch eins mit auf dem Weg geben, auch wenn wir uns nicht mehr sehen, bis zum Neujahr, verlier nicht die Hoffnung Lucas, wenn du in Köln bist, sondern denke immer an das, was du hier bis jetzt erreicht hast."

Da ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte, nickte ich einfach kurz: „Danke." „Ok, dann sehen wir uns im neuen Jahr", meinte sie, „Bis dann." „Bis dann", erwiderte ich und verließ den Raum.
*
In meinem Zimmer angekommen, konnte ich Jonathan nirgendwo sehen. Vermutlich war er noch trainieren. Seufzend setzte ich mich auf mein Bett, in einer halben Stunde hatte ich noch einmal Training, aber bis dahin musste ich wohl endlich den Mut aufbringen meine Eltern anzurufen.

Denn egal wie ich es versuche zu vermeiden, wenn ich mir noch etwas anderes suchen muss, dann sollte ich nicht erst kurz vor knapp anrufen.

Zögernd zog ich mein Handy aus der Tasche. Was mach ich bloß, wenn mein Vater dran geht? Langsam wähle ich die Nummer und schließe kurz meine Augen, als ich auf Anrufen klickte. Hoffentlich ging meine Mutter dran, bitte.

„Hallo, hier ist Frau Sommer", meldete sich meine Mutter am Telefon. Sofort ließ meine Anspannung ein wenig nach, wenigstens wurde ich noch nicht jetzt mit meinem Vater konfrontiert. „Hey, Mama", antwortete ich ihr. „Oh, hallo Lucas, ich habe schon gedacht, dass du dich gar nicht mehr meldest", meinte sie, jedoch nicht besonders vorwurfsvoll, sondern eher gleichgültig.

„Naja, es sind ja bald wieder Ferien und da muss ich wissen, ob ich zu euch kann, denn hier bleiben geht nicht", erklärte ich ihr geradeheraus, ich hatte nicht besonders große Lust um den heißen Brei herum zu reden.

„Konntest du das nicht letztes Mal auch? Warum denn diesmal nicht? Dein Vater möchte dich glaube ich noch nicht unbedingt wiedersehen", fragte sie mich. Ich seufzte, was hatte ich auch anderes erwartet? Dass sie mich mit offenen Armen aufnehmen? Ich bin mir mittlerweile nicht mal sicher, ob ich das überhaupt noch möchte. Klar sind sie meinen Eltern und hassen könnte ich sie nie, doch ich hatte kaum eine Bindung zu ihnen. Das ist mir mittlerweile klar.

Natürlich möchte ich sie nicht komplett aus den Augen verlieren, aber ich schätze, dass mich die Tatsache, dass vor allem mein Vater mich nicht wirklich liebt, sondern mich immer nur geduldet hat, tut mir nicht unbedingt weh. Aber der Gedanke daran, dass ich es immer verdrängt habe und es plötzlich allgegenwärtig wurde, hatte mich schon verletzt.

„Nein, das Internat bietet in keinen Ferien eine Möglichkeit hier zu bleiben. Letztes Mal bin ich bei einem Freund mitgefahren, da er mein Gespräch mit dir mitzubekommen hat", und das war das Beste was mir hätte passieren können, fügte ich in Gedanken hinzu. Denn dieser eine Freund war nun mein Freund und wenn ich nur daran denke, wird mir warm ums Herz. Jedoch werde ich das meiner Mutter wohl nicht mitteilen, denn wenn mein Vater das erfährt, bin ich endgültig weg und dann könnte ich auch meine Mutter nicht mehr sehen.

Im ersten Moment reagierte meine Mutter nicht, erst eine Minute später fing sie wieder an zu sprechen: „Lucas, das tut mir wirklich..." „Nein Mama, ich will deine Entschuldigungen nicht hören, sag mir einfach, ob ich kommen kann", unterbrach ich sie etwas forscher als ursprünglich geplant.

Sie seufzte: „Ich werde mit deinem Vater reden, aber zu hundert Prozent versprechen kann ich nichts." Ich konnte darüber nur den Kopf schütteln, wie kann mich mein Vater nur so hassen? Hätte ich doch bloß eine andere Möglichkeit, die Ferien zu verbringen, ohne ständig bei anderen nachzufragen. Ziemlich schnell darauf beendete ich das Gespräch. Wieso nur war das Leben in einem Moment so leicht und in anderen so unglaublich kompliziert.
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Heyyy,

heute wieder ein neues Kapitel von mir :). Ich hoffe es hat euch gefallen. 

Ich war gestern einfach wieder in einem Freizeitpark *Mindblow*. Bei mir sind die Inzidenzen in meiner Region so niedrig, dass richtig viel wieder aufmachen kann. Irgendwie überfordert mich das ein wenig XD. Zu viel soziale Interaktion.

Ich hoffe, ihr hatte gestern und habt heute auch noch einen schönen Tag :)

LG,

eure Lesekatze 

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt