Kapitel 57

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Im Eingangsbereich saßen Isa, Mia, Amelie, Jonas, Elias und Colin zusammen auf den Bänken und waren in ein Gespräch vertieft. Erst als die Tür hinter uns ins Schloss fiel, schreckte Mia auf und stupste den anderen mit dem Ellenbogen in die Seite.

„Hey Lucas, schön, dass du wieder da bist", meinte Colin lächelnd, nachdem sie zu uns rübergekommen sind, und klopfte mir kurz auf die Schulter, um danach Jonathan zu begrüßen, woraufhin die anderen nacheinander auf mich zu kamen, um mich zu umarmten, oder mir einen Handschlag zur Begrüßung zu geben.

Als alle einmal an der Reihe gewesen sind, fingen sie an mich in ihre vorherige Unterhaltung mit einzubinden und taten so, als wären die letzten Wochen nicht wirklich etwas passiert. Ab und zu merkte ich die besorgten Blicke von Isa und Amelie auf mir, aber ansonsten blieb es dabei.

Das mir nach einer Unterhaltung nicht gerade der Kopf steht, konnten sie ja nicht wirklich ahnen. Ein Glück schien zumindest Jonathan zu sehen, dass mir nicht wirklich wohl in der Konversation war, weshalb er die anderen nach kurzer Zeit freundlich, aber bestimmt nacheinander wegschickte, damit wir uns in Richtung unseres Zimmers aufmachen konnten.

Versteht mich nicht falsch, es ist ja nett von ihnen, dass sie auf mich gewartet haben, um mich in Empfang zu nehmen, doch eigentlich hatte ich nur meine Ruhe haben wollen und vielleicht nachher noch beim Abendessen kurz mit ihnen zu reden.

Für eine längere Konversation war meine soziale Batterie deutlich zu schwach. Zumal ich durch den 'Verrat' von Matteo auch ein wenig Probleme hatte ihnen noch weiterhin zu vertrauen.

Ich meine das hatte ich vorher vermutlich auch nicht wirklich, denn sie wissen bis heute eigentlich gar nichts über mich. Aber durch Matteo hatte ich gesehen, dass auch Menschen, denen man sein Leben lang vertraut hat, sich von einem abwenden können wegen den absurdesten Sachen und so etwas wollte ich nicht wirklich nochmal erleben.

Wer könnte es mir verübeln? Aber besonders weiterhelfen tut es mir im Leben nicht. Jedoch hatte ich gerade mit deutlich größeren Problem zu kämpfen als nur Vertrauensprobleme.

Doch diese sollte ich ja nun mit Matthi lösen. So zumindest in der Theorie. Bis heute wusste ich nicht, wie ich den Konflikt mit meinen Eltern angehen sollte. Auf der einen Seite hatte ihr Verhalten mir gegenüber tiefe psychische Wunden hinterlassen, bei denen ich nicht glaube, dass sie je verheilen werden und wenn dann nur als dicke Narben, die für immer sichtbar und schmerzhaft sein werden.

Auf der anderen Seite waren sie immer noch meine Eltern, die ich, auch wenn ich es wahrhaben wollte, irgendwo tief in mir immer noch liebte, egal wie sie sich mir gegenüber verhalten haben. Ich habe sie 15 Jahre lang immer liebgehabt, das hört nicht von heute auf morgen einfach auf.

Doch mit ihrer Abneigung mir gegenüber kam noch ein weiteres Problem. Ich war noch lange nicht volljährig. Mein sechzehnter Geburtstag war zwar in wenigen Wochen, doch auch das machte es nicht besser. Sie sind und bleiben für die nächsten zwei Jahre meine Erziehungsberechtigten und ich habe, wenn ich den Konflikt mit ihnen nicht löse, kaum die Möglichkeit auch nur irgendetwas zu machen.

Wieso war das alles bloß so kompliziert? Ich seufzte und erlangte damit die Aufmerksamkeit von Jonathan, welcher mich besorgt ansah.

„Ist alles okay?", fragte er sorgenvoll und legte mir seinen Arm um die Schulter, um mich näher zu sich zu ziehen. Ich erwiderte die Geste, in dem ich mich an ihn ran lehnte und meinen Arm um seine Hüfte legte. „Nicht so wirklich, aber das kann warten, bis wir auf dem Zimmer sind okay?", antwortete ich ehrlich.

Ich hatte es satt ihn anzulügen, denn das brachte nichts. Umso offener ich meine Gedanken mit ihm in der letzten Zeit geteilt hatte, umso besser hatte er meine Handlungen der letzten Monate nachvollziehen können.

Klar hatte ich ihm damals schon viel erzählt, zumindest was geschehen war. Aber was meine Gedanken anging war ich eigentlich immer recht verschwiegen gewesen.

Doch mit ihm über sie zu reden, half uns beiden. Denn Jonathan musste sich zumindest nicht mehr Sorgen darum machen, welches Päckchen ich gerade mit mir rumtragen könnte und ich wusste, dass ich mit meinen Gedanken und Problemen nicht alleine bin, sondern sein volles Verständnis und seine volle Unterstützung hatte.

Und jetzt endlich wieder unser Zimmer zu betreten, das mittlerweile mein Zuhause geworden ist, war erleichternd. Das Zimmer im Krankenhaus war am Ende einfach nur noch beklemmend gewesen. Die vergitterten Fenster und die ständige Überwachung von Ärzten und Pflegern war mit der Zeit echt anstrengend gewesen.

Denn egal wie nett sie auch gewesen sind, sie haben mich behandelt, als wäre ich fragil und würde mir jede Sekunde aus meinem Bettlaken ein Strick basteln, mit dem ich mich erwürge. Ich durfte meine Tabletten nicht ohne Aufsicht nehmen, nicht alleine rausgehen, am Anfang nicht mal alleine auf Klo.

Auch ein Rasierer war mir nicht erlaubt gewesen, aufgrund der Klingen, weswegen mir mittlerweile ein gewisser Bartflaum gewachsen war. Doch den werde ich bald entfernen, denn unter Jonathans Aufsicht, durfte ich nun tatsächlich einen nutzen.

Nachdem Jonathan die Tür aufgeschlossen hatte, traten Kathi und ich hinter ihm ein. Ich legte meine Tasche neben mein Bett und ließ mich darauf fallen. Ich wollte einfach nur noch Ruhe haben und vielleicht noch ein wenig mit Jonathan reden.

Als mein Kopf das Kopfkissen berührte merkte ich, dass sein Geruch daran war. Ich schaute in seine Richtung und als er meinen Blick erwiderte, schenkte ich ihm ein wissendes Lächeln und bewegte meine Augen so, dass er merkte worauf ich hinaus wollte.

Er zuckte nur grinsend mit seinen Schultern und formte mit seinen Lippen: „Ich habe dich halt vermisst", bevor er sich an seine Mutter wandte. „Danke, dass du uns gefahren hast."

„Aber natürlich, ich bin immer da, wenn ihr mich braucht. Ich muss jetzt aber leider los, da ich gleich noch eine Probe für das nächste Stück habe. Ich kann euch doch alleine lassen, oder?", fragte Kathi und lächelte uns entschuldigend an.

„Alles gut, fahr zur Probe. Vielen Dank für alles", meinte ich und schaute ihr in die Augen, um zu verdeutlichen, wie wichtig mir meine Worte waren. Kathi war mittlerweile fast wie eine Ersatzmutter für mich geworden durch ihre Fürsorge seit den Ferien und sie behandelte mich fast wie ihren eigenen Sohn, wofür ich ihr unglaublich dankbar war.

„Na gut, dann komme ich morgen nochmal vorbei, um zu gucken, wie es aussieht, okay? Ihr könnt mich immer anrufen, wenn etwas ist, oder wendet euch an die Hausmutter oder einen Lehrer", sagte sie und schaute uns mahnend an, da sie nur zu gut wusste, dass wir viele Dinge im letzten Jahr alleine gemacht hatten, bei denen wir Hilfe gut hätten gebrauchen können.

„Machen wir, wir sehen uns morgen", antwortete Jonathan. Woraufhin Kathi uns beiden einen Kuss ins Haar setzte und dann, nicht ohne einen letzten Rückblick, aus dem Zimmer verschwand und Jonathan und mich somit alleine zurückließ.

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Heyy,
Ich wünsche allen, die es feiern, frohe Weihnachten :)

Da ich jetzt nun endlich Ferien habe und somit ein wenig mehr Zeit zum Schreiben, habe ich mich entschlossen heute, sowie an Sylvester jeweils ein extra Kapitel hochzuladen. Sonntags kommt dann regulär immer noch eins. :D

Ich hoffe ihr könnt den heutigen Tag genießen und habt ein wenig mehr Glück als ich mit dem Wetter :).

Wir lesen uns dann Sonntag,
eure Lesekatze

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt