Epilog

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3 Monate später
„Das war's für heute. Nächste Woche beschäftigen wir uns mit den Künstlern zur Epoche der Aufklärung. Bringt eure Bücher mit und wenn ihr keine habt, dann geht in die Bücherei und leiht euch welche aus. Einen schönen Tag noch", verabschiedet sich Professor Daniels vom Kurs und sortiert seine Tasche ein.

Der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt. Auch wenn ich schon seit über drei Monaten in Providence bin und hier zusammen mit Ivy Kunst studiere, bin ich mit all den Eindrücken total überfordert. Aber im positiven Sinne. Ein Studium an der Brown habe ich mir immer erträumt und es ist noch besser als erwartet.

Von den Ersparnissen haben Logan und ich uns eine kleine Wohnung in der Innenstadt gemietet, die mit der Bahn nur Zehn Minuten von der Uni- und 5 Minuten von Ivy's WG entfernt ist. Mitchell hat seine eigene Wohnung, da er an einer anderen Uni studiert. Trotzdem treffen sie sich beinahe jeden Tag und haben mit der Distanz keine Probleme. Natürlich muss ich mir ihr ständiges Gejammer anhören, wie unfair das Leben ist.

„Mein Kopf platzt gleich. Eine halbe Stunde länger und du müsstest mich wiederbeleben" meckert meine Beste Freundin, die aufgeregt ihre Tasche zusammen packt. Ein Großteil der Studenten hat den Raum bereits verlassen, darunter auch Leana und Kira, zwei Mädchen, mit denen wir uns bereits am zweiten Tag angefreundet haben.

„So schlimm ist es doch garnicht. Ich finde Mrs. Daniels Unterricht total interessant." Mein Lachen kann ich leider nicht verkneifen.
Der Mann am Pult mit den bunten Schals und bedruckten Langarmshirts ist witzig und einfach ein super Tutor. Gerade deswegen fällt mir dieser Kurs auch so leicht.

„Sehr witzig. Du hattest in Gegensatz zu mir wenigstens mehr als 3 Stunden Schlaf. Eins schwöre ich dir: Ich gehe nie wieder an einem Mittwoch feiern." Tja, das hat man davon. Ich habe sie vorgewarnt. Ehrlich gesagt hatte auch ich relativ wenig Schlaf, was aber an Logan und dem neuen Wasserbett lag, anstatt einer aufbrausenden Party.

„Ich..."

Sie erhebt ihren Zeigefinger „Wehe du sagst, dass du es mir vorher gesagt hast."

Ivy kennt mich einfach zu gut. „Es ist aber so", sage ich kichernd und sie wirft mir einen genervten Blick zu.

„Lass uns von hier verschwinden, Ivy." Logan hat mir geschrieben, dass zu Hause eine Überraschung auf mich wartet, weshalb er sich heute sogar frei genommen hat. Wie die Ironie es wollte, hat er eine Ausbildung zum Polizisten angefangen, und gehört jetzt schon zu den Besten seiner Gruppe. Ich bin echt total stolz auf ihn. Auf uns.

„Warum lachst du schon wieder so ekelhaft verliebt."

„Nur so."

Mit schnellen Handgriffen packe auch ich meine Sachen zusammen und verlasse an Ivys Seite den Saal. Im Flur tummeln Studenten umher, die von Raum zu Raum hechten. Beim vorbeilaufen an zwei Mädchen schnappe ich Gesprächsfetzen auf, die sich angeregt über ihre Eltern unterhalten. Ein Stich durchfährt meinen Magen. Seitdem ich abgehauen bin, haben Mom und Dad sich nicht bei mir gemeldet. Spencer hingegen ruft mich jeden Abend an. Natürlich ist sie traurig, dass ich nicht mehr bei ihr bin, aber wenn es jemanden gibt, der stark ist, dann ist es Spencer. Für ihre jungen Jahre ist sie sehr reif.

Mom und Dad haben auch nicht auf meinen Brief geantwortet. Jeden Nachmittag schaue ich in unseren Briefkasten und hoffe auf eine Antwort aber der Kasten ist immer bis auf Werbeblätter leer.

„Kommen du und Logan am Wochenende vorbei? Wir müssen immer noch auf unseren Umzug anstoßen obwohl wir schon seit Monaten hier sind", sagt Ivy, während wir zur U-Bahn gehen. Die Uni hat einen eigenen Bahnhof, der wenige Meter vom Campus entfernt liegt. Total praktisch.

„Natürlich. Wenn er frei hat, dann kommen wir vorbei."

Wir fahren die Rolltreppe hinab und bleiben an einer Kreuzung der Gänge stehen. Hier trennen sich unsere Wege.

„Super, wir schreiben einfach." Nach einer schnellen Umarmung laufe ich zu meinem Gleis.

Logan wartet zu Hause auf mich. Bei dem Wort zu Hause und Logan fangen die Schmetterlinge in meinem Bauch an zu tanzen. Denn Logan ist mein zu Hause.

Unsere kleine Wohnung liegt im vierten Stock. Leider gibt es weder einen Aufzug noch eine Rolltreppe, die mir den anstrengenden Weg erspart. Wir haben sie im Internet entdeckt und uns sofort in die Einrichtung verliebt. Auch wenn viele vielleicht sagen würden, dass man in unserem Alter noch nicht zusammen ziehen sollte, ist mir deren Meinung komplett egal. Es war die beste Entscheidung, die ich in meinem bisherigen Leben getroffen habe.

Kurz vor der Tür bleibe ich stehen. Unterschiedliche Stimmen und Gepolter kommt mir entgegen. Sind Ivy und Michell vorbei gekommen?

Ich öffne die Tür und stelle meine Tasche ab. Sofort steigt mir der leckere Geruch von Pasta entgegen.

„... und dann mussten wir ein anderes Flugzeug nehmen." Mein Herz bleibt vom einen auf den anderen Augenblick stehen und ich muss den Druck hinter meinen Augen zurückdrängen. Das kann nicht sein! Am Anfang dachte ich mich verhört zu haben aber als die mir vertraute Stimme wie ein Wasserfall weiterredet, wird mir klar, dass sie wirklich hier ist.

„Spencer?" Mit offenem Mund bleibe ich zwischen Tür und Angel stehen. Meine Schwester springt vom Hocker auf und läuft auf mich zu.

„Scar! Ich habe dich so vermisst!", ruft sie und schmeißt sich in meine Arme. Nebenbei nehme ich die beiden anderen Personen wahr, die neben Logan stehen und mich mit Tränen in den Augen Mustern. Mom und Dad. Hier in unserer Wohnung! Tränen steigen in meinen Augen auf. Was machen sie hier?

Spencer löst sich aus meinen Armen und zieht mich an der Hand hinter sich ins Wohnzimmer. Logan lehnt mit verschränkten Händen am Sofa und lächelt mich an. Mit dem Lächeln, in das ich mich Hals über Kopf verliebt habe.

„Mom? Dad? Was macht ihr in Providence?", frage ich ungläubig.

Mit tränenüberströmtem Gesicht kommt Mom auf mich zu und zieht mich in eine Umarmung. Dad schließt sich ihr an.

„Es tut uns so leid. Uns war nicht bewusst, dass wir dich so unterdrückt haben. Natürlich waren dein Vater und ich am Anfang stink wütend, aber mittlerweile haben wir verstanden, was wir dir angetan haben. Unser Besuch soll der erste Schritt zur Wiedergutmachung sein." Moms Geständnis überrascht mich. Bisher habe ich weder meine Mutter noch meinen Vater weinen gesehen.

Auch wenn ich im Moment überglücklich bin, haben meine Eltern viel wieder gut zu machen. Sehr viel. Es kann dauern, bis wir ein normales Verhältnis haben, wenn überhaupt, aber ich gebe uns eine Chance.

Logan nähert sich von hinten und schließt seine Arme um meine Hüfte. „Was haltet ihr davon, wenn wir das Gespräch beim Essen weiterführen. Die Nudeln müssen langsam fertig sein."

Ich lächle ihn von der Seite an. „Eine gute Idee, ich helfe dir."

Während sich Spencer und meine Eltern an den Tisch setzen, gehe ich mit Logan im Arm in die Küche. Dort angekommen schließe ich die Tür hinter uns, ziehe ihn an mich und gebe ihm einen Kuss. Noch immer geht mein Puls dabei in die Höhe. „Ich habe dir noch garnicht Hallo gesagt."

Logan zwinkert mir zu. „Du hattest gerade auch besseres zu tun. Ist die Überraschung denn gelungen?"

Und wie. Ich habe mit einem gemütlichen TV- Abend gerechnet, aber nicht damit. „Und wie! Lass mich raten, du steckst dahinter."

„So halb. Dein Vater hat mich angerufen, weil sie dich nicht erreichen konnten." Wie auch, wenn ich ihre Kontakte nach dem ersten Monat in Providence blockiert habe. „ Als ich ihnen vorgeschlagen habe, hier her zu kommen, haben sie den nächsten Flug gebucht."

Wow, womit habe ich jemanden wie Logan verdient. „Du bist Gold wert, weißt du das? Und danke. Für alles, was du für mich getan hast. Ich liebe dich. Immer."

Er umfässt mein Gesicht und blickt mich eindringlich an. „Für dich mache ich alles, Kleines. Das müsstest du bereits wissen. Ich liebe dich."

Ich weiß zwar nicht wie mein Leben in einigen Jahren aussehen wird, aber eine Sache weiß ich definitiv: Logan wird an meiner Seite sein. Mag kommen was wolle.

Out Of The BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt