KAPITEL 42

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Noah

„Du nervst...", seufze ich und fahre mit meinen Händen über mein Gesicht. „Mir egal!", heftig schmeißt sich Hayley auf mein Bett neben mir und liest mir weiter den neusten Tratsch von den Stars der heutigen Gesellschaft vor. Man muss mir einfach glauben, wenn ich sage, dass es absolut nichts langweiligeres als das gibt. Ich meine, was interessiert mich denn die Beziehung von irgend so einem Sänger? Seufzend lasse ich ergebend meine Arme neben mich fallen und lasse sie dieses Zeug vorlesen. Immerhin lenkt es mich vielleicht ab. Ich mache mir wirklich Sorgen um Jordan, da er schon seit fast vier Stunden einfach nicht auf meine Nachrichten reagiert. Er meinte noch, dass er zum Essen kommt und als ich ihn dann fragte, warum er immer noch nicht da ist, meinte er, dass er doch nicht kommt. Auf mein warum oder den anderen gefühlt tausenden besorgten Nachrichten, antwortete er nicht.

„Hat er immer noch nicht geschrieben?", fragt mich Hayley nach einiger Zeit, in der wir einfach nur neben einander gelegen haben. Mittlerweile geht es schon auf abends zu und um diese Jahreszeit geht die Sonne schon wieder etwas früher unter. Weswegen wahrscheinlich gerade alles in einem schönen Orange leuchten müsste. „Nein, hat er nicht." Besorgt fahre ich mir durch die Haare. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass vielleicht was mit seinem Vater war. Es ist merkwürdig, doch ich kann es nicht beschreiben, ich weiß einfach, dass es ihm gerade nicht gut geht und es quält mich, dass ich ihm nicht helfen kann. Hayley rutscht an mir hinab und legt ihren Kopf auf meiner Brust ab. Diese Momente zwischen uns gibt es nicht oft und wir verstehen uns definitiv nicht immer, doch liebe ich meine Schwester, denn egal wie nervig, hinterlistig und blöd sie auch ist, sie ist meine Schwester. Liebevoll schließe ich meine Arme um sie und drücke sie fest an mich. Dankbar, für diesen Moment. Hayley war noch viel zu jung, als dass sie verstanden hätte, was mit mir wirklich los war. Deswegen kann ich nicht abschätzen, wie sie reagieren würde, wüsste sie die Wahrheit. Doch bin ich mir sicher, dass es ihr das Herz brechen würde. Denn egal wie doof sie mich findet, ich bin auch ihr Bruder. Wir sind Geschwister, die eine herzerwärmende Hass-Liebe führen. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, wenn ich daran denke.

~

Wir müssen wohl beide irgendwann eingeschlafen sein, denn müde reibe ich mir mit einer Hand über die Augen, als mein Bett auf der linken Seite nachgibt. Sofort kommt mir ein Wall kalter Luft und Jordans Geruch entgegen. Er hat sich auf die gegenüberliegende Seite von Hayley gelegt. Deren ruhiger Atem immer wieder gegen mein dünnes T-Shirt dringt. Ich lege meinen linken Arm zur Seite, so dass sich Jordan reinlegen kann. Ohne ein Wort folgt er meiner Einladung und legt seinen Kopf an meine Schulter. Sanft streiche ich mit meiner Hand über seinen angespannten Rücken. „Ist alles okay?", flüstere ich, um Hayley nicht zu wecken. „Ich denke schon.", meint er leise, doch seine Stimme ist sehr rau und klingt unsicher. „Willst du mir erzählen, was los war?" Ich lege meine Stirn an seine kalte. Er muss wohl die ganze Zeit draußen gewesen sein. Kräftig atmet er aus, als könnte er sich erst jetzt wirklich entspannen. Meine Hand wandert weiter hoch in sein Haar und fängt an es leicht zu kraulen. „Ich war schon auf den Weg zu euch, doch ich hatte mein Handy in der Küche liegen lassen.", fängt er leise an und seufzt erschöpft. „Also bin ich schnell noch einmal umgedreht. Ich war eh noch nicht sehr weit gekommen.", erzählt er und ich spüre, wie er tief meinen Duft am T-Shirt einzieht. „Als ich in die Küche kam, hatte mein Dad mein Handy in der Hand, auf dem-...", er bricht ab und ich merke, wie er an mir runter sieht, wahrscheinlich um zu schauen, ob Hayley auch wirklich schläft. Als er sich dessen sicher ist, macht er weiter. „...auf dem unsere Bilder sind." Ich verstehe sofort und muss erschaudern. Oh, hoffentlich hat sie sein Vater nicht zu Gesicht bekommen. Was er wohl sonst mit ihm angestellt haben muss. Es ist wohl offensichtlich, dass er einen schwulen Sohn niemals akzeptieren könnte, nicht so, wie er bereits jetzt schon, seinen nach außen hin perfekten Sohn, misshandelt. Nicht auszumalen, was Jordan hat durchmachen müssen, wenn sein Vater diese Bilder gesehen hat. Oh Gott, Panik überfällt mich, als mir klar wird, dass er ihm den Kontakt verbieten kann, ihn mir wegnehmen kann und uns vielleicht für immer trennt. „Er hat die Bilder gesehen.", bestätigt er meine Ängste und sofort schlinge ich meinen Arm noch fester um ihn, um ihn ja nicht zu verlieren. „Ist er ausgerastet?" „Er hat mich angebrüllt. Nichts Neues also.", seufzt er. „Er hat mich nieder gemacht, wieder meine Mutter in alles mit reingezogen.", erzählt er und all umfassendes Mitleid kommt in mir auf, da ich weiß, dass das Jordans wunder Punkt ist. „Das tut mir leid.", flüstere ich. „Ich habe ihn angebrüllt, Noah.", offenbart er zitternd und ich ziehe überrascht die Augenbrauen hoch. „Ich habe ihn angebrüllt, ihm vorgeworfen was er für ein schlechter Vater war. Das meine Mutter enttäuscht von ihm wäre, habe ihm gesagt wie sehr ich bei ihm die letzten Jahre gelitten habe und, dass ich ihn, trotz alle dem, nicht hassen kann.", zum Ende hin, ist er kaum noch zu hören, selbst für mich. „Aber... aber ich denke das ist gut, Jordan. Er hat es verdient, dass du ihm damit endlich mal die Meinung sagst." „Aber ich bin damit doch nicht besser, als er.", murmelt er. „Oh doch, das bist du. Du bist so viel besser als er, Jordan. Was er dir angetan hat, ist unverzeihlich und ich kann trotzdem verstehen, dass du ihn noch immer liebst. Er ist dein Vater und ich weiß, ihr hattet früher auch mal schöne Zeiten. Doch du hast es nicht verdient, so behandelt zu werden." „Meinst du?", fragt er und ich nicke kräftig. „Ich bin stolz auf dich, Jordan. So stolz.", versichere ich ihm leise, aber mit vollkommener Ernsthaftigkeit. „Danke, Buddy." Kurz lehnt er sich vor und küsst mich. Nicht so lange, als dass es Hayley bemerken könnte. Nur so, dass ich mir seiner Dankbarkeit sicher bin. Ich lege meinen Kopf schräg an seinen und genieße seinen Geruch und die ganze Situation. Selbst das Gefühl, Hayley an meiner rechten Seite, schlafen zu wissen, erfüllt mich mit Glück. „Kann ich-...", wollte er beginnen, doch ich unterbreche ihn auch schon. „Aber natürlich, so lange du willst. Ich habe noch genug Klamotten von dir im Schrank, die du im Laufe der Jahre immer mal hier vergessen hast." Als würde ich nein sagen, dass er bei mir schlafen kann. Er hat wahrscheinlich mehr Nächte in meinem Bett verbracht, als in seinem eigenen. „Danke.", schmunzelt er und dann schweigen wir einfach einige Zeit. „Wie bist du überhaupt hier reingekommen? Durchs Fenster?", frage ich belustigt. „Nein, tatsächlich nicht. Deine Mum hat mich reingelassen und gemeint, dass sie sich freut mich zu sehen." Lächelnd schüttle ich den Kopf. „Sag mal...", fängt er an. „Hm?" „Geht es deiner Mum irgendwie nicht so gut?" Schluckend spanne ich mich an. „Äh, nein wieso?", frage ich ihn unwissend. „Sie wirkt auf mich so erschöpft und traurig, auch, wenn sie es wirklich gut versucht zu verbregen. Außerdem hat sie ganz schön große Augenringe." Oh Shit, Mom... Natürlich kann ich nicht auf sie böse sein, dass es ihr offensichtlich nicht gut geht, aber es ist nicht so praktisch, dass es Jordan bemerkt hat, denn ihm ist meine Mutter auch sehr wichtig. Trotzdem mache ich mir unweigerlich Sorgen um sie. Ich muss dringend mit ihr reden, auch, wenn ich nicht viel an der Situation ändern kann, aber vielleicht hilft es ihr, wenn sie ein bisschen Zeit mit mir verbringt. „Mach dir keine Sorgen.", meine ich. „Okay." Jordan vertraut mir bei sowas absolut und dieses Mal, fühle ich mich zu tiefst schuldig.
„Hey ihr drei, kommt ihr zum Abendessen?", fragt meine Mum leise, als die nach einem Klopfen die Tür geöffnet hat. „Klar.", antwortet zu meiner Überraschung Hayley und springt putz munter vom Bett auf.
Als die beiden raus sind, drehe ich meinen Kopf zu Jordan. „Bitte sag mir, dass sie nicht die ganze Zeit so getan hat, als würde sie schlafen?" Jordan fängt leise an zu lachen. „Ey, das ist nicht lustig.", strafend pikse ich ihn in die Seite. „Wer hätte auch etwas anderes von Hayley erwartet?", fragt er und lacht nun laut, als ich ihn mehr oder weniger angepisst kitzle. „Das war unsere eigene Dummheit.", meint er und damit hat er Recht. Oh hoffentlich hat sie den Kuss nicht mitbekommen...

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