„Und wenn es so wäre?", antwortete ich mit einem durchdringenden Tonfall und schaute Matteo fragend an. „Dann wärst du eine ekelhafte Schwuchtel", meinte er schulterzuckend, ohne mit der Wimper zu zucken.
Erschrocken starrte ich ihn an, das war doch hoffentlich nicht sein Ernst, oder? Doch leider ließ der Blick, mit dem er mich musterte, nichts Gutes verheißen. „Ach du Scheiße, du bist wirklich eine Schwuchtel! Das erklärt auch, warum du nie ein Mädchen flachgelegt hast!", rief er aus und sah mich mit einem Hauch von Ekel an.
„Tja, das habe ich wohl nicht, aber das ändert nichts daran, wer ich bin, ich meine, du kennst mich", zögernd schaute ich ihn an, konnte ich ihn vielleicht noch irgendwie umstimmen nicht komplett auszurasten?
„Und ob es das tut. Das ist einfach nur ekelhaft! Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich dich niemals in meiner Nähe geduldet, geschweige denn dich nochmal herkommen lassen. Wie kann man nur denken, dass so etwas normal ist? Das sollte verboten werden! Du solltest verboten werden! Also bevor ich mich vergesse, verschwinde lieber aus diesem Haus, anderenfalls kann ich für nichts garantieren", schrie er nun hasserfüllt.
„Aber..." „Kein aber, sei froh, dass ich doch nicht direkt zusammenschlage, so wie ich es bei anderen getan hätte, also strapaziere meine Gutmütigkeit nicht zu lange aus, sonst wird es dir noch leidtun", unterbrach er mich und vernichtete somit meine letzte Hoffnung gleich nicht verlassen auf der Straße zu stehen.
So schnell wie es meine Beine zufließen, rannte ich aus dem Zimmer, schnappte mir meine Tasche und verschwand durch die Eingangstür nach draußen. Dort lief ich weiter, bis ich stolperte, auf die Knie fiel und in irgendeiner Nebengasse zusammenbrach. Ich zitterte am ganzen Körper und spürte nur noch ein Kribbeln in meinen Fingerspitzen.
Hustend probierte ich Luft zu holen, um meine viel zu schnell schlagendes Herz zu beruhigen. Doch nichts half wirklich. Hilflos merkte ich, wie die schwarzen Punkte vor meinen Augen immer dichter wurden und ich probierte verzweifelt nicht ohnmächtig zu werden.
Fast blind öffnete ich meine Tasche, um dort nach meiner Kulturtasche zu kramen, in welcher sich mein Asthmaspray befand. Irgendwie schaffte ich es hervorzuholen, entfernte die Kappe und atmete einen tiefen Schub ein. Dann hielt ich die Luft an, zählte bis zehn und stieß sie wieder aus.
Nach einer Weile ließ die Enge um meine Brust langsam nach und auch die Punkte verschwanden langsam aus meinem Blickfeld, bis ich wieder klar Sehen konnte. Doch das Gefühl der Beklemmung fiel nicht von mir ab.
Stattdessen dachte ich über seine Worte nach. War ich wirklich ekelhaft? Konnte man jemanden, den man seitdem man denken kann von den einen auf den anderen Moment einfach hassen? Wegen seiner Sexualität?
So kreisten die Gedanken in meinem Kopf, solange, bis es langsam dunkel um mich herum wurde. Da ich ohnehin keine Bleibe hatte, blieb ich einfach da, wo ich war, legte ich mich mit meinem Kopf auf die Tasche und deckte mich so gut es geht mit meiner Jacke zu.
Die Dumpfheit war wieder in meinen Körper zurückgekehrt und ließ mich die Kälte um mich herum gar nicht wahrnehmen.
*
Am nächsten Tag wachte ich mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Es war acht Uhr morgens, was hieß, dass ich noch gut eine Stunde hatte, um zum Zug zu kommen. Meine Knochen fühlten sich steif an und als ich mich streckte knackte es überall.
In Gedanken stand ich auf und lief einfach die nächsten Straßen entlang, ohne auf meine Umgebung zu achten. Dabei ließ ich meinen Beinen freien Lauf und dachte nicht wirklich drüber nach, wo ich hinging.
Erst als ich vor dem mir allzu gut bekannten Drogeriemarkt stehen blieb, kam ich wieder in der Realität an. Wie aus dem Nichts überkam mich plötzlich ein mir viel zu vertrautes, beängstigendes Gefühl und ohne es wirklich kontrollieren zu können, folgte mein Körper diesem.
Ich fühlte mich wie eine Marionette meiner Gefühle, als ich die Gänge entlang ging und vor einem bestimmten Regal stehen zu bleiben. Da waren sie, dieselben Packungen wie vor knapp einem Jahr. So viel hatte sich seitdem geändert und doch stand ich wieder vor diesem Regal in derselben verfluchten Stadt.
Mir war zum Weinen zu Mute, doch ich war leer. Es war nichts übrig zum Weinen. Jeder in dieser Stadt, die solange mein Zuhause war, hasst mich und duldete mich aus verschiedenen Gründen nicht mehr in seiner Nähe. Und der letzte Mensch, der das noch tat, wird mir bald auch noch entrissen werden. Es gab einfach nichts mehr in naher Zukunft, wofür es sich zu Kämpfen lohnte.
Nun nur noch mit leichtem Widerstand, da ich nur ungern mein Versprechen an Jonathan brach, nahm ich eine Packung aus dem Regal und machte mich auf den Weg zur Kasse. Dort bezahlte ich und machte mich dann auf den Weg zum Zug.
Gerade rechtzeitig kam ich am Bahnhof an, sodass ich den Zug einfahren sah und mir in einem der leereren Abteile einen Platz suchte. Dort stöpselte ich mir meine Kopfhörer ein und ließ die Musik einfach laufen. Ich war so abwesend, dass ich nicht mal wusste, was ich gerade hörte.
Es war mir um ehrlich zu sein auch egal. Alles war mir egal. Was nütze mir irgendeine dämliche Musik oder ein lustiger Film? Es gab keinen Ausweg aus meiner Situation, bis auf eben diese eine, die die in meiner Tasche liegt.
Wieso hatte ich diese Option nicht schon viel früher ergriffen? Dann müsste ich jetzt Jonathan nicht verlassen, sondern hätte niemanden der mich im Nachhinein vermissen könnte. Ich wäre ihm nie zur Last gefallen und wer weiß, vielleicht wäre er jetzt schon glücklich mit jemand anderem.
Er hätte mich nie kennengelernt, was ihm definitiv einige Sorgen erspart hätte, die für ihn doch vollkommen unnötig waren. Und ich hätte im Glauben an die Liebe meiner Eltern aus der Welt gehen können.
Entkräftet schloss ich meine Augen und probierte krampfhaft nicht loszuweinen. Mein ganzes Leben hatte keinen Sinn gehabt, das wurde mir jetzt so klar wie nie. Bis auf Jonathan hatte sich nie jemand ernsthafte Gedanken über mich gemacht, sich um mich gesorgt oder mich gar geliebt.
Mein Leben ist bedeutungslos und wird für immer so bleiben. Dessen war ich mir sicher, als ich durch das Zugfenster in die Weite freie Welt dahinter starrte, wo alles hell war, nicht so dunkel, wie in mir drinnen.
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Hey,
Ich hoffe euch geht es besser als Lucas gerade...
I'm sorry für das Drama, aber irgendwie musste das sein, keine Ahnung wieso XD. Nächste Woche wird auf jeden Fall heavy, aber I promise, es gibt ein Happy End! Ohne das könnte ich diese Story gar nicht enden lassen. Dafür würde mich das selbst zu sehr triggern, wie das eine Mal, als ich ein Buch gelesen habe, was mitten im Satz aufgehört hat, Aggressionen. XD
Bis nächste Woche,
eure Lesekatze
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Auch wenn der Weg nicht immer leicht ist
Teen FictionNachdem der 15 jährige Lucas eine Straftat begangen hat, ändert sich sein Leben komplett. Er muss auf ein Ballettinternat in Berlin, um sich dort ein anderes soziales Umfeld aufzubauen. Weg von seinen Freunden und alles was er kennt. Besonders froh...