KAPITEL 7

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Noah

„Ich verstehe das nicht!", nölt Jordan und schmeißt seinen Stift auf den Block. Wir sind gerade in meinem Zimmer und lernen, weil wir morgen ein wichtiges Gedicht vortragen müssen. Ich kann bereits alles, doch Jordan hat mich gefragt ob wir lernen wollen und ich habe so getan, als könnte ich auch noch nicht alles. Innerlich schüttle ich den Kopf über mich. „Es ist einfach stures Auswendiglernen.", sage ich ihm. „Es geht aber einfach nicht in meinen Kopf. Ist eh viel zu kitschig...", murrt er und legt sich auf den Rücken. „Komm schon Jordan, die Note ist wichtig, das weißt du." Es ist bereits spät abends und eigentlich müsste es schon längst sitzen. Doch wie so oft, starrt er nur aus meinem riesigen Dachfenster und verliert sich in der Unendlichkeit. „Was ist das, was du am meisten auf der Welt liebst?", frage ich ihn dann. Ich höre es rascheln, wahrscheinlich sieht er mich an. „Was?" „Beantworte die Frage." „Äh... dich. Das weißt du doch Alter." Ich schlucke und schließe dann die Augen. „Nein... ich meinte so... so... wirklich... wahrhaftig und tief, dass du nur noch an diese eine Person denken kannst. Du dir alles mit ihr vorstellst und du weißt, dass du nie ohne sie sein kannst. Dass du sie liebst, so sehr liebst, dass du alles tun würdest, wirklich alles, um sie bei dir zu wissen. Für immer." Eine kurze Stille entsteht zwischen uns und ich befürchte schon, dass es ein wenig zu viel war.
„Das hört sich an als sprichst du aus Erfahrung?", fragt er rau. „Das... ist unwichtig. Hast du jemanden vor Augen?" Wieder diese Stille, die mich um den Verstand bringt. „Ja."
„Gut, bist du ihr nahe?" „Ja." Unweigerlich stelle ich mir die Frage, wen er meint. Ist es Betty? Oder vielleicht ein anderes Mädchen, für das er schon lange schwärmt, jedoch nicht bei ihr sein kann. Plötzlich kommt mir Hayley in den Kopf. Oh bitte nicht.
„Dann projiziere das Gedicht auf diese Person und stelle dir vor, du würdest ihr gegenübertreten und ihr die Zeilen vortragen." „Mrs. Heimisch?", lacht er. „Wenn sie es ist.", kichere ich. „Widerlich.", er schüttelt sich und nimmt wieder das Gedicht zu Hand. Eine Weile lernt er noch still vor sich hin und ich suhle mich einfach in dem Duft, den er in den ganzen Raum verbreitet.

„Ich... ich bin soweit.", murmelt er leise. „Super, willst du es mal versuchen?" „Ja." Auffordernd verlange ich nach seinem Blatt, auf dem das Gedicht steht und lege etwas auf dieses, damit er nicht abliest. Leichter Regen prasselt gegen die Scheibe, ansonsten ist es still. Meine Eltern müssten schon schlafen und Hayley schaut bestimmt wieder über ihre Kopfhörer eine Serie.
Auf 'ne Cola mit Dir zu gehen ist besser als eine Reise nach San Sebastian, Irun, Hendaye, Biarritz, Bayonne oder mit schwachem Magen die Travesera de Gracia in Barcelona entlang zu laufen. Zum Einen, weil Du in Deinem orangefarbenen T-Shirt aussiehst wie ein glücklicher St. Sebastian, zum Anderen wegen meiner Liebe zu dir. Im warmen New Yorker Nachmittags-Licht treiben wir - manchmal nah und manchmal fern - wie ein Baum im Atem der Zeit. Und die Portrait-Ausstellung scheint kein einziges Gesicht zu zeigen, nur Farben. Du fragst dich, zu welchem Zweck sie eigentlich gemalt wurden. Ich sehe dich an und begreife, dass sich kein Portrait der Welt mit dir messen kann. –Frank O'Hara"
„Wow, das war gut. Gar nicht schwer oder? Ist ja auch nicht so lang..."
„Ja...", sagt er mit kratziger Stimme.
„A-An wen hast du dabei gedacht?", frage ich ihn unschuldig. „Jemanden, wie du ihn beschrieben hast.", murmelt er und will es damit wohl für sich behalten.

~

Genervt stochere ich in meinem Salat, während Betty neben mir auf Jordan's Schoß sitzt und schon die gesamte Mittagspause mit ihm rummacht. Ich meine Hallohooo!! Ich esse hier! Die Freunde von Jordan, die um uns sitzen, scheint das nicht zu stören. Sind die irgendwie gestört? Das ist doch abartig, wie die beiden sich küssen und denen ist es egal. Ich meine, ich bin schon bind, schlimmer kann es nicht werden, aber trotzdem!
„Hey. Ich bin Judi.", kommt es plötzlich neben mir. „Hallo.", murre ich. „Wie gehts dir so?", fragt sie mich und kommt mir unnatürlich glücklich rüber. „Super." „Mir auch.", kichert sie. Was war daran jetzt genau lustig? „Äh... hättest du Lust am Samstag mal mit mir ins Kino zu gehen?" „Ich bin blind.", antworte ich gleichgültig. „Oh... ja, äh ich weiß, aber ich..." Oh je Mädchen, warum bist du denn so nervös? Plötzlich werde ich in die Seite gestoßen und ich weiß sofort, dass es Jordan war. Es würde mich nicht wundern, wenn er das ganze sogar eingefädelt hat. „Schon okay... Wir können gerne ins Kino gehen. Jordan hier...", ich deute auf meinen Freund. „Wollte auch gehen, dann können wir ja alle zusammen." „Wa-?", heftig stoße ich ihn zurück in die Seite und er keucht leise auf. „Siebzehn Uhr vorm Kino?", frage ich sie zuckersüß. „Okay.", murmelt sie schüchtern und verabschiedet sich von mir. „Was sollte das Alter?", knurrt er leise zu mir. „Das selbe könnte ich dich fragen." „Ich versteh dich nicht!", murrt er. „So akustisch, bildungstechnisch oder IQ-mäßig?" „Blödmann.", knurrt er. „Ebenfalls!"
„Hey! Jungs! Wir machen einfach ein Doppeldate draus, wie wärs?" Ist das jetzt ihr Ernst? Fuck. Das war ja mal ein Eigentor! „Super Idee, Baby.", schnurrt er und sofort geht die Knutscherei von vorne los. Verdammt!

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