KAPITEL 12

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Noah

„Und Jordan, was macht die Schule?", fragt meine Mom am Esstisch, als wir uns gerade frische Pancakes auf die Teller machen. „Gut... soweit.", erzählt er ihr wage und ich muss mir ein Lachen verkneifen. Die fünf, die er letztens in Mathe bekommen hat, sagt definitiv was anderes. Doch Jordan scheint es mitbekommen zu haben, denn er tritt unter dem Tisch nach mir. Zischend sauge ich die Luft ein. „Alles gut, Liebling?", fragt mich meine Mutter. „Ja.", ich räuspere mich. „Alles gut."
Schmunzelnd führe ich meine Gabel zu meinem Mund. „Du hast deiner Mom doch nichts von der fünf erzählt, oder?", wispert er mir zu. „Nein, natürlich nicht, sonst hätte sie schon längst mit dir geredet." Meine Mom passt auf Jordan auf, seit seine Mutter nicht mehr ist. Auch, wenn meine Mom nie was in die Richtung erwähnt, hat sie bestimmt schon gemerkt, dass sein Vater nicht mehr der ist, der er einmal war und sie macht sich Sorgen um Jordan. Also hat sie ihn schon vor einigen Jahren unter die Mangel genommen und übernimmt in vielen Dingen die mütterlichen Aufgaben. Dafür liebe ich sie, denn auch, wenn Jordan das niemals offen zeigen würde, weiß ich, dass er es wirklich schätzt, dass sie dies tut. „Was ist eigentlich mit deinem Gesicht passiert? Einen Pfosten übersehen?", fragt sie in belustigt, doch ich höre etwas Sorge aus ihrer Stimme. Ich habe Jordan aus gutem Grund nicht gefragt wer ihm das angetan hat, weil wir es beide genau wissen und ich habe ihm versprochen, ihn darauf nie wieder anzusprechen. So wie immer, versteift er sich. „Ist durch ein Spiel beim Football passiert.", lügt er und isst dann schweigend weiter. „Also ich bin ja absolut gegen diese Gewalt auf dem Platz.", ruft meine Schwester rein. „Das ist nun einmal ein Kontaktsport, Kleines.", sagt mein Dad zu ihr, jedoch stimmt meine Mutter ihr zu.
„Alles klar?", frage ich Jordan vorsichtig, als die drei gerade total in einer Diskussion stecken. „Klar.", murmelt er. „Du weiß, dass ich es merke, wenn du mich belügst." Er seufzt. „Ich weiß. Wollen wir verschwinden?"
„Mom?", reiße ich meine Mutter aus der Debatte. „Ja, Liebling?" „Jordan und ich müssen noch unbedingt ein Schulprojekt fertig kriegen, was wir komplett vergessen haben, deswegen müssen wir jetzt los.", erkläre ich ihr, während wir beide schon aufstehen. „Tut mir leid, Mom.", rufe ich noch, während wir schon Richtung Haustür gehen. Ich kann förmlich den verdutzten Gesichtsausdruck auf dem Gesicht meiner Mutter spüren.
„Du Schlingel.", lacht Jordan, als wir auf die Straße treten. Unschuldig zucke ich mit den Schultern. „Wo willst du denn hin?", frage ich ihn nun, als wir in sein Auto einsteigen. „Lass dich überraschen." Ich hasse sowas. Überraschungen sind nie gut, da ich mich entweder erschrecke oder komplett enttäuscht bin, wenn alle davor so ein großes Ding daraus machen. „Vertrau mir, es ist echt cool und ich wollte den richtigen Moment abwarten, bevor ich es dir sage.", erklärt er, als er mein wenig begeisterten Blick sieht. „Der richtige Moment?" „Ja.", ich höre sein Grinsen aus der Stimme raus, ehe er den Motor startet.

~

„Wo sind wir hier?", frage ich ihn einige Zeit später, als er den Wagen anhält. „Kennst du noch Caleb?" „Der Typ aus der Schulband?" Aufmerksam lausche ich seiner beinahe nervösen Stimme. „Ja...", er schweigt kurz. „Er ist ja dieses Jahr aufs Collage gegangen und deswegen haben sie einen Gitarristen und Sänger gesucht und naja..." „Du hast dich beworben?", kichere ich, doch verstumme sofort als ich spüre, dass es ihm unangenehm ist. „Ja. Ist das... peinlich?"
„Was?! Nein! Tut mir leid, ich hätte nicht lachen sollen, doch es kam überraschend. Ich dachte du spielst schon seit Jahren nicht mehr.", beruhigend lege ich ihm eine Hand aufs Bein. „Das stimmt.", murmelt er leise. „Ich denke es ist gut, wenn du es tust, weil es dir Spaß macht. Ich weiß, dass du immer mit deiner Mom gespielt hast und seit ihrem Tod nicht mehr, deswegen bin ich überrascht, aber nicht negativ. Doch was hat dich dazu bewogen? Und dann gerade die Schulband?" Ich höre ihn einige Momente schwer atmen, ehe er seufzt. „Ich habe Gitarre spielen und singen immer mit ihr verbunden und als sie dann gestorben ist, fühlte es sich nur noch falsch an, dies ohne sie zu tun. Deswegen habe ich mich Hals über Kopf in das Football Training gestürzt, weil ich meinen Vater damit stolz machen wollte, da es das einzige war, was uns verbunden hat, doch jetzt... Es fühlt sich nicht mehr richtig an, etwas zu tun, nur um jemand anderen glücklich zu machen, vor allem, weil es das einzige ist, was ihn noch an mir interessiert. Doch Musik... hat mich schon immer tief berührt, doch es schmerzte, mit der Erinnerung an meiner Mum. Es war Zufall, dass ich in den Raum platzte als sie jemanden suchten, der Caleb ersetzt. Eigentlich habe ich es nur aus Spaß und Neugier getan. Ich hätte doch nicht damit gerechnet, dass sie sich dann für mich entscheiden. Außerdem spielen sie nur noch selten für die Schule. Barry, der die Band gegründet hat, arbeitet in einer Bar, wo sie am Wochenende manchmal spielen und ich dachte mir... ich könnte es ja mal probieren, oder?" Es ist beinahe niedlich wie nervös und vor allem unsicher er ist. Was erwartet er denn? Dass ich mich über ihn lustig mache? Oder es gar als eine schlechte Idee erachte? Das würde ich nie tun. Das ich Jordan singen oder geschweige denn spielen gehört habe, ist viele Jahre her. Als Kind konnte er gut singen, soweit ich mich daran erinnern kann, doch mittlerweile war er im Stimmbruch und ich bin tatsächlich neugierig, wie er nun klingt und ob er die Griffe noch immer so beherrscht wie früher. „Du weißt, ich würde dich bei allem unterstützen, egal was, Hauptsache du bist glücklich.", versichere ich ihm und drücke sein Bein. „Ja?" „Na klar, Kumpel.", erwidere ich lächelnd. „Danke Mann." Kurz ist es still und wir hängen unseren Gedanken nach. „Also wo hast du mich jetzt hingefahren?" „Zu Barry, sie haben mich heute zu einer Probe eingeladen um zu sehen, wie wir alle zusammen agieren." „Bist du sicher, dass es okay ist, wenn ich dabei bin?", frage ich ihn zweifelnd. „Klar, ich habe vorher gefragt, doch mir war es wichtig, dass du dabei bist, außerdem habe ich gesagt, dass du durch dein außergewöhnliches Gehör eine gute zweite Meinung von außerhalb da stellst." „Sicher?" „Jup.", bestätigend zieht er den Zündschlüssel und steigt aus. Ich seufze einmal laut, ehe auch ich aussteige und mich bei meinem besten Freund unterhake. „Du bist ja aufgeregt.", stelle ich lachend fest, als ich seine nervöse Aura wahrnehme. „Ist das so offensichtlich?" „Definitiv.", kichere ich und er stöhnt gequält. „Peinlich.", grummelt er, ehe er klingelt und ein hoch motivierter Barry uns öffnet.
In der Schule habe ich nicht viel mit ihm zu tun. Er ist größer als ich, doch nicht so groß wie Jordan und er selbst zieht die Mädchen an wie die Fliegen, da die Tatsache, dass er in einer Band spielt, wohl erheblich dazu beiträgt, wahrscheinlich aber auch sein Aussehen, auch, wenn ich das nicht beurteilen kann. „Kommt rein, wir sind unten im Keller.", erklärt er uns und ich halte mich an Jordans Schulter feste, während wir den Flur durchqueren und langsam die Treppen runter gehen. Es riecht nach Zigaretten und meines Erachtens auch nach Gras. Als wir den Schall dichten Raum betreten, vernehme ich drei weitere Gesprächspartner, die uns nun begrüßen. „Das sind Blue, Allen und Lex.", stellt sie mir Barry vor. Ich sage einmal schlicht „Hallo", da es mir doch etwas unangenehm ist hier zu sein. Ich kenne die Leute im Raum, doch ich habe mit ihnen kaum mehr als ein Wort gewechselt. Lex geht mit mir in eine Klasse und sitzt zwei Reihen vor mir, Allen spielt mit Jordan Football und Blue ist erst seit einem Jahr an der Schule. Über ihn weiß ich am wenigsten, nur das er seinem Namen gerecht, blaue Haare hat.

Später setze ich mich dann auf einen Sessel, lausche den anderen und hänge mich nicht in ihr Gespräch mit rein, da es nie meine Art war, den Kontakt zu anderen zu suchen. Sie stimmten und probten ein bisschen herum. Soweit ich jetzt weiß, spielt Allen am Keyboard. Blue spielt Schlagzeug und Lex Bass. Barry und Jordan E-Gitarre, während Barry kaum singt. Jordan habe ich bisher nur an der Gitarre gehört, da sich sein Aufschlag von Barry's unterscheidet. Er wirkt tiefer, klarer, beinahe einnehmend, während Barry's ruppiger und kraftvoller ist. Sie einigen sich dann darauf Come As You Are von Nirvana zu spielen. Allen und Lex gesellen sich währenddessen neben mich auf die Couch und albern ein wenig rum. Barry beginnt mit der Gitarre, ehe ihm Blue mit dem Schlagzeug folgt und dann beginnt Jordan zu singen.
Ich weiß um ehrlich zu sein, absolut nicht, was ich dazu sagen soll. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass seine Stimme in den letzten Jahren zu so etwas außergewöhnlichen herangereift ist. Selbst die beiden Jungs neben mir halten inne. Sie agieren zusammen perfekt. In dem Moment wurde mir klar, dass ab sofort nur noch mehr Mädchen auf ihn stehen werden und ich... bin ihm nur noch mehr verfallen.

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