KAPITEL 47

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Song Empfehlung:
Your Soul von RHODES

Noah

Mittlerweile sind Tage vergangen. Es ist bereits Donnerstag und Jordan hat sich nicht einmal gemeldet. Er ist wie vom Erdboden verschluckt. Selbst sein Vater war bei uns und hat nach ihm gefragt. Das macht mir Angst und ich mache mir so verdammt schreckliche Sorgen um ihn. Es ist nicht seine Art, einfach so zu verschwinden. Nicht für Tage. Anscheinend muss Jordan sich bei seinem Vater gemeldet haben und ihm gesagt haben, es ginge ihm gut und er komme bald wieder. Jedenfalls erzählte mir das meine Mutter, als Jordan's Vater vorgestern bei uns angerufen hat, nachdem er einen Tag davor noch bei uns war und sich nach ihm erkundigt hat. Tatsächlich hat es mich wirklich gewundert, dass er sich überhaupt darum schert, wo sein Sohn ist. Selbst als er hier war, kam er mir ruhig, gefasst, aber auch sehr besorgt vor. Nicht wütend oder gleichgültig. Sein Vater schien sich wirklich Sorgen um Jordan zu machen. Ob das an dem Gespräch liegt? Naja, ein Gespräch war das wahrscheinlich nicht wirklich. Völlig in Gedanken, betrete ich die Schule, nach dem ich mit Hayley hier her gefahren bin. Eigentlich komme ich hier nur her, um Jordan anzutreffen. Jedenfalls hoffe ich das, doch selbst in der Schule wundern sich alle wo er ist. Oh Jordan, ich hoffe so sehr, dass es dir gut geht. Vorsichtig bahne ich mir einen Weg zu meinem Spind. „Weißt du wo Jordan ist?", werde ich plötzlich angesprochen, als ich meinen Spind aufschließe. „Betty?", entkommt es mir verwundert. „Weißt du es??", will sie wissen und ich höre, wie sie sehr auffällig auf ihrem Kaugummi kaut. Ich seufze traurig. „Nein..." Niedergeschlagen nehme ich die Bücher für die nächste Stunde raus „Weißt du dann wer seine neue ist?", fragt sie mich und lehnt sich an den Spind neben mir. „Neue?", verwirrt runzle ich die Stirn. „Ja, die mit der er auf der Party rumgemacht hat.", stellt sie klar und mein Herz bleibt stehen. Anscheinend schaue ich sie so entgeistert an, dass sie auch schon weiter redet. „Du bist doch in ihn verknallt und auch sein bester Freund, jedenfalls noch vor einer Woche. Solltest du sowas dann nicht wissen?" „W-Was?", entkommt es mir entsetzt. „Na das ist doch der Grund warum er so außer sich war, nicht? Du hast ihn geküsst und ihm deine Gefühle gestanden, dann kam Blue und hat dich verteidigt, weil du doch mit ihm zusammen warst oder bist? Keine Ahnung, jedenfalls wird sich das so erzählt. Jordan soll dann so angewidert von euch beiden gewesen sein und ist ausgerastet. Stimmt das?" Mein Herz bleibt stehen. So erzählt man sich das? Aber das ist falsch. So verdammt falsch! Alles davon. Jordan hat eine Freundin? Nein. Er würde nie... Nein. Ganz sicher nicht. „I-I-Ich...", wollte ich stotternd beginnen doch sie unterbricht mich. „Jordan??", entkommt es ihr und beinahe reflexartig drehe ich mich um.

Jordan
einige Stunden zuvor

Ich sehe sie mir einfach an. Jeden einzelnen von ihnen. Es ist schon wirklich spannend, dass sie so weit weg und doch so nah wirken. Sterne waren mir immer ein Halt, abgesehen von Noah, die mir immer Mut gemacht haben, meinen Träumen zu folgen. Doch noch nie habe ich überhaupt so intensiv darüber nachgedacht, was denn überhaupt mein Traum ist. Sanft berühren mich die Regentropfen und laufen an mir hinab, auf die mittlerweile kalte Motorhaube. Das Prasseln beruhigt mich und lässt mich meine Augen schließen. Tränen mischen sich zu dem Regen und werden eins auf meiner Haut. Ein bedrückendes, schweres Gefühl in mir existiert, seit ich die Party verlassen habe und einfach drauf losgefahren bin. Ich weiß gar nicht, wie lange das her ist. Als ich müde war, schlief ich im Auto und, wenn ich Hunger hatte, hielt ich an einer Tankstelle, um mir etwas zu essen zu kaufen. Einem belanglosen Gefühl, was ich zwangsweise nachkommen musste, auch, wenn ich es kaum runter bekommen habe. Ich bin gar nicht weit gekommen, sagte mir mein Handy. Einige Meilen, jedoch nicht mehr als eine Stunde von zu Hause entfernt. Schon seit einiger Zeit stehe ich irgendwo abseits eines Waldrandes und habe mir all meinen Frust aus der Seele geschrien. Tatsächlich fühle ich mich nun besser. Betäubt, aber lebendig. Ich habe jede Sekunde damit verbracht, mir klar zu werden, was jetzt kommen wird, was es heißt, was mir Noah sagte und wie ich dabei empfinde. Ich bin wütend. So unfassbar wütend. Aber ich bin auch so schmerzlichst verletzt, verängstigt und müde. Fest presse ich meine Kiefer zusammen und denke an meinen besten Freund. Ich kann einfach nicht akzeptieren, irgendwann ohne ihn zu sein. Ich will der Wahrheit nicht in die Augen sehen. Noch nie war ich jemand, der wegläuft. Schon immer habe ich mich jeden Kampf gestellt und ihn gemeinsam mit meinem Freund durchgestanden. Umso weniger, kann ich mir einen Kampf ohne ihn vorstellen. Ein Kampf um mich selbst, nicht an dem Verlust zu zerbrechen. So viele, tausende Gedanke schwirren durch meinen Kopf, verunsichern mich, entmutigen mich und verwirren mich zusätzlich so sehr, dass ich kaum atmen kann, so beklemmend ist das Gefühl auf meiner Brust. Fest presse ich meine Hände auf meine Augen, um die ätzenden Tränen von mir zu wischen. Weinen ist für mich ein Zeichen der Schwäche. Zuletzt habe ich wirklich vor Jahren geweint. Als mir klar wurde, dass mir die Liebe meines Vaters wohl verloren gegangen ist. Traurig ist jeder Mensch mal, wahrscheinlich ist dies unvermeidbar, doch ich bin nicht traurig. Nein. Ich bin gebrochen. So sehr ich ihn auch liebe, ihn vermisse, ihn in die Arme nehmen will und ihm sagen möchte, dass alles gut wird, solange wir zusammen bleiben, doch ich habe so schrecklich Angst. Ich habe Angst, erneut dabei zu sein, wenn der wichtigste Mensch in meinem Leben geht. Nicht er. Nicht Noah. Also bin ich abgehauen, um vor ihm und meinen Ängsten weg zu laufen, weil ich nicht weiß, ob ich es ertrage, ihn so zu sehen. Zitternd streiche ich mir mein nasses Haar nach hinten und blinzle zum Regen hinauf, der in den letzten Minuten deutlich stärker geworden ist. Manchmal frage ich mich, ob es Schicksal war, dass ich mich gerade in ihn, in Noah verliebt habe. Nie habe ich wirklich darüber nachgedacht, was Liebe ist und wie sie sich anfühlt. Ich dachte vielleicht, ich liebe Betty, aber nun... weiß ich es besser.

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