Kapitel 44

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Am Donnerstagnachmittag packte ich schwermütig meine Tasche. Mit der nun anstehenden Reise wurden mir meine aktuellen Probleme nur umso mehr bewusst. Die Ängste in mir wurden wieder präsenter und auch mein bevorstehendes Gespräch mit Matteo machte es nicht besser. Doch mir blieb nichts anderes übrig, als mich der Situation zu stellen, denn so sehr ich es wollte, ich konnte nicht hierbleiben.

Am späten Abend holte uns dann ein Wagen ab, der uns zum Flughafen fuhr, wo wir in das Privatjet von Jonathans Eltern einstiegen. Wie auch das letzte Mal, guckte ich mich bewundernd im Innenraum um. Es war einfach mit allem nötigen und unnötigen ausgestattet. Von Steckdosen und bequemen Sitzen, bis hin zu einer Mini- und Snackbar und einer herunterfahrbaren Leinwand für Filme, die jeder mit eigenen Kopfhörern hören kann.

Es war wie auch das letzte Mal einfach surreal und war, ehe ich mich versah, vorbei. Nach der Ankunft am Berliner Flughafen machten wir uns auf den Weg zurück ins Internat. Seit letztem Mittwoch war es wieder geöffnet, damit die Schüler rechtzeitig wieder zurückkehren können.

Unser Glück, denn ansonsten hätten wir noch in irgendwelchen Hotels übernachten müssen und ich wollte einfach nur zurück. Als wir endlich unser Zimmer betraten, merkte ich, wie sehr ich es vermisst hatte hier zu sein. Denn egal wie sehr mich meine Probleme hier verfolgten, es war im letzten halben Jahr zu meinem Zuhause geworden, der Ort, an dem ich mich wohler fühlte als sonst irgendwo.

Ich ließ meine Tasche neben der Tür fallen und zog Jonathan hinter mir her, um ihn auf mein Bett zu ziehen. Denn nach den Strapazen des Fluges und dem Jetlag, war mir gerade einfach nach einer ausführlichen Kuscheleinheit, weshalb ich einen Arm um ihn legte und mich ganz nah an ihn ran kuschelte.

Er seufzte leise und drückte mir einen Kuss auf meinen Scheitel, bevor auch er sich näher an mich ran drückte, sodass nicht einmal ein Blatt zwischen uns gepasst hätte. So blieben wir eine Weile liegen und genossen die Nähe zum anderen.

Doch lange hielt der Moment nicht an, denn auch wenn wir Donnerstagabend losgeflogen sind, war es mit der Zeitverschiebung schon später Nachmittag gewesen, als wir in Berlin gelandet sind, weshalb es jetzt schon 18 Uhr ist.

Somit mussten wir uns langsam zum Essen aufmachen, denn auch wenn das Internat wieder geöffnet hat, sind die Zeiten für die Essensausgaben deutlich gekürzt, weil es sich schlicht und einfach nicht lohnt, sie zu lange aufzuhaben.

Heute gab es Brötchen mit Aufschnitt und Salat, sowie Pudding als Nachspeise. Es waren nur wenige da, die mit im Saal saßen, weshalb wir das Essen ziemlich schweigsam zu uns genommen haben.

Danach waren wir ins sind wir zurück ins Zimmer, haben noch versuchsweise ein paar Kleidungsstücke zurück in den Schrank geräumt und sind dann schlafen gegangen. Naja, zumindest Jonathan, denn mich hielten die Gedanken an alle meine Probleme und vor allem an morgen noch eine Zeit lang wach.

Doch nach ein oder zwei Stunde schaffte es auch ich in mein unruhiges Land der Träume überzugehen.

*

Die Nacht war alles andere als erholsam, da ich immer wieder Albträume von mir auf der Straße oder in einem Gerichtssaal hatte. Die Angst vor meiner Zukunft war mittlerweile so tief in mir verankert, dass ich nichts mehr dagegen unternehmen konnte, um sie ruhig zu stellen.

Wann immer mein Kopf nicht gerade hochkonzentriert war, ließen mich die Gedanken an die nächsten Monate nicht los. Bis jetzt hatten meine Eltern mir noch kein weiteres Geld überwiesen und das hieß, dass sie den Dauerauftrag, der für mein Konto vorgesehen ist, gelöschte haben.

Damit würden sämtlich Hoffnungen in mir zerstört, doch die letzten Tage hatte ich nicht auf mein Konto geguckt. Erst Donnerstagmorgen hatte ich es getan und hatte einen Versuch gestartet mir gut zuzureden, dass die Überweisungen manchmal länger dauern.

Doch heute war Samstag und das Geld war immer noch nicht da. Das Argument des Überweisens konnte mich auch nicht mehr überzeugen, denn mehr als eine Woche dauert so etwas zwischen zwei Bankkonten bei derselben Bank eigentlich nicht.

Doch was sollte ich nun machen? Diese Frage beschäftigte mich die gesamte Zugfahrt nach Köln und zum Ende hin war mir einfach nur noch zum Weinen zu mute.

Wie sollte ich bitte Jonathan erklären, dass ich kein Geld mehr habe? Was ist, wenn er mich dann auch noch verlässt und ich ohne Geld alleine dastehe? Hatte ich dann überhaupt noch einen Grund weiter am Leben festzuhalten, oder hatte dann alles keinen Sinn mehr?

Die Welt schien mir schon jetzt viel zu grau, wenn Jonathan nicht bei mir ist, doch noch wusste ich, dass ich zu ihm zurückkehren kann. Das verleiht meiner Welt die einzigen Farben, die noch übrig sind.

Doch die Farben fangen mit allem um mich herum an zu verblassen und sind nur noch im wenigen Momenten deutlich zu erkennen. Das wurde seit Weihnachten immer schlimmer und schlimmer und auch wenn es an Silvester ein kleines Hoch gab, wusste ich nicht wie es morgen oder übermorgen aussieht.

Ich kann nur von Tag zu Tag leben und hoffen, dass er ein wenig Farbe beinhaltet, doch in wenigen Monaten bin ich alleine und dann werden sie erlöschen. Die Welt ist nur noch etwas was außerhalb meiner Selbst existiert, etwas, nach dem ich nicht greifen, sondern nur verschwommen in der Ferne wahrnehmen kann.

Ich war taub für alles um mich herum, so weit weg von Jonathan, wie seit Weihnachten nicht mehr und meine Welt klarte erst auf, als ich die vertrauten Züge des Kölner Bahnhofs sah und eine Durchsage mich aus meinen Gedanken riss.

Doch wirklich zu mir durchgedrungen, war nichts. Mehr wie in Trance nahm ich meine Reisetasche vom Gepäckträger und setzte mir meinen Rucksack auf. Danach schritt ich den Gang des Anteils entlang zum Ausgang und wurde mit der Menge auf den Bahnsteig gezogen.

Dort stand ich für eine Weile vollkommen orientierungslos dar und starrte ins Leere, bis jemand mich von hinten auf der Schulter antippte. „Hey, Lucas, da bist du ja", ertönte Matteos Stimme hinter mir und plötzlich war es als wäre ein Stöpsel gezogen worden und die Umgebung mit all ihren Geräuschen um mich herum wurde wieder scharf.

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Heyyy,

ich hoffe es geht euch gut und das das Kapitel euch gefallen hat :)

Ich wollte hier einmal anmerken, dass auch wenn Lucas die letzten paar Kapitel vielleicht glücklicher erschienen ist, dass das leider nicht für immer bleibt. Ich denke für jeden ist das Leben ein einziges Auf und Ab und bei Lucas bewegt sich dieses eben ganz weit unten. Diese Geschichte soll sich auch auf seine Verarbeitung des Verbrechen gehen, weshalb ich nicht so detailliert auf seine Beziehung zu Jonathan eingehe, wie es vielleicht in anderen Geschichten der Fall wäre :)

Bis nächste Woche,

eure Lesekatze

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt