Kapitel 7

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"Du?", fragen Logan und ich im Chor, während wir uns perplex anstarren. Das ist doch wohl ein schlechter Scherz! Seinem Gesicht nach zu urteilen, scheint er es nicht glauben zu können, dass ich in seiner Wohnung stehe. Tja, was soll ich sagen, Überraschung.
Ich kann ihn zum ersten Mal richtig betrachten.
Logan ist mindestens 1.90 Meter groß und trägt eine ausgewaschene Bluejeans. Das schwarze Shirt hebt seine Armmuskeln beachtlich hervor, weshalb ich auf keinen Fall allzu offensichtlich dahin starren will. Nicht, dass er auf falsche Gedanken kommt. Sein Aussehen beeindruckt mich nämlich nicht im Geringsten. Wie seine kleine Schwester hat auch er graue Augen und lockige Haare, die an den Seiten kurz geschnitten sind. Seine kantigen Wangenknochen und die buschigen Augenbrauen lassen ihn verdammt gut aussehen- was mich wie gesagt nicht beeindruckt, nein.
Sein Mund ist fest zusammengepresst und lässt seine äußere Erscheinung etwas düster wirken. Mir ist mulmig zumute. Er ist die letzte Person, der ich im Moment über den Weg laufen möchte.

"Ihr kennt euch?", mischt sich nun auch Moana ein und unterbricht diesen unangenehmen Moment. Ich will raus aus dieser Wohnung.

Ich reiße mich zusammen und zwinge ein künstliches Lächeln auf meine Lippen. "Ja wir kennen uns aus dem H..."

"...Hotel wo Oscar wohnt.", unterbricht mich Logan. Er schaut mich drohend an und sein Blick soll mir zu verstehen geben, dass ich seine Lüge bestätigen soll. Ich habe keine Ahnung wer Oscar ist aber mir bleibt schließlich nichts anderes übrig.

"Ähm... ja genau, Oscar." Was tue ich hier? Mona hat zum Glück nichts mitbekommen und ich atme erleichtert aus. Weiß sie nichts von den kriminellen Tätigkeiten ihres Sohnes? Wenn nicht, dann ist das echt beunruhigend.

"Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du dich von diesem Typen fern halten sollst, Logan.", schimpft Moana und erdolcht ihn regelrecht mit Blicken. Sie scheinen mich garnicht mehr wahrzunehmen und ich fühle mich wie das fünfte Rad am Wagen.

"Ich treffe mich nicht mehr mit Oscar. Es ist schon lange her." Logan versuch seine Mutter zu beruhigen. Scheint zu funktionieren.
Die Tür zum Kinderzimmer öffnet sich und der lockige Kopf von Hannah erscheint dahinter.

"Mom kannst uns CD's vom Schrank holen und beim anmachen helfen?", fragt sie mit schriller Stimme.

"Klar, ich komme sofort." Mit einem entschuldigenden Blick wendet sie sich ab und lässt uns alleine zurück. Das hat mir noch gefehlt.

Ein unangenehmes Schweigen breitet sich zwischen uns aus. Er macht keine Anstalten sich abzuwenden, stattdessen mustert er mich offensichtlich.
"Was willst du hier, hast du mich etwa nicht verstanden?", fragt Logan mit leiser Stimme und lehnt sich mit verschränkten Armen gegen die Tür. Panik macht sich in mir breit, denn so kann ich nicht einfach verschwinden ohne an ihm vorbei zu müssen. Shit, warum bin ich überhaupt hierher gekommen anstatt auf meine Eltern zu hören?

"Hannah und meine Schwester sind befreundet. Ich wusste nicht, dass du hier wohnst." Meine Stimme hört sich zittrig und angespannt an. Logan scheint das zu merken.

"Lass mich eine Sache klarstellen. Ich will dir nichts tun. Halte einfach deinen Mund und ich bin zufrieden. Du weißt ja was sonst passiert." Keine Ahnung ob es an seiner Familie liegt, aber er wirkt nicht ganz so beängstigend auf mich wie im Hilten oder als er bei uns eingebrochen ist. Ich stelle mir vor, wie er mit seiner Schwester im Garten spielt, lacht und Witze erzählt. Das Bild passt nicht zu dem Logan, den ich kennengelernt habe. Außerdem habe ich nicht die geringste Lust, noch eine Minute länger dieselbe Luft wie er einzuatmen.

"Lass mich auch eine Sache klarstellen Logan Campbell." Ich gehe einen Schritt auf ihn zu und zeige mit meinem Finger bedrohlich auf seine Brust. "Solange du mich und meine Familie in Zukunft in Ruhe lässt, schweige ich. Ich habe keine Ahnung ob Spencer hier in guten Händen ist aber sie mag Hannah. Das heißt, dass wir uns vielleicht nochmal sehen werden, es lässt sich nicht vermeiden. Lass mich ansonsten einfach in Ruhe und alle sind glücklich, du Schwachkopf. Und wenn du meiner Schwester auch nur ein Haar krümmst," Ich senke meine Stimme. "dann ist mir egal ob du mich verpetzt oder nicht. Dann werde ich vor der Polizei auspacken. Wen meinst du, glauben sie mehr. Der Tochter einer wohlhabenden Familie oder dem Typen, der wahrscheinlich mehr Polizeiakten hat, als Schulordner?" Er lacht. Ernsthaft, Logan ist amüsiert. Meine Wut wächst von Sekunde zu Sekunde an. Ich hasse diesen Kerl.

"Nach dem Hochmut kommt der Fall, Schätzchen." Logan kommt einen Schritt auf mich zu und streicht eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Er ist mir zu nahe. Ich spüre seinen warmen Atem an meiner Wange. "Wie ich schon gesagt habe, will ich dich und auch deine Schwester nicht körperlich verletzten. Wenn du das von mir denkst, dann tut es mir für dich leid. So bin ich nicht. Und keine sorge, ich habe auch nicht gerade einen Drang nach deiner Gesellschaft."

Wow, der Typ weiß echt, wie man mit Frauen redet. Nicht.
Bevor ich Logan weiter anschreien kann, tritt Moana zurück zu uns in die Küche. In der linken Hand hält sie einen CD-Player.

„Dieses alte Ding hat endgültig seinen Geist aufgegeben." Sie blickt zwischen uns hin und her, als könnte sie die Situation nicht einschätzen. Logan löst sich zuerst aus der Starre und wendet sich seiner Mutter zu.

„Mist, ich gucke nachher ob sich da was machen lässt."
Das bezweifle ich. Der CD-Player hatte seine guten Jahre definitiv bereits hinter sich.

„Ich fahre mit meiner Freundin in die Stadt, wir können einen neuen mitbringen. Sehen Sie es als Geschenk", biete ich an.

„Dann gehört dir also die protzige Karre auf dem Parkplatz." Logan's Stimme trieft vor Verachtung. Langsam geht mir seine schlechte Laune gehörig auf die Nerven. Es ist schließlich nicht so, dass er bloß heute so unfreundlich ist, nein, es ist Logan's beschissene Persönlichkeit.
Ich frage mich, was er durchgemacht haben muss, um so zu enden. Wenn ich die Wahl zwischen seiner Gesellschaft und die von Schneewittchens bösen Stiefmutter hätte, würde ich ohne mit der Wimpern zu zucken Zweitens nehmen.

„Nein." Ich werde sauer, unterdrücke jedoch meine Wut. „Es ist das Auto meiner Freundin Ivy. Ich muss jetzt langsam auch mal wieder runter, sie wartet schon relativ lange. Ich hole Spencer in 3 Stunden ab, wenn es passt."

„Natürlich", antwortet Moana und wir verabschieden uns voneinander. Logan verschwindet mit einem genuschelten „Bye!" in seinem Zimmer, dessen Tür er mit Wucht zuknallt.




„Was hast du da oben so lange getrieben, Scar?", fragt mich Ivy sobald ich im Sportwagen sitze. Sie musste bestimmt 15 Minuten warten, weshalb in mir ein schlechtes Gewissen aufbrodelt.

"Ich habe mich mit Hannahs Mutter unterhalten. Es kam mir unhöflich vor, wenn ich den Kaffe abgelehnt hätte", versuche ich mich bei ihr zu entschuldigen. Es ist nur die halbe Wahrheit. Eigentlich wollte ich mich bloß vergewissern, ob ich Spencer auch wirklich mit gutem Gewissen bei der Familie lassen kann. Leider bin ich kein Stück schlauer geworden. Eher im Gegenteil.

Ivy dreht dreht die Musikboxen laut auf und der neue Song von Isak Danielson schallt durchs Auto. "Habe ich mir schon gedacht. Ist die Familie nett?"

Ich überlege. Moana scheint auf ihre eigene Art sympathisch zu sein aber Logan? Diesen Typen kann ich einfach nicht einschätzen. "Das hoffe ich doch. Wo wollen wir zuerst hin?", frage ich meine Freundin.

"Ich muss noch ein Geschenk für Lesley kaufen. Lass uns zur Mall fahren", sagt Ivy.

"Shit!" Ich habe ihren Geburtstag total vergessen. Lesley ist vor einigen Monaten mit ihrer Familie in unser Viertel gezogen. Ivy und ich haben uns sofort gut mit ihr verstanden. Sie wird in Zwei Wochen Achtzehn und feiert ihren Geburtstag im großen Rahmen. "Ich brauche selber noch ein Geschenk."

Mit diesen Worten fahren wir auf den Highway in Richtung Innenstadt. Mit mulmigem Gefühl drehe ich mich noch einmal um und werfe einen Blick auf den Betonklotz. Hoffentlich geht alles gut.

Out Of The BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt