KAPITEL 3

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Noah

„...und dann hat er dort was mit seiner Zunge gemacht. Es war so verdammt gut!", schwärmt Betty mit ihren Freundinnen, während ich nur ein paar Meter weit weg liege. Die anderen sind gerade ein Eis holen gegangen. Auch, wenn ich Wasser mehr als alles andere verabscheue, wäre ich jetzt lieber im See, als hier. Das alles wollte ich jetzt ganz sicher nicht erfahren. Alleine der Gedanke, Jordan würde sowas mit meinem Schwanz machen, lässt ihn zucken und das ist hier absolut der ungünstigste Zeitpunkt.
„Hey Maulwurf, was geht?"
Genervt stöhne ich auf. „Was willst du Ryder?" „Nichts, nichts." Ich kann nicht genau ausmachen wo er gerade steht, doch Ryder bedeutet nur Ärger. „Warum bist du denn nicht im Wasser?"
„Warum bist du es denn nicht?", frage ich ihn desinteressiert. „Die geilen Weiber sind am Ufer und nicht im Wasser.", antwortet er und ich verdrehe die Augen. War ja klar. „Wenn du meinst, kann ich nicht beurteilen, bin leider blind.", murre ich und greife nach meinem Buch. „Hm, du passt hier nicht so ganz ins Bild, bin nur hier um das zu bereinigen.", verwirrt sehe ich vom Buch auf. „Wie meinst du da-..." Plötzlich werde ich hochgehoben, was bei meiner zierlichen Gestalt wohl kein bisschen ein Problem darstellt. „Fuck, Ryder! Das ist nicht witzig, lass mich runter.", schreie ich panisch, da ich es bereits ahne. Ich höre wie er auf Holz tritt und wahrscheinlich auf den Steg läuft. Heftig fange ich mich an zu wehren, doch bringt das überhaupt nichts. „Nein! Ryder! Lass mich sofort runter." Nein. Nein. Nein. Panik überrollt mich wie eine Lawine. Tränen treten mir in die Augen. „Ryder! Lass mich runter, bitte.", flehe ich ihn dann doch tatsächlich am Ende an. „Wie du willst.", lacht er gehässig und lässt mich fallen. Sofort werde ich von Nässe umhüllt und ich weiß nicht wo oben und unten ist. Heftig fange ich an zu strampeln. Ich kann nicht schwimmen verdammt. Mein Herz schlägt hektisch in meiner Brust, beinahe schmerzhaft. Bitte. Nein. Vor Panik atme ich Wasser in meine Lungen und wehre mich mit allen Mitteln, doch ich bekomme keine Luft mehr. Langsam gleitet die Kraft aus meinen Gliedern. Nein. Bitte.

Jordan

Lachend stehen wir in der Schlange zu der kleinen Holzhütte, wo der alte Mann immer Eis verkauft. Heute sind zum Glück nicht so viele Leute da, weswegen wir nicht stundenlang anstehen müssen. „Kommst du nächste Woche zur Party?", fragt mich Hayden. „Weiß noch nicht, vielleicht mache ich was mit Noah.", überlege ich, weil das aufregender klingt. Genervt seufzen meine Freunde auf. „Der kommt auch mal ohne dich klar.", murrt Arron. „Das Gegenteil habe ich auch nicht behauptet." Was soll das denn schon wieder? „Das meint er nicht böse, aber findest du nicht, dass er dich nur runterzieht?" „Was?" Wut macht sich in mir breit. Sie sind zwar meine Freunde, aber Noah ist mein bester Freund, mein Bruder. „Naja, er liegt nur dort und liest vor sich hin, nennt man sowas überhaupt lesen? Oder wie macht er das? Warum hast du ihn überhaupt mitgebracht?" „Weil er mein Freund ist, was ist daran so schwer zu verstehen? Außerdem nennt man sowas Blindenschrift, du Genie." Beschwichtigend heben sie ihre Hände. „Wir meinen ja nur. Noah ist kein schlechter Kerl, nur er passt nicht so wirklich zu uns." „Uns?" Interessiert ziehe ich eine Augenbraue hoch. „Noah ist mein bester Freund und nur, weil er nicht so ist wie ihr, solltet ihr ihn trotzdem akzeptieren. Uns gibt es nur im Zweierpack.", mache ich ihnen zu wiederholten Male klar.
Jedes Mal das selbe. Ich verstehe es nicht einmal. Wie kann man jemanden wie Noah nicht leiden? „Schon gut, Jordan. Haben verstanden.", versöhnend klopfen sie mir auf die Schulter. Ich bestelle zwei Eis, für mich und Noah.
Zusammen laufen wir wieder nach unten und unterhalten uns über unser Training. „Meinst du echt der wird den austauschen?", ich zucke nur mit den Schultern. Gerade als ich zu einer Antwort ansetzen wollte, höre ich jemanden schreien. „Ryder! Lass mich runter, bitte." Noah? Kurz drauf ist ein Platschen zu hören und ich sehe durch die Bäume, wie Ryder ihn ins Wasser geworfen hat. Augenblicklich lasse ich das Eis fallen und renne so schnell wie möglich los.
Verwirrt sehen sie mir alle hinterher. Fuck. Ich hechte beinahe zum Steg und springe mit einem Köpfer ins Wasser. Hektisch sehe ich mich im dreckigen, grünen Gesüff, nach meinem Freund um.
Komm schon, Noah...
Ehe ich ihn nur schemenhaft erkennen kann. Schnell schwimme ich zu ihm und packe ihn um den Oberkörper, während ich ihn Richtung Ufer ziehe. Leichtfertig hebe ich ihn aus dem Wasser, als ich Boden unter meinen Füßen spüre. Die anderen sehen mich nur geschockt an. Sachte lege ich ihn auf dem Sand ab und schlage etwas gegen seine Wange. „Hey, komm schon." Panik überkommt mich. „Noah!", brülle ich. Gerade als ich die Herzdruckmassage beginnen wollte, lehnt er sich zur Seite und hustet das ganze Wasser aus. Sanft nehme ich sein Gesicht in meine Hände. „Gehts?" Erschöpft nickt er. Wütend schaue ich mich um und sehe in das blasse Gesicht von Ryder. Sofort springe ich auf, gehe auf ihn zu und schlage ihn heftig mit meiner Faust ins Gesicht. „Er kann nicht schwimmen du Wichser!" Mein Herz rast und meine Hand pocht. Schmerzerfüllt hält er seine blutende Nase. Setze Prioritäten, höre ich die Stimme meiner Mutter im Kopf. Seufzend drehe ich mich um und gehe zu Noah, den ich wieder auf meine Arme hebe. Erschöpft lehnt er seinen Kopf gegen meine Schulter. „Baby-...", will Betty beginnen. „Jetzt nicht!", brülle ich, denn sie standen einfach nur da und haben zugesehen, wie er ihn ins Wasser geworfen hat. Rasend wende ich meinen Blick wieder zu Ryder. „Hoffe, dass er keine Anzeige erstattet.", knurre ich und Angst vermischt sich mit seinem schmerzverzogenen Gesicht. Ich schnappe unsere wenigen Sachen und laufe geradewegs zu meinem Wagen. „Es tut mir leid, dass ich nicht da war.", schuldig sehe ich auf den zitternden Noah in meinen Armen. Ich habe doch seiner Mutter erst heute Morgen versprochen, dass ich auf ihn aufpasse. Das tue ich immer und mit vollem Herzen.
„Ist o-okay.", krächzt er. „Nein, ist es nicht." Ich nehme unsere Decke und wickle ihn damit ein, bevor ich ihn auf den Beifahrersitz verfrachte. Das hätte nicht passieren dürfen!

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