Kapitel 24

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Am Ende der Woche fasste ich einen Entschluss. Ich wusste, dass wenn ich nicht mit jemanden drüber reden würde, dann wird mein Kopf früher oder später explodieren. Da ich Matteo aber ganz sicher nicht anrufen konnte, da dieser mich nur auslachen und eine Schwuchtel nennen wird, auch wenn er es nicht so meint, werde ich mir wohl oder übel jemanden im Internat suchen müssen.

Mit wem hatte ich hier denn noch am meisten Kontakt? Kurz überlegte ich, bevor mir eine Person einfiel, mit der ich mir vorstellen könnte zu reden. Amelie. Ich entschloss mich sie die nächsten Tage auf jeden Fall anzusprechen, denn soweit ich sie einschätzen konnte, war sie echt nett und würde mir vielleicht helfen.

Während des Englischunterrichts schob ich ihr also einen kleinen Zettel zu, um zu fragen, ob sie Zeit hätte. Nur wenige Augenblicke später erhielt ich einen Zettel auf dem stand, dass wir uns gerne morgen früh um 10 Uhr auf dem Hof treffen können. Woraufhin ich ihr dankend bestätigte, dass das passt. Nun galt es nur noch die Zeit rumzukriegen, bis ich hoffentlich schlauer bin als jetzt. Doch das war durch das Training am Nachmittag zum Glück gar kein großes Problem.

*
Am nächsten Morgen machte ich mich nach dem Frühstück und Duschen pünktlich um kurz vor zehn auf den Weg zum 'Park'. Dort angelangt schaute ich mich kurz um, nur um zu sehen, dass Amelie schon auf einer Bank im hinteren Teil des Hofes wartete. Schnellen Schrittes ging ich zu ihr hinüber.

„Hey", begrüßte ich sie und setzte mich neben sie. „Hey Sitznachbar", erwiderte sie, woraufhin ich meine Augen verdrehte. Diesen Spitznamen werde ich wohl erstmal nicht mehr loswerden. „Also, wie kann ich dir weiterhelfen?", meinte sie dann und wandte ihren Blick zu mir.

„Naja also, zu aller erst danke, dass du mir zuhörst, ich hatte echt keine Ahnung wen ich fragen sollte." „Kein Problem und jetzt schieß los." Ich atmete einmal tief durch: „Ok, also es könnte sein, dass ich nicht ganz die Wahrheit darüber gesagt habe, was ich in den Ferien gemacht habe", ich stockte kurz und schaute sie kurz prüfend an, doch Amelie verzog keine Miene, weshalb ich fortfuhr: „Es gibt ein paar Probleme, oder wohl eher ein großes Problem mit mir und meinen Eltern, weshalb sie mich diese Ferien ungern bei sich haben wollten. Deshalb bin ich mit Jonathan in den Urlaub gefahren."

Amelie nickte und forderte mich stumm auf weiter zu erzählen, weshalb ich weitersprach: „Du hast vielleicht ja bemerkt, dass Jonathan und ich schon eine etwas engere freundschaftliche Bindung zueinander haben und in dem Umfeld, wo ich vorher gelebt habe, war das halt nicht so der normal Fall. Wenn man sich dort so verhalten würde, wie wir beide es tun, dann würde man uns als Schwuchteln beleidigen, oder ähnliches tun. Wie schon gesagt, ich habe nichts gegen Homosexualität oder sonstigem, Liebe ist Liebe und auch wenn man keine romantische Beziehung möchte, ist mir das schnuppe. Soll ja jeder für sich entscheiden was richtig ist, solange man damit niemandem schadet ist ja alles gut. Trotzdem habe ich es nie auch nur in Betracht gezogen nicht hetero zu sein, aber seitdem ich hier bin, weiß ich aber gar nichts mehr.

Während der Ferien habe ich Jonathan dann erzählt, dass ich noch niemanden geküsst habe, woraufhin er sich quasi angeboten hat.  Und seitdem wir uns geküsst haben, will der Kuss mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ich hab keine Ahnung mehr, was ich machen soll. Mein Kopf ist nur noch ein Wirrwarr von Gedanken, die ich nicht entknoten kann", in meiner wiederkehrenden Verzweiflung schlug ich meine Hände vor mein Gesicht. Ich wusste einfach nicht mehr weiter, doch irgendwie tat es gut das alles einmal raus zu lassen.

Erst reagierte Amelie gar nicht, sondern saß nur schweigend neben mir. Doch nach einer Weile legte sie mir ihren Arm um die Schulter und zog mich ein wenig zu sich, so dass ich, wenn ich denn wollte, mich an sie lehnen könnte. Schweigend nahm ich das Angebot an, denn irgendwie habe ich in letzter Zeit gemerkt, dass ich Umarmungen, die andere ernst meinen, doch gar nicht so abgeneigt bin, wie ich früher gedacht hatte. Was vielleicht daran lag, dass sie niemand richtig ernst meinte.

Erst mehrere Minuten später fing Amelie an zu sprechen: „Also, um es nochmal zusammen zu fassen, du bist immer davon ausgegangen, dass du hetero bist, weil deine alte Freundesgruppe verklemmt ist und kommst hierher und hinterfragt das plötzlich. Und dann hast du zum Austesten deinen ersten Kuss mit deinem besten Freund und nun geht dir der Kuss nicht mehr aus dem Kopf, worüber du dir jetzt deinen Kopf zerbrichst. Richtig?" Ich nickte. „Ok, dann lass mich dir eine Frage stellen. Wie fühlst du dich, wenn du in Jonathans Nähe bist?"

Kurz überlegte ich, sollte ich ihr das wirklich alles erzählen? Sie war doch auch gut mit Jonathan befreundet. Was wenn sie es weiter erzählt an ihn? Was er dann wohl denken würde. Amelie schien meine Gedanken zu erraten: „Keine Sorge, ich werde nichts weiter erzählen." Ich nickte und atmete noch einmal tief durch.

„Also in seiner Nähe fühle ich mich so, wie ich mich noch nie so richtig bei einer Person gefühlt habe. Ich fühl mich sicher und geborgen bei ihm und ich weiß, dass er mich nie dazu drängen wird ihm irgendetwas zu sagen, sondern immer warten wird, bis ich es von mir aus erzähle. Und dann weiß ich, dass er mich nicht verurteilen, oder wie ein anderer Mensch behandeln wird. Seine Umarmungen fühlen sich richtig gut an und er riecht auch gut. Und als wir uns geküsst haben, hat alles in mir gekribbelt."

Lächelnd schaute mich Amelie an: „Und du bist dir ganz sicher, dass du dir deine Gedanken nicht selbst erklären kannst? Ich meine, ich bin dir auf romantischer Gefühlsebene nicht wirklich die beste Hilfe, doch bei dir ist es schon ziemlich offensichtlich. Du bist in ihn verliebt Lucas.", meinte sie und wurde zum Ende hin immer sanfter.

In mir rasten die Gedanken. Konnte das wirklich sein? Nein! Ausgeschlossen, ich bin doch hetero. Doch umso länger ich drüber nachdachte, desto klarer wurde es mir. Amelie hat Recht, ich war wirklich  in ihn verliebt. Alle Anzeichen sprachen dafür. Aber was war ich denn nun? Schwul? Oder vielleicht doch bi oder pan? Und wie sollte ich mich mit dem Wissen normal gegenüber Jonathan verhalten?

Immer mehr Fragen und Gedanken schossen durch meinen Kopf, doch ein einzelner kristallisierte sich klar aus allen heraus: „Ich habe mich in Jonathan verliebt."
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Hey,

Ich hoffe ihr konntet heute auch das schöne Wetter genießen :) Ich wurde heute früh schon von einer Freundin zum Joggen gezwungen...:( sagen wir mal so, ich bin trotz tanzen, schwimmen, und tischtennis nicht die sportlichste XD Warum eigentlich?!

Bis nächste Woche,

eure Lesekatze 

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt