Kapitel 22

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Der Kuss ist überraschend warm und weich. Ein Kuss, wie ihn mir eine Person geben würde, wenn wir die Zeit und Ruhe gehabt hätten, uns über unsere unterschiedlichen Welten hinweg kennenzulernen. Nach kurzem Zögern schlinge ich meine Arme um seine Schultern und öffne den Mund. Gleichzeitig geht ein Beben durch meinen Körper, das mich alles um uns herum vergessen lässt. Die erste Berührung von Logans Zunge setzt mich in Brand. Um unserer Showeinlage den letzten Kick zu geben, gibt Logan ein kehliges Geräusch von sich.

So schnell wie dieser Moment gekommen ist, ist er auch wieder vorbei. Logan löst sich von mir und wendet sich dem Sicherheitsmann zu.

"Oh entschuldige, es ist meine Schuld. Die Tür war offen und da dachten wir uns, dass dieser Raum einen perfekten Rückzugsort bietet. Du weißt schon..." Logan deutet mit seiner Schulter und einem anzüglichen Grinsen im Gesicht auf mich. "man hat auf solchen Veranstaltungen selten einen Moment für sich."

Der Sicherheitsmann grinst zurück. Er muss Mitte Zwanzig sein und ist ebenfalls breit gebaut, wie fast jeder Bodyguard. "Ich verstehe dich bestens. Aber ihr müsst jetzt verschwinden, wenn Sullivan euch erwischt, seid ihr geliefert."

"Natürlich, danke Kumpel. Wir sind schon weg", antwortet Logan und zieht mich hinter sich zur Tür. Wie kann er so entspannt sein? Wir wurden gerade fast erwischt und er wirkt total gelassen!

Mit wackeligen Beinen gehen wir Hand in Hand durch den imposanten Flur, bis wir zurück zu den anderen Gästen stoßen.

Logan bleibt abrupt stehen. "Du gehst jetzt zurück zu deiner Begleitung und tust, als wäre nichts passiert. Du verlierst kein Wort über mich und Phil, verstanden?" Ich frage mich, warum er auf einmal so aufgebracht und wütend ist. Ich habe ihm nichts getan, also soll er seine Wut nicht an mir auslassen.

"Was wird mit Sullivan passieren?", frage ich stattdessen.

Logan überlegt einen Moment. "Das weiß ich nicht. Oscar kümmert sich darum."

"Oscar kümmert sich um den Kerl? Das kannst du doch nicht zulassen." Ich bezweifle dass Oscar mit Sullivan Tee trinken möchte.

"Ich muss, Scarlett."

"Ich verstehe einfach nicht, warum du ihn so mit dir spielen lässt. Der Typ hat eine Strafe verdient. Du musst dich für eine Seite entscheiden. Entweder bist du für oder gegen Oscar", sage ich mit gesenktem Ton. In unserer Nähe stehe einige Personen, dessen Aufmerksamkeit wir bereits auf uns gezogen haben.

"Natürlich bin ich gegen ihn, aber was soll ich machen?"

Ich überlege kurz. "Das weiß ich selber noch nicht. Aber schwöre mir, dass du darüber nachdenkst. Du kannst Phil fragen, ob er sich uns anschließt und dann überlegen wir uns einen Plan."

"Ich überleg's mir."

"Okay, dann bis Montag." Ich wende mich von Logan ab und gehe zurück an den Tisch, wo Rowan und meine Familie bereits sitzt. Seine Augen bohren sich spürbar in meinen Rücken, bis ich höre wie Logan kehrt macht und durch den Hinterausgang verschwindet.

Meine Lippen prickeln immer noch und ich spüre den Kuss mit derselben Intensität, wie im Büro vor wenigen Minuten. Gleichzeitig bin ich aber auch wütend. Was fällt ihm ein, mich so zu behandeln? Erst ist er nett, dann total abweisend und dann mach er mit seiner Freundin rum. Der Typ soll sich mal entscheiden. Sobald die 5 Wochen vorbei sind, will ich ihn nie wieder sehen, Logan bringt nichts als Probleme und Geheimnisse mit sich.

Bis vor wenigen Wochen hatte ich ihn noch nie gesehen und jetzt scheint er überall zu sein, wo ich bin.

Zum Glück sitzen Ivy und Mitchell ebenfalls am Tisch. Eine Last fällt von meinen Schultern und ich kann wieder frei Atmen. Meine Sinne sind vom Kuss noch total benebelt, obwohl es nichtmal ein richtiger Kuss war.

"Da bist du ja wieder", empfängt mich Mom, sobald ich an den Tisch trete.

"Die Schlange vor der Toilette war lang. Entschuldige."
Ich setzte mich zwischen Rowan und Ivy. Meine beste Freundin lächelt mich aufmunternd an.
Ich beuge mich zu ihr, damit die restlichen Anwesenden unser Gespräch nicht mit anhören. "Endlich bist du da."

"Tut mir leid, es ging nicht schneller. Habe ich was verpasst?", fragt Ivy.

Mir bleiben zwei Möglichkeiten. Entweder lüge ich meine Beste Freundin an oder ich sage ihr die Wahrheit, und bringe somit alle in Gefahr. Ich entscheide mich für Ersteres, auch wenn ich es hasse, Ivy anzulügen oder überhaupt Geheimnisse vor ihr zu haben.

"Du hast rein gar nichts verpasst. Ich bin vor Langeweile beinahe umgekommen."

Sie kichert und steckt mich sofort damit an. So war es schon immer. Wenn Ivy Lacht, dann kann man nichts anderes tun, als mitzumachen. Eine Sache die ich an ihr liebe und bewundere.

"Haben du und Logan schon ein Thema für's Geschichtsreferat?" Alleine der Gedanke an die Partnerarbeit lässt meine gute Laune zum Nullpunkt sinken.

"Nein, aber ich denke auch nicht, dass wir schnell ein Thema finden werden. Wir kommen aus komplett verschiedenen Welten. Ich wette, das wir nichtmal Gemeinsamkeiten haben."

Ivy stupst mich am Arm an. "Du übertreibst, das wird bestimmt leichter als du jetzt gerade denkst."

Hoffentlich.


Sobald ich zu Hause bin, laufe ich in mein Zimmer und lasse mich aufs Bett fallen. Das einzige was ich jetzt brauche ist Ruhe. Es ist bereits weit nach Mitternacht und die letzten Stunden waren kräftezehrend. Meine Füße schmerzen von den hohen Schuhen, mein Kopf dröhnt vom Tequila obwohl ich nichtmal betrunken bin und meine Beine können keinen einzigen Tanzschritt mehr machen.

Eine Sache will ich aber vor dem Schlafen noch erledigen. Ich greife nach meinem Laptop und öffne die Suchmaschine. Wenn es einen Ort gibt, wo ich mehr über Oscar herausfinden kann, dann ist es das Internet. Leider kenne ich weder seinen Nachnamen, noch weiß ich ob er überhaupt Oscar mit richtigem Namen heißt.

Ich durchforste Seite für Seite nach Gangs aus Downtown Washington. Doch ich finde nichts, was auf Oscar hinweist. Rein garnichts. Frustriert klappe ich den Laptop zu und kuschele mich unter die warme Decke.

Es wird schwieriger werden als ich mir vorgestellt habe.

Mein Handy piept und kündigt eine eintreffende Nachricht ein.

Logan: Sorry nochmal wegen heute.

Gebannt starre ich auf die Nachricht. Wofür entschuldigt er sich? Für den Einbruch? Für die Entführung? Oder für den Kuss?

Ich: Schon okay. War Oscar wenigstens zufrieden?

Logan: Wir waren etwas zu spät aber ansonsten schon

Logan: Wann treffen wir uns wegen dem Referat?

Ich: Hast du am Donnerstag Zeit?

Logan: Passt. Aber bei uns gehts nicht. Hannah hat Besuch und ich bezweifle dass wir uns zwischen dem Gekreische konzentrieren können

Mom wird es zwar nicht gut heißen, wenn Logan zu uns kommt, aber sie muss auch nicht wissen in welchem Teil der Stadt er normalerweise wohnt.

Ich: Dann um Vier bei mir.

Logan: Perfekt, schlaf gut.

Ich: Du auch.

Ich lege das Handy auf den Nachtschrank und mache das Licht aus. Ich will gerade meine Augen schließen, als das Handy in der Dunkelheit erneut aufgeleuchtet. Eine Nachricht von Logan.

Logan: Übrigens, du sahst heute Abend wunderschön aus.

Mein Herz macht bei diesen Sieben Worten einen Hüpfer und ich kann nicht aufhören zu grinsen. Bei Rowan hat mir das Kompliment nich annähernd so gut gefallen.

Ich: Kann ich nur zurückgeben

Mit schnellem Herzklopfen schlafe ich innerhalb von einer Minute ein.

Out Of The BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt