KAPITEL 29

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Noah

„Nein Mum, bitte zwing mich nicht.", flehe ich sie an. Meine Kopfschmerzen werden einfach nicht mehr besser und ich kann es nun nicht mehr vor meiner Mutter verstecken, weswegen sie jetzt entschieden hat, mit mir ins Krankenhaus zu meinem Arzt zu fahren. „Keine Widerworte, Noah.", erwidert sie sträng und packt alles Wichtige in ihre Handtasche. Niedergeschlagen sitze ich in der Küche und höre ihr zu, wie sie hektisch durchs Haus läuft. Ich verstehe sie ja, aber mir ist das unangenehm, außerdem hasse ich Ärzte wie die Pest. „Zieh deine Schuhe an!", fordert sie und ich seufze tief. Geschlagen begebe ich mich in den Flur und ziehe sie mir an. Zum Glück hat Jordan gerade eine weitere Bandprobe und kann somit nicht mitkommen, was mir auch recht so ist, da ich nicht will, dass er sich noch mehr Sorgen macht. Er ist wie meine Mutter und bestand drauf, dass ich mich endlich untersuchen lasse. Manchmal kommt es mir so vor, die beiden hätten sich gegen mich verschworen. Genervt verdrehe ich die Augen und mache mich mit meiner Mutter zu unserem Auto, ehe wir auch schon losfahren. Die Sonne ist warm auf meiner Haut und doch rieche ich, wie der Herbst kommt, der Boden raschelt, da immer mehr Blätter auf den Boden fallen. Ich mag den Herbst. Jordan riecht wie Herbst. Deswegen mag ich diese Jahreszeit besonders gerne. Meine Mutter summt zu der Musik mit und erwärmt mein Herz. Die Stimme meiner Mom gleicht die eines Engels, so klar, rein und wundervoll. Als Jordan's und meine Mutter noch jung waren, haben sie ab und zu mal zusammen in kleinen Clubs gesungen. Nichts großes, doch die Gemeinde fand es toll. Ich kann mich um ehrlich zu sein kaum noch daran erinnern. Es kommt mir vor, als hätte ich nach meiner Krankheit und nach dem Tod von Jordan's Mutter, ein neues Leben geführt. Vielleicht nicht besser, aber es war anders, mit neuen Eindrücken und Gefühlen, die mir so viel Schmerz, aber auch Leidenschaft gebracht haben. Manchmal vermisse ich die Unbeschwertheit des Jungen, der ich früher war. Der Junge, der mit Jordan unbeschwert herumtollen konnte, ohne sich Sorgen machen zu müssen, zu stürzen. Früher hat meine Mutter oft zu Gott gebetet, ihn um Kraft gebeten und gefleht, dass ich wieder gesund werde. Ich glaube nicht an Gott, doch meine Mutter ist, seit sie klein ist, streng gläubig. Mich konnte sie nie von diesem Glauben überzeugen und ich denke, sie nimmt es mir auch nicht so übel. Wie kann ein Gott, der so allmächtig ist, nur so viel Leid bringen? Mir leuchtet dies nicht ein, hat es nie und wird es nie und doch erinnere ich mich, wie meine Mutter jeden Tag vor meinem Krankenbett saß und gebetet hat. So voller Überzeugung, als würde sich auch nur ein Gott um ein einziges lächerliches Leben scheren. Früher hat mich die Vorstellung beruhig, dass nach dem Tod nicht einfach nichts ist. Es fühlte sich nicht mehr so schlimm an, mit der Tatsache konfrontiert zu werden, bald nicht mehr hier zu sein, nur, weil sich ein beschissener Tumor in mein Hirn gebildet hat. Ich war immer kerngesund, bis diese Kopfschmerzen und Schwindelanfälle anfingen und dann auch meine Sicht schlechter wurde. Noch immer bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich an meine Angst denke. Doch ich hatte nie so sehr Angst um mich selber, als wie um die Menschen, die mich lieben. Es war für mich unvorstellbar, meine Mutter und meinen Vater zu verlassen, als die Ärzte sagen, dass die Chance auf Heilung gering ist. Sowie ich nicht damit klar kam, meine nervige kleine Schwester zu verlassen, weil ich sie, auch, wenn sie noch so ätzend ist, doch aus vollem Herzen liebe. Am schlimmsten war es wohl damit klar zu kommen, meinen besten Freund zurückzulassen. Ich wollte das nicht, da ich nicht darauf verzichten konnte, jemals ohne ihn zu sein. Es ist erstaunlich, wie innig eine wahre Freundschaft sein kann, denn ich habe Jordan damals schon mehr geliebt, als einen Bruder. Jordan war, ist und wird immer sein, meine ganze Welt. Warum und wieso das so ist, warum gerade er, werde ich vielleicht nie ganz verstehen können, doch, wenn ich wählen müsste, würde ich nie jemanden anderes lieben wollen.
„Du erzählst dem Arzt alles, was dir in den letzten Wochen aufgefallen ist, ja? Bitte erinnere dich genau und, wenn es nur so klein ist, versprichst du mir das?", meine Mutter parkt wohl gerade, da das Auto zum Stehen kommt. Sanft streicht sie mir durch mein Haar. Ich nicke, um ihr zu signalisieren, dass ich verstanden habe. „Ich liebe dich mein Schatz, das weißt du, oder?" Ein schiefes Lächeln huscht über mein Gesicht. „Ich dich auch, Mom.", versichere ich ihr, ehe wir aussteigen und ins Krankenhaus gehen. Dieser Ort, hat immer einen ganz bestimmten Geruch, den ich wohl von allen am wenigsten mag. Er erinnert mich immer an ein Ende, ohne Hoffnung, je wieder dieses Gebäude zu verlassen. Man riecht das Leid, die Schmerzen, die Trauer, die hier überall haften. Noch nie kam ich hier gerne hin, auch, wenn Dr. Mikaelson zu mir immer ausgesprochen nett war. Meine Hand ist um den Arm meiner Mutter geschlungen, die mich sicher durch das große Gebäude führt. Zuletzt war ich hier vor einem dreiviertel Jahr, zu meiner jährlichen Untersuchung, die ich mehr als alles anderes verabscheue. Der Duft nach Desinfektionsmittel brennt sich in meine Nase. Angewidert runzle ich diese und hoffe einfach, dass wir schnell wieder raus kommen. Sanft vernehme ich das Klopfen meiner Mutter an der Tür, ehe das obligatorische „Herein!" erklingt. „Ah! Noah, Mrs. De Luca, setzen Sie sich doch.", erklingt die tiefe, raue und schon etwas in die Jahre gekommene Stimme von dem Doc. Meine Mum führt mich zu dem Platz und wir setzen uns hin. „Unser jährliches Treffen ist doch erst in ein paar Monaten? Was führt Sie her?", fängt der Doc ruhig an zu fragen, was mir etwas die Angespanntheit nimmt. „Nun, Noah hat schon seit Wochen wieder extreme Kopfschmerzen und da helfen nicht einmal die Schmerztabletten, die Sie ihm verschrieben haben.", erzählt meine Mum aufgeregt, was mich schmunzeln lässt. Eigentlich sollte ich doch erzählen? Mütter... „Wie würdest du den Schmerz beschreiben, Noah?", spricht er mich an und ich höre, wie er langsam vom Stuhl aufsteht. „Setz dich doch bitte mal auf die Liege.", hängt er noch an, ehe ich seine Hand an meinem Arm spüre, die mich zur Liege leitet. Als ich wieder Sitze, höher jedoch als auf dem Stuhl, fange ich an zu erklären. „Drückend, meistens, doch auch stechend. Wie Blitze...", grüble ich und bemerke, wie er mit einer Lampe vor meinen Augen hin und her leuchtet. „Hm..." Ein Klicken ertönt und das Licht ist verschwunden. „Wie oft hast du denn diese Schmerzen?" „Mittlerweile täglich.", gestehe ich. „Noch irgendwelche auffälligen Veränderungen?", fragt er mich ruhig und doch tritt schlagartig Schweiß auf meine Stirn. „Ich...", nervös reibe ich meine schweißnassen Hände an meiner Jeans ab. „Ich habe das Gefühl, dass in den letzten Wochen mein Augenlicht schwächer geworden ist." Aufmunternd drückt er meine Schulter. „Meinen Sie, dass er zurück gekommen ist?", fragt nun meine Mutter das, wovor ich solch große Angst habe. „Es war klar, dass die Kopfschmerzen nie richtig verschwinden werden und, dass die Sehkraft nicht mehr zurück kommt, doch das sie in dieser kurzen Zeit, anfängt wieder schlechter zu werden...", er lässt den Satz unvollendet, doch sagt er mehr als tausend Worte. „Wir werden heute einige Tests machen, um Klarheit zu schaffen. Sein Sie zuversichtlich, es könnte auch genauso eine starke Migräne sein."

~

Daraufhin folgten viele Untersuchungen. Mir wurde Blut abgenommen, ich musste einen Sehtest machen sowie mein Augeninnendruck gemessen wurde, was wohl das Schrecklichste von allem war. Danach folgten noch viele andere, die mir einfach den letzten Nerv raubten. Zum Schluss wird nun ein MRT gemacht. Das ständige, nervige Geräusch macht mich unruhig. Hier riecht es noch viel mehr nach Desinfektionsmittel. Wieder rümpfe ich meine Nase und lasse meine Augen geschlossen. „Bleib ganz ruhig liegen, Noah.", höre ich jemanden durch einen Lautsprecher sagen. Na die haben ja leicht reden... Tief atme ich ein und aus. Was Jordan wohl gerade macht? Mittlerweile müsste er mit der Bandprobe fertig sein. Wie es heute wohl lief? Gerne wäre ich mitgekommen und hätte ihn singen gehört. Sie haben nächste Woche auf dem Oktoberfest einen Auftritt. Diesmal werden sehr viel mehr Menschen dort sein, als in der Bar. Breites jetzt weiß ich, was für ein Nervenbündel Jordan wegen dem Auftritt ist. Schmunzelnd denke ich an ihn und würde ihn jetzt gerne hier bei mir wissen, da ich mich in seiner Nähe am sichersten auf der Welt fühle.
Die Untersuchungen, die man bereits auswerten konnte, waren wohl soweit gut, weshalb ich mit meiner Mum nach dem MRT endlich gehen darf. In zehn Tagen sind dann die Ergebnisse da. Wir haben bereits ein Termin mit Dr. Mikaelson vereinbart. Er klang ziemlich zuversichtlich, was mich sehr beruhigt hat sowie meine Mutter. Als das Geräusch erklingt, was mir signalisiert, dass ich wieder rausgezogen werde, atme ich erleichtert auf. „Geschafft mein Schatz.", versichert mir meine Mum und streicht über meinen Kopf.
Nun heißt es warten.


•••••


So Leute,
nach einer langen Pause, bin ich wieder da. Ich freu mich schon und bin mit dem Buch auch so gut wie fertig, somit kann ich nun wieder regelmäßig hochladen. Heute lade ich noch ein paar mehr Kapitel hoch. Sozusagen, eine kleine Lesenacht. Ich wünsche euch ganz viel Spaß und hoffe, dass ihr so viel Spaß habt beim Lesen, wie ich beim Schreiben.

LG
Levi

talking to the stars Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt