KAPITEL 4

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Noah

„Jordan?", frage ich ihn müde und sehe mich orientierungslos um. „Ja?", höre ich ihn murmeln, während er mir mit einem Handtuch meine Locken trocken rubbelt. „Wo-..." „Bei dir zu Hause. Deine Eltern sind noch nicht da.", erklärt er mir. Erst jetzt rieche ich den vertrauten Geruch meines Zimmers und spüre mein Bett unter mir. Ich muss wohl in einen Halbschlaf getriftet sein. „Wirst du zurück zum See fahren?" „Was!?", sofort hält er in seinem Tun inne und ich erkenne nur schwach seine Umrisse, da draußen die Sonne untergeht und im Zimmer nur eine kleine Lampe angemacht wurde. Er wirkt eher wie ein Geist. Nicht real. „Wieso sollte ich?" „Betty ist doch-...", wieder unterbricht er mich. „Die ist mir gerade ziemlich egal.", brummt er und Wut schwingt in seiner Stimme mit. Als er endlich fertig ist, mit dem Handtuch meine heftigen Locken nur noch größer zu machen, steht er auf. Wahrscheinlich bringt er mein Handtuch weg. Ich taste umher, ehe ich mein Bettgestell zu fassen bekomme und aufstehe, um an meinen Kleiderschrank zu kommen. Noch immer spüre ich die nasse Badehose an meinem Leib. Nur ein, schon längst durchnässtes Handtuch, ist darüber gebunden wurden. Ich fand Jordans Fürsorge schon immer süß. Leider muss ich zugeben, dass sie sich auf alle bezieht und nicht nur auf mich. Er hat ein großes Herz und kümmert sich unglaublich gerne um Menschen. Meinem Vater hilft er öfter in unserm Garten. Natürlich kann ich das nicht und irgendwann hat er es ihm angeboten. Mein Dad liebt seinen Garten, aber seitdem er im letzten Winter unglücklich aufs Knie gefallen ist, hat er große Probleme schwere Dinge anzuheben. Er gibt ihm auch immer Geld, was Jordan ihm aber heimlich wieder in die Brieftasche steckt. Ich weiß, dass Jordan es nicht mag, bei sowas Geld anzunehmen, aber mein Vater ließ sich einfach nicht umstimmen, weswegen er es ihm einfach heimlich wiedergibt. Oft habe ich ihm gesagt, dass er das nicht muss, doch Jordan ist eben Jordan. Er kann wirklich stur sein und, wenn er auf etwas besteht, dann muss das auch so gemacht werden. Mittlerweile habe ich es aufgegeben. Meine Familie ist zwar nicht arm, aber trotzdem achten wir auf unser Geld. Vor allem, weil meine Krankenhausrechnungen früher sehr teuer waren. Mit meinem Finger fahre ich die Schubfächer in meinem Kleiderschrank nach und ziehe mir ein T-Shirt raus, dass ich gleich überziehe. Schnell finde ich noch eine Jogginghose, die sich gemütlich weich anfühlt. Genau das richtige. Das nasse Handtuch streife ich ab und lege es auf meinen Schreibtischstuhl. Kompliziert ziehe ich mir meine Badehose aus und hoffe einfach, dass Jordan noch im Bad ist. Das nasse Ding, was ich nicht gewillt bin in nächster Zeit nochmal anzuziehen, lege ich zu meinem Handtuch. Tatsächlich schaffe ich es dann endlich in meine Jogginghose zu schlüpfen und gerade, als ich sie hochziehe, fällt irgendwas um. „Fuck!", flucht jemand leise. Erschrocken drehe ich mich um. „Jordan?" Ich kann ihn nicht sehen, da in dem Teil, wo das Geräusch herkam, kaum Licht ist. Ich mache ein paar Schritte nach vorne. „Äh... Ja.", antworte er und seine Stimme scheint komisch belegt. „Alles okay?" „Ja!", sagt er schnell. „War nur... ein Buch.", murmelt er. „Okay?", verwirrt runzle ich die Stirn. Eine Zeit ist es merkwürdig still und ich kann ihn noch immer überhaupt nicht sehen. Laut räuspert er sich, „Ich werde dann mal gehen." „Jetzt schon?" „Ja... es ist schon spät." Unsicher gehe ich langsam auf ihn zu und strecke meine Hand aus. „Ich weiß nicht wo du bist." „Vor dir." Als ich noch einen weiteren Schritt mache, trifft meine Hand auf dünnen Stoff, über seiner Brust. Ich spüre sofort, wie unnatürlich schnell sein Herz schlägt. „Du musst nicht nach Hause, das weißt du oder?", denn ich bin mir sicher, dass der Gedanke, gleich mit seinem Dad alleine zu sein, sein Herz panisch schneller schlagen lässt. Er antwortet nicht darauf, was mich nur immer weiter verunsichert. Jordan ist ein sehr gesprächiger, lebensfroher Mensch, umso mehr wundere ich mich, dass er jetzt so still ist. Langsam fahre ich mit meiner Hand über seine trainierte Brust, zu seiner Schulter, die ich leicht drücke. Das Kribbeln, was sofort meinen Körper beflügelt, lasse ich dabei außen vor. Er wirkt leicht angespannt. „Hey Jordan...", sage ich dann nochmal, weil er noch immer nichts sagt und gehe näher zu ihm, um ihn zu umarmen. In der Hoffnung ihm etwas Trost zu spenden, da er diese Art der Zuneigung wohl bei seinem Vater nie wieder findet. Im Stillen genieße ich es, wie ich meinen Kopf über seine Brust lege und sein Duft mich vollständig einlullt. Er riecht so unfassbar einzigartig. Viele in der Schule riechen ähnlich, da sie das selbe Deo oder Parfüm nehmen, doch Jordan's Eigengeruch übermannt sein Deodorant und vermischen es zu etwas speziellem, männlichen, dass ich bisher nie wieder riechen konnte. Erst nach einiger Zeit, erwidert er meine Umarmung zögerlich. „Wir halten zusammen, ja?", murmle ich an seine Brust. „Für immer, Kumpel.", brummt er und erfüllt sowie bricht er mein Herz zur selben Zeit.

~

Es ist mittlerweile mitten in der Nacht und wir haben die ganze Zeit Musik gehört. Vergessen war das, was am See passiert ist. Er hat mich noch gefragt, ob ich denn wirklich nicht Anzeige gegen Ryder erstatten will, doch ich habe zu wiederholtem Male verneint. Mir war das ganze schon peinlich genug. Zum Glück hat er das Thema dann ruhen lassen. Meine Mum hat dann noch Essen gemacht und wir haben alle zusammen ihr unfassbar gutes Essen verzehrt. Gott, ich liebe ihre italienischen Wurzeln. Wir liegen zusammen auf dem Bett und schauen aus dem Dachfenster. Ich stelle mir dann immer die Schönheit der Nacht vor, während sie mir Jordan beschreibt und die verschiedenen Sternbilder erklärt. Wahrscheinlich ist nur deswegen seine eins in Astronomie zustande gekommen, denke ich belustigt. Wir machen definitiv nicht das selbe, wie andere Teenager in unserem Alter, aber vielleicht macht gerade genau das uns so besonders. Nur durch meine LED's, die ständig ihre Farben wechseln, wird mein Zimmer beleuchtet. Die hatte irgendwann mal mein Dad für mich angebracht. Er meinte, die sind ‚fancy'. Da hatte er wohl wieder seine ‚coole' Phase. Langsam werde ich müde und höre nur noch schwach die Stimme von Jordan, wie er gerade die Mythe von einem der Sternzeichen erzählt und dabei so eine Freude ausstrahlt. Gähnend drehe ich mich auf die Seite, zu ihm. „Bist du müde?" Ich nicke nur schwach und rutsche ungewollt näher zu ihm. Eigentlich weiß ich, dass ihm das ein wenig unangenehm ist, da er meistens immer zusammenzuckt, wenn ich mich an ihn dränge, aber seine Wärme gibt mir Sicherheit. Meistens versuche ich den Zwang zu kontrollieren, aber heute bin ich einfach viel zu erledigt. Langsam schmiege ich mich an ihn und lege meinen Kopf auf seine Schulter. Wie immer verspannt er sich leicht. Er sagt nichts dazu, nimmt es vielleicht einfach hin, in der Hoffnung seine Kumpels werden das hier nie erfahren. Ich weiß, dass Jordan nicht unbedingt was gegen Schwule hat, doch meinte er mal, als ich ihn wie zufällig darauf angesprochen habe; ‚Soll mir egal sein, solange sie sich nicht an mich ran machen'. Ab dem Tag wurde mir klar, dass Jordan für mich unerreichbar ist. So nah und doch so fern... Beruhigend inhaliere ich seinen Duft und drifte immer tiefer in den Schlaf.

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