„Scar, wo hast du so lange gesteckt?", ruft Ivy, die mit ihrem rotlackierten Luxuswagen auf die Auffahrt fährt. Ich weiß immer noch nicht, was ich von diesem Ding halten soll. Man muss wissen, dass Ivy jeden Tag denselben Lippenstift trägt. Es ist exakt derselbe Farbton, den das Auto hat. Ihr Dad hat 10 Tausend Dollar dafür ausgegeben. Trotz allem ist Ivy bodenständig und die beste Freundin, die man sich vorstellen könnte.
Mein Blick wandert zur Garage, wo ich nach dem Auto meines Vaters Ausschau halte, bis mir wieder einfällt, dass Dad gerade auf Geschäftsreise in Europa ist und erst in Zwei Tagen zurück kommt.„Tut mir echt leid, Spencer kam einfach nicht aus dem Bett."
„Hey!" Meine kleine Schwester boxt mir gegen den Arm. Für eine so zierliche Person hat sie einen echt harten Schlag. „Das stimmt garnicht! Scarlett hat so lange gebraucht, nicht ich."
Ivy begrüßt mich mit einer Umarmung, die ich gerade echt gebrauchen kann. „Das wissen wir doch. Scar war schon immer eine Schlafmütze."
„Schuldig im Sinne der Anklage." Ich hebe spielerisch meine Hände und gebe Ivy einen Klaps auf den Hinterkopf.
„Kommst du heute Abend vorbei?", fragt Ivy. Normalerweise sehen wir uns jeden zweiten Tag. Sie wohnt nicht weit weg und ihre Familie ist wie meine Zweite. Es gab schon viele Momente, in denen ich mit Ivys Mutter über meine Probleme geredet habe, die sich eigentlich meine leibliche Mom anhören sollte. Doch das Leben ist kein Wunschkonzert. Wenn meine Mutter nicht gerade mit ihrem Kopf in Unterlagen steckt und ihre Nächte im Büro verbringt, dann telefoniert sie in der Weltgeschichte herum oder macht Sport. Im Ernst: Ich bin unsportlicher als meine eigene Mutter.
„Tut mir leid, ich muss heute Abend meine Collegebewerbung schreiben. Aber ich habe morgen Zeit."
„Super."
Eigentlich ist „Collegebewerbung" ein Codewort für meine Arbeitsschichten im Hilten. Wir können schlecht in aller Öffentlichkeit über meinen Job reden, wenn niemand außer Ivy davon weiß. Ein Freund von ihr hat mir die freie Stelle angeboten, als ich erwähnt habe, dass ich unbedingt einen gutbezahlten Job brauche. Anfangs habe ich zwar eher an Babysitten, Kassieren oder Kellnern gedacht, und nicht an eine Stelle hinterm Tresen im dreckigsten Stadtteil von Washington, wo sich breitgebaute Kerle Schlägereien liefern. Jeden Freitag Abend finden dort sogar Boxkämpfe statt wo ich gelegentlich mein Geld auf gute Kämpfer setze. Diese Welt dort, ist das genaue Gegenteil von der Welt, in der ich sonst lebe: Reichtum, Klamotten und Cheerleading. Der reinste Stereotyp.
„Hast du die Aufgaben in Mathe gemacht?" Ich bin so sehr in meinen Gedanken vertieft, dass ich Ivy's Frage beinahe überhöre. „Wenn ja, kann ich die abschreiben?"
„Natürlich. Ich schicke dir ein Foto." Sie weiß genau, dass ich meine Aufgaben immer mache.
„Perfekt, danke." Die restliche Fahrt quatschen wir über Spencers ersten Schultag und die steigenden Party am Wochenende.
Nach 20 Minuten stehen ich vor meinem Spind im Schulflur. Im inneren habe ich Fotos von meinen Freunden und meiner Schwester geklebt.„Scarlett, wie gehts dir?" Die Stimme zu meiner Rechten klingt zu nahe und zu bekannt. Ich drehe mich zu Rowan um, der mich von oben bis untern betrachtet. Rowan ist der Sohn von engen Freunden meiner Eltern und geht ebenfalls in einige meiner Kurse. Laut meinen Elter ist er perfekt für mich - eigentlich ist seine Familie einfach nur reich und unsere Beziehung würde meiner Mom neue Kunden beschaffen. Ich zwinge mir ein künstliches Lächeln auf die Lippen.
„Hi, gut und dir?" Der Flur ist überfüllt mit Schülern und Lehrkräften, die von einem Raum zum anderen hechten.
„Auch ganz gut. Hast du am Wochenende schon was vor? Mein Vater veranstaltet am Samstag eine Benefizveranstaltung und ich darf meine Begleitung selber aussuchen."
Wer's glaubt wird selig. Nie im Leben ist es alleine die Entscheidung von Rowan. Aber eine Sache konnte ich noch nie gut: Nein sagen. Ich bin nach außen hin eher schüchtern und bringe es nicht über mich, andere zu enttäuschen.
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Out Of The Blue
Teen FictionWenn es eine Sache gibt, die ich abgrundtief hasse, dann ist es verlieren. Ich verliere nie und werde es auch jetzt nicht tun. Ich spüre die unzähligen Augenpaare, die starr auf mich gerichtet sind, während mein Puls von Sekunde zu Sekunde immer sc...