Bonuskapitel 1

130 10 18
                                    

Verzweifelt warf ich mir einen Blick im Spiegel zu und lief zum wiederholten Male im Bad auf und ab. Was wenn etwas schiefläuft? Sah ich seriös genug aus, oder nicht? Ich trage einen verdammten Anzug, wieso zur Hölle fragte ich mich das?

„Weil du nervös bist", erklingt die Stimme von Jonathan hinter mir. Kacke, hatte ich etwas laut gedacht? Etwas peinlich berührt wandte ich meinen Blick zu meinem Freund, welcher nun ins Bad trat und mich kurz musterte.

„Du siehst fantastisch aus", meinte er und gab mir einen kurzen Kuss, bevor er plötzlich innehielt und zurücktrat, um mich noch einmal zu mustern. „Ist das der Anzug?", fragte er und schaute mich verschmitzt an. Ich nickte.

Es war der Anzug, den wir zusammen in New York gekauft hatten. Irgendwie hatte ich gehofft, dass er mir ein wenig Selbstvertrauen gab, denn ich verband mit ihm die Erinnerung an den Neujahrsabend, einer der schönsten Abende in meinem Leben.

„Na mit dem können wir ja nicht anders als gewinnen!", meinte er lächelnd und nahm dann meine Hand in seine. „Na komm, wir müssen los, sonst kommen wir noch zu spät", mit diesen Worten zog er mich mit zum Wagen, der vor dem Internat wartete und erhielt dort ein aufmunterndes Lächeln von Kathi, welche schon im Beifahrersitz saß.

Als alle angeschnallt waren fuhr Jonathans Vater los und wir näherten uns, meiner Meinung nach viel zu schnell, unserem Ziel. Meine Aufregung stieg mit jedem Kilometer, den wir fuhren. Gleich würde ich meinen Eltern gegenüberstehen. In einem Gerichtssaal.

Ich wusste nicht mal, was ich schlimmer finden sollte. Den Fakt, dass ich mit ihnen konfrontiert werden würde, nach einem halben Jahr Funkstille, oder das ich nach über einem Jahr wieder an einem Ort bin, an dem ich nie wieder sein wollte. Das ich nicht der Angeklagte bin, machte die Sache dabei auch nur ein wenig besser.

Unruhig spielte ich mit meinen Fingern herum, da ich nicht wirklich wusste, was ich mit ihnen anfangen sollte. In mir staunten sich sämtliche Gefühle auf, die ich schon seit längerem versuchte hinter mir zu lassen, doch es schien, als sei mir dies nicht vergönnt. Um etwas runterzukommen, konzentrierte ich mich auf meinen Atem und schloss dabei meine Augen.

Es wird alles gut, es wird alles gut... Dieses Mantra wiederholte ich immer und immer wieder, in der Hoffnung, dass es mich beruhigen würde, doch nichts half so wirklich. Eher hatte ich das dringende Bedürfnis mich gleich zu übergeben, obwohl ich vor lauter Aufregung heute kaum etwas gegessen hatte.

Meine Nerven lagen blank und mein Kopf fing an sich die schlimmsten Ausgangssituationen ausmalen, die der heutige Tag nehmen könnte. Es war ein einziges Durcheinander von Emotionen und Gedanken. Doch der Strom wurde urplötzlich durch Jonathan unterbrochen, welcher meine Aufregung wohl mitbekommen hatte und nun meine Hand in seine nahm und beruhigende Kreise mit seinem Daumen auf meinen Handrücken zeichnete.

„Hey Lucas, schau mich an", meinte er sanft und drehte meinen Kopf vorsichtig mit seiner freien Hand zu sich, „Es wird alles gut werden, okay?" Ich probierte ihn mit einem Nicken zu zeigen, dass ich ihn verstanden hatte, doch die Zweifel blieben. Jedoch hatte ich nun nicht mehr das Gefühl ganz alleine mit ihnen zu sein.

Jonathan löste seinen Gurt und rutschte in die Mitte der Rückbank, um sich dort wieder anzuschnallen, dann legte er einen Arm um mich und streichelte beruhigend meinen Arm. Was würde ich nur ohne ihn machen?

Wir blieben in unserer Pose, bis wir vor dem Gericht angekommen waren. Es war ein eher kleineres Gebäude etwas außerhalb der Stadt, da unser Anliegen nicht das größte Gericht Berlins benötigte und als wir nach einer Weile auf dem Parkplatz parkten und ausgestiegen waren, sah ich das Auto meiner Eltern, welches ein Stück von uns entfernt stand.

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt