KAPITEL 11

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Noah

Ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können. Er jedoch, schlief tief und fest. Am liebsten hätte ich ihm mal eine reingehauen, doch auch, wenn ich es mehr als alles andere will, kann ich es nicht. Ich liebe ihn zu sehr.
Ich würde ihm alles verzeihen, auch, wenn es noch so schlimm ist. Müde reibe ich mir über die Augen und genieße seine Wärme neben mir. Sie ist bereits fest in mein Leben integriert, so dass ich sie nie wieder neben mir missen will. Keine Ahnung wie spät es ist, vielleicht schon Mittag. Meine Mom kam kurz rein, was ich mitbekommen habe, doch ich habe mich schlafen gestellt, da ich keinerlei Interesse daran hatte mich zu erklären. Weder deine Blutergüsse in deinem Gesicht, noch die Tatsache, dass du anscheinend mitten in der Nacht zu mir gekommen sein musst. Plötzlich raschelt es neben mir und ein schmerzerfülltes Stöhnen verlässt Jordan's Lippen. Ich starre weiter nach oben ins nichts. Vielleicht ist es der Ärger, den ich genau in diesem Moment empfinde, aber auch die Sehnsucht, dir nahe zu sein, dass ich mich nicht bewege. Es ist wie ein innerlicher Kampf, der mich lähmt etwas zu unternehmen. Das Bett senkt sich leicht zur Seite, was mir sagt, dass du dich abstützt und mich wahrscheinlich ansiehst.
Seufzend lässt er sich nach einigen Sekunden wieder fallen und dreht sich auf den Rücken. Dann schweigen wir beide. Wahrscheinlich hat er schreckliche Kopfschmerzen und seine Verletzungen werden auch nicht ohne sein. Doch irgendwie ist es für mich eine kleine Genugtuung, dass er ein wenig leidet. Nicht ansatzweise so sehr wie ich, das würde ich ihm auch nie wünschen. Hass und Liebe liegen näher, als ich es je vermutet hatte. Dich zu lieben, habe ich niemals mit jeglichem Hass verbunden, abgesehen vielleicht den Hass auf mich selbst. Es ist so idiotisch, erbärmlich und leichtsinnig sich in dich, gerade dich, verliebt zu haben. Ich hätte mir nun wirklich keinen anderen Menschen aussuchen können, der weniger an Männern interessiert ist, als du. Mal davon abgesehen, dass ich dein bester Freund bin und du mich damit niemals auf diese Art lieben könntest, egal wie sehr ich es mir wünsche.
Ich schweige und Jordan tut es mir gleich. Vielleicht sind wir beide gerade nicht in der Lage etwas zu sagen, was alles nur noch komplizierter machen würde. Mit Sicherheit erinnert er sich, was er gestern Nacht getan und gesagt hat. Ich weiß nicht wie er darüber denkt, wie er fühlt, ob es ihm leid tut oder er einfach genau das gemeint hat, was er gesagt hat. Wahrscheinlich tut er das. Wahrscheinlich sind alle meine Wünsche zum Scheitern verurteilt. Dinge, die ich mehr als alles auf der Welt wollte, die nichts mit materiellen Dingen zu tun haben, habe ich noch nie bekommen. Weder meine Sehfähigkeit, noch deine Liebe. Ich bin nur noch ein paar Jahre davon entfernt vollständig zu erblinden und ich habe Angst, so verdammt Angst. Angst vor der Dunkelheit. Vielleicht ist das genau der Grund, warum ich dich so liebe, weil du mein Licht bist. Egal ob es nur eine Berührung von dir, deine Stimme oder ganz einfach deine Anwesenheit neben mir ist. Es zerschmettert mich innerlich, mit dem Gedanken klar zu kommen, dass es nie wieder wie früher wird, dass du, Jordan, mich nie wieder so siehst wie früher und ich als dein bester Freund gestorben bin. Ich sehne mich so sehr nach dir, dass ich genau aus diesem Grund in Tränen ausbrechen könnte.
„Es tut mir leid.", hauchst du dann so plötzlich, dass mein Herz stehen bleibt und ich glaube mich verhört zu haben.
Als ich dich bitten wollte, dies zu wiederholen, erzählst du auch schon weiter. „Ich war in den letzten Wochen ein schlechter Freund und wie ich reagiert habe, war mehr als nur falsch. Es wäre richtig gewesen, wenn ich gesagt hätte, dass es mich nicht interessiert ob du schwul, bi oder was auch immer bist, weil ich dich liebe, so wie du bist, aber das habe ich nicht und das tut mir so leid, Noah, wirklich." Nicht dazu in der Lage etwas darauf zu erwidern, schweige ich. „Und das was... was ich gestern getan habe, ist unverzeihlich. Vielleicht habe ich diese wenigen Wochen gebraucht, damit klar zu kommen, dass du auf... Männer stehst. Ich wünschte ich könnte sagen, dass es mich nicht stört Noah, ich wünschte es würde nichts zwischen uns verändern, doch das tut es. Vielleicht auch aus dem Grund, dass du mich geküsst hast, was mich noch immer zutiefst verwirrt. Ich hätte niemals gedacht, dass deine Gefühle bei mir in so eine Richtung gehen. Ich-..." „Das tun sie nicht.", platzt es einfach so aus mir raus. Elendiger Feigling! „Was?", ich spüre seinen Blick auf mir. „Ich... empfinde etwas für dich, ja, aber es geht nicht über unsere... Freundschaft hinaus.", hart schlucke ich. Lügner! Idiot! Nein! Ich kann einfach nicht ohne dich sein, Jordan und wenn das heißt, dass ich meine Gefühle gegenüber dir verleugnen muss, dann werde ich das tun. Du bist mir das Wichtigste auf dem Planeten. „Also... hat der Kuss nichts bedeutet?" Ich nicke und versuche mich an einem schwachen Lächeln. Er seufzt erleichtert auf. „Oh Mann, Kumpel! Ich dachte schon, dass jetzt alles vorbei ist.", plötzlich schlingt er seine Arme um mich und presst mich fest an sich. Diese Momente werde ich ab jetzt genießen, denn sie sind das einzige, was ich jemals von ihm bekommen werde. „Nein... aber Jordan, ich stehe trotzdem auf Männer.", gestehe ich ihm und tätschle seine kräftige Schulter. Er zieht mich wieder leicht auf Abstand. „Das ist okay. Solange du nicht auf mich stehst, ist das okay. Ich meine, es wird bestimmt manchmal etwas komisch, aber ich denke, mit der Zeit wird mich das überhaupt nicht mehr jucken." Ich seufze, lasse dann aber einfach meinen Kopf auf seine Brust fallen und verliere mich in seinem Duft. „Also gibt es da jemanden der dich interessiert?" Genervt stöhne ich laut auf und schlage ihm auf die Schuler. „Jordan! Lass es verdammt nochmal sein, mich verkuppeln zu wollen. Es nervt. Und nein, ich bleibe lieber Single, die in unserer Schule sind eh alle nur dumm.", knurre ich und vernehme wie er laut lacht und seine Brust sich unter mir bewegt. „Na gut Grummel. Ich werde mich ab sofort raushalten, wenn es da aber jemanden gibt, will ich, dass ich der erste bin, der davon erfährt. Okay?" Ergebend nicke ich und schließe die Augen. Genieße seine nackte Haut unter meinen Fingern und erfreue mich daran, dass es ihn nicht stört, dass wir uns so nahe sind. Mir war es irgendwie klar, dass Jordan, als ich mich bei ihm geoutet hatte, er es nicht so ‚gut' aufgenommen hatte, wie es den Anschein gemacht hat. Anscheinend hatte er noch wirklich lange daran zu knabbern. Wahrscheinlich hat ihn aber auch einfach zutiefst verwirrt, dass ich, sein bester Freund seit Geburt an, ihn einfach küsse. Ich hoffe einfach, dass er jetzt nicht mehr denkt, ich hätte Interesse an ihm. Manchmal glaube ich aber auch ganz einfach, dass Jordan das alles verdrängen will. Die Tatsache, dass ich ihn lieben könnte, ist vielleicht einfach zu absurd. Es verletzt mich, ja, aber es ist auch nichts Neues. Irgendwie kann ich ihn auch verstehen, aber ich muss mich auch verstehen, dass ich ihm nicht einfach meine Liebe gestehen kann, denn das würde alles ändern. Manchmal muss man Opfer in seinem Leben bringen, einfach um seine Geliebten zu schützen und ganz einfach auch sich selbst.

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