Kapitel 35

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Als ich ein paar Stunden später wieder aufwachte, war es bereits dunkel. Immer noch müde, wischte ich mir über die Augen und streckte mich, um wenigstens ein bisschen wacher zu werden.

Als dies der Fall war, strömten alle Eindrücke und Gedanken der letzten Tage auf mich ein. Sofort wurden sämtliche negativen Gefühle und Gedanken in mir freigesetzt.

Um nicht in ihnen zu versinken, probierte ich mich abzulenken, indem ich mich aufrichtete, um mich ein wenig umzuschauen.

Ich saß auf einem King-size Bett, welches in der Mitte eines relativ steril eingerichteten Zimmers stand. Es gab noch einen Kleiderschrank, ein Regal und einen Fernseher. Die Wände waren in einem warmen Weißton gestrichen worden und ließen den Raum relativ groß wirken.

Das einzig persönliche an der Einrichtung waren die vielen Polaroids, die an der Wand hingen. Neugierig ging ich darauf zu. Die meisten Fotos waren irgendwelche Aufnahmen von Landschaften. Doch es waren auch einige dabei, auf denen eine jüngere Version von Jonathan mit einem Freund abgebildet war.

Ich musste schmunzeln, mit Sommersprossen und Zahnlücke sah Jonathan echt zum Knuddeln aus. Ich verlor mich eine Weile in den Bildern, bis ein Geräusch mich aus meinen Gedanken riss.

„Oh fuck, scheiße!", hörte ich Jonathan rufen, nachdem ein lautes Scheppern ertönt war. Belustigt schaute ich ein letztes Mal auf die Bilder, bevor ich mich endgültig abwandte und mich auf den Weg in die Richtung, aus der das Geräusch kam, machte.

Schon bald fand ich mich in einer modernen Küche wieder, in welcher Jonathan inmitten eines Chaos stand. Um ihn herum lagen Töpfe und Pfannen aller Art verteilt, die er probierte wieder an den richtigen Ort zu Hängen.

Kurz beobachtete ich die Szene stumm, bis ich mir ein Lachen nicht mehr verkneifen konnte. Es sah einfach zu komisch aus, wie er dort so verloren Stand und keine Ahnung hatte, wo etwas hingehörte.

Ruckartig drehte er sich um und hatte ein wütendes Funkeln in den Augen, bis er mich erblickte. Sofort wurde sein Block weich und er bahnte sich einen Weg durch das Chaos auf mich zu.

„Hey Lucas, wie geht es dir?", fragte er kurz bevor er mich in seine Arme nahm. „Ein wenig besser", meinte ich, um ihm ein wenig zu beruhigen. Zwar stimmte es schon, jedoch war dieses 'etwas' so minimal, dass es kaum zu spüren war.

Ich wanderte seit nun mehr als einem halben Jahr an einem schmalen Grat entlang. Die eine Seite war gefüllt mit den kleinen Momenten, die das Leben erträglich machten, die andere Seite bestand aus den Erlebnissen, die mich innerlich vernarbten und nie wirklich verheilende Wunden hinterließen.

Gerade war ich so ziemlich auf der Linie. Innerlich fühlte ich mich so, als müsste ich jeden Moment aufgeben, doch das Wiedersehen mit Jonathan hatte mich zumindest auf die Linie gelenkt.

Er war das einzige, der dies zu vermögen mag, denn alle anderen hatten mein Leben verlassen. Doch das Gefühl der Hoffnung verstärkte sich, als Jonathan mich in seinen Arm drückte. Solange es ihn gab, wollte ich weiter am Leben festhalten.

Umarmungen waren mittlerweile zu einer Art Ritual zwischen uns geworden. Früher hatte ich es gehasst, doch nun mit Jonathan waren sie es, die mir Kraft spendeten. Sie schenkten mir Geborgenheit, Sicherheit und Liebe.

Dinge, die ich Jahrelang, ohne es zu wissen, im Leben als festen Bestandteil gesucht hatte. Und als sie es endlich wurden merkte ich, wie stark mich das früher beeinflusst hat.

Ich hatte verzweifelt um Hilfe geschrien mit meinen falschen Aufmerksamkeitsversuchen, doch sie wurden nur missachtet und als jugendliche Rebellion abgetan. Auch hierbei war die Hoffnung ein Teil meines Lebens gewesen, jedoch hatte sie mich damals ins Verderben gestürzt.

Doch nun wusste ich es besser trotzdem wollte ich auch diesmal Menschen, die ich liebe nicht enttäuschen, doch diesmal nicht um Liebe zu erlangen, sondern um sie zu bewahren. Dieses Wissen steigerte mein Selbstwertgefühl um einiges, doch so niedrig wie es vorher war, war es noch nicht sonderlich hoch.

Nach außen hin musste ich damals wie ein selbstverliebter reicher Schnösel ausgesehen haben, der zufällig auch noch gute Noten hat. Doch hatte nicht mal mein damaliger bester Freund mein wahres Ich gekannt. Vermutlich wäre Matteo auch nicht mein bester Freund gewesen, wenn er gewusst hätte, wie ich wirklich war.

Doch auch mit diesem Wissen bereute ich es nicht mit ihm befreundet gewesen zu sein. Er war ein guter Freund gewesen und hat mich im Gegensatz zu allen anderen nicht sofort verlassen, doch wahrscheinlich nur aus Loyalität zu unserer langen Freundschaft.

Vielleicht sollte ich mich noch einmal mit ihm treffen, um mit meinem 'alten' Leben abschließen zu können. Meine Eltern wollten mich nicht und Matteo schien mir Meilen weit entfernt, trotzdem war er mir noch irgendwo wichtig und es wäre schöner für mich einen richtigen Abschlussstrich zu ziehen.

Ein Räuspern schreckte mich aus meinen Gedanken und ließ Jonathan und mich uns erschrocken voneinander lösen. Seine Mutter stand im Türrahmen und musterte mich freundlich, bevor sie ihrem Sohn einen strengen Blick zuwarf.

„Es wäre lieb, wenn du das nächste Mal Bescheid geben könntest, dass wir einen Gast bekommen", meinte sie mit einem ironischen Unterton, „Ich hoffe doch stark, dass ihr mir eine Erklärung geben könnt." Kurz schaute mich Jonathan an und fragte mich stumm, ob es ok sei mein Problem seiner Mutter zu erklären, doch da es eh keine wirkliche Alternative gab, stimmte ich mit einem kurzen Kopfnicken zu.

„Dann setzten wir uns wohl besser mal", meinte er mit einem ernsten Blick zu seiner Mutter. Diese nickte und nahm mit uns am Esstisch Platz. „Ich hatte dir ja erzählt, dass ich einen festen Freund habe, aber nicht sicher bin, ob er möchte, dass du weißt, wer er ist. Naja, Lucas ist mein Freund."

Wirklich überrascht sah seine Mutter nicht aus, doch das war nicht weiter verwunderlich, wenn man bedachte, in welcher Position sie uns gerade gesehen hatte. Eher war ich überrascht, dass Jonathan seinen Eltern schon von mir erzählt hat, doch war es eine Überraschung im positiven Sinne. Das bewies, dass ich ihm wirklich wichtig war.

„Er hat einen Fehler in der Vergangenheit gemacht, weshalb er aufs Internat geschickt worden ist, quasi als zweite Chance und dadurch, dass er bei mir im Zimmer wohnt, haben wir uns kennengelernt."

Während er sprach, strich er beruhigend mit seinem Finger über meine Hand, welcher er mit seiner verflochten hatte und warf mir immer wieder einen absichernden Blick zu.

„Naja, aber seine Eltern sind seitdem nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen, weshalb er auch in den Herbstferien zu uns gekommen ist. Diesen Winter wollte es Lucas nochmal probieren, doch es ist so eskaliert, dass sein Vater ihn geschlagen hat und da hab ich sofort einen Flug für ihn gebucht, damit er hierher kommen kann", als Jonathan endete herrschte Stille im Raum.

Man konnte sehen, dass seine Mutter sich fragte, was ich denn in der Vergangenheit getan habe, dass ich meine Eltern mich verstoßen, doch anscheinend war ihr Empathievermögen größer, als das Misstrauen mir gegenüber, sodass sie schließlich anfing zu lächeln.

„Ok, ich habe zwar noch einige Fragen, doch ich schätze die können auch noch wann anders geklärt werden. Ihr habt doch sicherlich Hunger, oder?"
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Heyy,
Welcome back to another chapter, I hope you liked it :)

Ich hab jetzt endlich Ferien bekommen... Hallelujah XD, dass heißt, ich fahr auch bald in den Urlaub, yayy :D

Bis dahin genieße ich wohl ein paar Tage Sonnenschein, die ich ein Glück habe und gehe an den Strand :)

Wie sieht es bei euch mit Ferien aus? Fangt ihr nächste Woche schon wieder mit der Schule an, oder seid ihr noch mitten drinnen?

Bis nächste Woche,
eure Lesekatze

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt