Kapitel 6

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Mittlerweile doch schon sehr nervös stand ich zusammen mit den anderen Schülern im Studio und probiert verzweifelt mir ein paar Übungen von den anderen abzugucken um auch ja nicht aufzufallen. Das funktioniert anscheinend auch ganz gut, was vermutlich daran liegt das alle fast nur auf sich achten und mich gar nicht beachten.

Nur Jonathan guckt mich ab und zu skeptisch an und schüttelt immer wieder leicht den Kopf um sich danach wieder auf seine Übungen zu konzentrieren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, aber ich denke, dass er sich langsam denken kann, dass ich nicht wegen meines 'Talentes' hier bin.

„Guten Morgen", ertönte es hinter mir. Sofort drehe ich mich um. Hinter, beziehungsweise jetzt vor mir stehen drei Personen. „Ich bin eure Lehrerin Frau Hofmann und das sind Herr Peters und Herr Schmidt." Nun wendete sich Herr Peters an uns:„ Alle Jungs kommen beim Training immer zu mir und die Mädchen bleiben bei Frau Hofmann. " Mit diesen Worten drehte er sich um und ging in Richtung Tür.

„Na los husch, husch „, ließ Frau Hofmann von sich verlauten und schnell liefen alle zu ihren Taschen. So auch ich, doch kurz bevor ich rausgehen konnte und meine Blamage sich schon zehn Mal vor meinem inneren Auge abgespielt hatte, hielt mich Herr Schmidt an der Schulter auf:„ Bist du Lucas?", fragend guckte er mich an und ich nickte." Dann kommst du mit mir."

Wieder nicke ich und innerlich breitet sich in mir eine Welle der Erleichterung aus. Ich muss mich nicht komplett vor der ganzen Klasse blamieren, ein Glück. Schweigend gingen wir den Gang entlang zu einen der vielen Räumen. Nachdem wir bei einem etwas kleineren Raum angekommen sind, sieht er mich prüfend an. "Ich vermute mal, dass du vorher noch kein Ballett getanzt hast, sonst hätte man mir nicht gesagt, dass wir bei den Grundschritten anfangen sollen. Allerdings siehst du auch nicht so aus als würdest du keinen Sport machen, also Muckibude oder was Richtiges? ", herausfordernd schaute er mich an.

„Schwimmen", antworte ich kurz ohne ihn dabei anzusehen. Der macht sich jetzt schon über mich lustig. Anfänger kann er vermutlich gar nicht ab. Wahrscheinlich kennt er das gar nicht. Wenn man an so einer Schule unterrichtet, dann gibt es ja nur gute Schüler die das auch wollen, nicht dämliche Teenager, die somit dem Knast oder der Sozialarbeiter entgeht. „Gut, dann fangen wir mal mit den Grundschritten an„

*

Nach drei Stunden Ballett, einer Stunde Mathe und Englisch lasse ich mich erschöpft auf mein Bett fallen. Jonathan war mit ein paar anderen Schülern irgendwo hingegangen und hatte mich bis jetzt kaum beachtet.

Ich bin mir relativ sicher, dass er nach dieser Stunde weiß, dass ich nicht wegen meines Talentes hier bin. Eigentlich wollte ich hier hin ohne irgendwelches Aufsehen zu erregen, aber allein schon dadurch, dass ich rein gar nichts kann falle ich auf. Obwohl wahrscheinlich ist es erstmal nur Jonathan aufgefallen, denn ansonsten kennt mich hier keiner.

Ich bin jetzt einfach schon fertig mit der Welt und ich wette, dass ich morgen einen sehr starken Muskelkater haben werde. Doch anstatt, dass ich mich jetzt fertig mit der Schule bin und mich schlafen legen kann, habe ich gleich noch ein extra Training, denn im Gegensatz zu den anderen habe ich an jedem verdammten Tag zweimal Training und nicht nur zweimal in der Woche. Ich könnte kotzen. Kurz bevor ich mich komplett in Selbstmitleid verlor hörte ich mein Handy klingeln.

Ich nehme es in die Hand und sehe das Matteo mich anruft. Da ich die nächste halbe Stunde nichts mehr zu tun habe und ich zum Glück alleine bin nehme ich den Anruf an. „Hey", murmele ich. „Na bro. Wie ist der erste Tag als Ballerina verlaufen?", fragt Matteo neckend. „Komm mir nicht damit an", seufzte ich genervt:„ Es ist der Tod. Die sind hier alle total begeistert und können es nicht abwarten, währenddessen ich selbst auf die Kunststunde hin fiebern! Ich meine ich hasse Kunst aber das ist immer noch besser, als Einzelstunden bei einem Trainer und jeden Tag zwei Unterrichtseinheiten."

Matteo fängt an zu lachen. Nach einer kurzen Zeit hat er sich wieder gefangen. „Was ein Glück, dass ich da selbst nicht hin muss. Gott, das würde ich keine Woche aushalten. Tut mir echt Leid für dich." Wieder fängt er an zu kichern. „Hast du denn zumindest jemanden kennengelernt mit dem du dich verstehst? Und sind da auch heiße Mädels?"

Genervt verdrehte ich meine Augen. War ja klar, dass so eine Frage von Matteo kommt. „Letzteres kann ich dir noch nicht sagen. Wie gesagt ich hab ja Einzelunterricht. Und so richtig kennengelernt hab ich auch noch niemanden. Außer meinen Mitbewohner Jonathan etwas nervig aber in Ordnung, besser als niemand. Aber ich denke langsam er weiß warum ich hier bin. Er hatte mich am Anfang so zu gelabert, dass ich irgendwann preisgegeben habe, dass ich nicht durch die Aufnahmeprüfung an die Akademie gekommen bin.

Und jetzt nach dem Einzelunterricht, kann es schwer an meiner nicht vorhandenen Begabung liegen." „Kacke und was machst du jetzt? Hast du schon nach dem Unterricht wieder mit ihm geredet?" „Nicht so richtig. Ich habe das Gefühl, dass er mir ein wenig aus dem Weg geht."

Kurz war es still in der Leitung. „Wirst du es ihm sage?" „Vielleicht, aber noch nicht jetzt, denke ich. Ich bin glaube ich bin noch nicht so weit. Darauf reagierte Matteo nur mit einem zustimmenden Geräusch. Wir redeten noch eine Weile über Gott und die Welt bis ich mich dann leider verabschieden musste, da ich zu meinem Leidwesen noch zu meiner Ballettstunde muss. Ich stehe also auf gehe ins Bad mit meinen Sachen und ziehe mich um.

Herr Schmidt oder Micha wie ich ihn seit Ende der letzten Stunde nennen soll ist trotz meiner ersten Befürchtungen ein sehr geduldiger Lehrer und weiß sehr wohl etwas mit mir anzufangen. So zeigt er mir jetzt in der zweiten Stunde ein paar Übungen die ich vor den nächsten Stunden machen soll um warm zu werden. Dabei stellte ich fest, dass ich gar nicht so ungelenk bin, wie ich immer dachte und erlange sogar einen anerkennenden Blick von meinem Trainer.

Ein bisschen motivierter laufe ich nach der Stunde in mein Zimmer zurück. Vielleicht wird das nicht mein Lieblingssport und ich werde ihn wahrscheinlich nach meinem Abschluss nicht weiter betreiben, aber so schlimm wie ich am Anfang gedacht habe, ist der Sport nicht. Ich habe immer gedacht, dass dort nur Sport fixierte Mädchen rumlaufen und die Jungs mit ihren Strumpfhosen auch alle einen an der Klatschen haben, aber das Vorurteil über die Mädchen kann ich zumindest halb wegstreichen. Heute Morgen beim Frühstück habe ich kurz ein paar Gesprächsfetzten beim Mädchen Tisch auffassen können. Und das Thema war meiner Einschätzung nach ziemlich ähnlich zu denen über die sich die Mädchen an meiner alten Schule unterhalten hatten. Generell sahen die meisten hier relativ normal aus. Gut es gab keine richtigen Schminktussen hier, womit ich auch überhaupt kein Problem hatte. Aber ich hätte echt gedacht das hier eine Art Wettstreit ist und fast 24/7 Zickenkrieg herrscht. Doch ich wurde eines Besseren belehrt. Auch das Klischee, dass jeder Junge hier schwul ist kann man streichen, denn wenn man die Gänge entlang geht sind dort fast mehr Pärchen, als in meiner alten Schule.

Kurz ließ ich meinen Blick durch die Mensa gleiten um festzustellen, dass Jonathan auf der anderen Seite mit einigen anderen aus unserem Jahrgang saß und angeregt in einer Unterhaltung vertieft war. Seufzend stehe ich auf, bringe mein Tablett zu dem vorgesehen Ständer und mache mich auf den Weg in mein Zimmer. Ich werde wohl in nächster Zeit alleine essen. Mit diesem Gedanke schmeiße ich mich auf mein Bett und schließe meine Augen.

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Hey,
Hier ist ein weiterer Teil meiner Geschichte, (jetzt auch überarbeitet) ich hoffe er gefällt jemanden da draußen, der meine Geschichte ließt. Falls es tatsächlich jemand tut, würde ich mich sehr über ein Vote oder einen Kommentar freuen. Auch konstruktive Kritik ist bei mir immer erwünscht.
LG Lesekatzte

PS: Dieses Mal geht ein dickes Dankeschön an lilxsenpai dafür, dass du meine Geschichte zu deiner Leseliste hinzugefügt hast.

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt