Kapitel 49

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Stumm starrte ich die Decke über mir an, um jeglichen Kontakt zu Jonathan zu vermeiden. Es war mir einfach nicht klar, warum er immer noch bei mir war, nachdem ich ihm so viel Leid zugefügt habe. Was hielt ihn davon ab einfach zu gehen?

„Warum?", hier war wohl meine Antwort. Kurz musste ich überlegen, was er meinte, dann wurde mir klar, dass er mich nach dem Grund für mein Handeln fragte. Was sollte ich denn jetzt darauf antworten? Sollte ich ihm sagen, dass ich pleite bin, dass ich lieber tot wäre, als auf der Straße leben zu müssen ohne ihn?

„Du hast mir gesagt, ich würde es verstehen, aber ich versteh es nicht. Ich hab's versucht, ehrlich, aber es macht einfach keinen Sinn. Ich dachte wirklich es ginge dir besser", aus seiner Stimme konnte ich hören, wie verzweifelt er war und es zerriss mir das Herz ihn in so eine Lage gebracht zu haben.

Trotzdem schwieg ich. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte, wie ich anfangen sollte. Ich wusste gar nichts und genau das war mein Problem. Wie sollte ich ihm erklären, dass ich kein Geld mehr hatte, dass er mich ohnehin bald verlieren wird. Dass es keinen Sinn gehabt hat mich zu retten, da man es eh nicht konnte?

Nach einer Weile der Stille, setzte Jonathan wieder zum Reden an: „Als ich dich gefunden hatte, da unter der Dusche, ich... Ich hatte solch eine Angst um dich, ich dachte ich hätte dich für immer verloren und als du heute aufgewacht bist... Ich war so erleichtert, aber ich möchte es trotzdem verstehen."

Seine Worte fühlten sich wie Messerstiche in meinem Herzen an. Er sollte so etwas nicht durchstehen müssen, er soll glücklich sein, ohne mich, denn mit mir war nun mal keine Option. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und schnürt mir die Luft zum Atmen ab.

„In wenigen Wochen bin ich sowieso weg", brachte ich krächzend heraus. „Weg? Was meinst du damit?", die Verwunderung in seiner Stimme war klar herauszuhören. Ich seufzte und fuhr mir mit meiner Hand durch meine Haare.

„Ich habe kein Geld, vielleicht noch so 200 Euro. Meine Eltern haben mir nichts mehr überwiesen, seit... Naja du weißt schon. Und ohne Geld kann ich nicht auf dem Internat bleiben. Wenn das das Gericht mitbekommt, muss ich mich da verantworten und meine Strafe irgendwo absitzen, falls ich nicht vorher auf der Straße gelandet bin."

Nach meiner Erklärung herrschte wieder Schweigen. Kein angenehmes, sondern dieses, dass dir quasi die Luft abschnürt und du das Gefühl hast zu ersticken, auch wenn du ruhig weiter Atmen kannst.

Mein Blick hatte ich immer noch von Jonathan abgewandt, doch irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich drehte mich in seine Richtung und sah ihm das erste Mal richtig in die Augen.

In ihnen spiegelte mehrere Emotionen wider. Fassungslosigkeit, Wut, Entsetzten und Mitleid. Seine wunderschönen Augen erwiderten meinen Blick nach einer Weile und endlich setzte er zu einer Antwort an.

„Wieso hast du mir das denn nicht gesagt? Ich hätte dir doch geholfen! Wir hätte irgendeine Lösung finden können, zusammen!", anfangs überschlug seine Stimme und er gestikulierte wild mit seinen Armen, zum Ende hin wurde er ruhiger und sah mir traurig in die Augen.

„Was hättest du denn machen sollen? Ich habe kein Geld, da kann man nichts machen. Ich habe keinen Anwalt, um meine Eltern gerichtlich zu Geld verpflichten, noch habe ich, wenn ich auf dem Internat bleiben würde, genug Zeit, um genug Geld in einem Job zu bekommen", ich seufzte resigniert. Diese Diskussion hatte ich mit mir schon ausgiebig geführt und war am Ende zu keiner Lösung gekommen. Naja, bis auf der einen, wegen der ich jetzt hier lag.

„Trotzdem hättest du es mir sagen können! Ich bin der Freund Lucas", er seufzte und umschlossen meine Hand mit seiner. Ich schwieg. Er hatte recht, doch ich war so konzentriert auf meine Gedanken gewesen, dass ich alles um mich herum ausgeblendet hatte.

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt