Kapitel 50

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Die fahrt nach Downtown verläuft zum Großteil schweigend. Jeder hängt in seinen eigenen Gedanken, und lässt den Abend Revue passieren. Wir haben echt Glück gehabt. Wenn ich Spencer davon erzählen würde, wäre sie sofort vom Stuhl gefallen, gerade weil sie so neugierig und mutig ist. Wahrscheinlich wäre sie sauer auf mich, weil ich ihr nicht früher davon erzählt habe.

Wir kommen vor dem Mehrfamilienkomokex zum stehen. Es ist still um uns herum, nur die leisen Klänge von Klassikmusik aus einer der Wohnungen über uns sind undeutlich zu hören. Hannah ist heute bei einer Freundin, genau wie Logan's Mutter. Dementsprechend steht die Wohnung frei.

Wir laufen das Treppenhaus nach oben, welches mir bereits jetzt genauso bekannt ist, wie unsere eigenes. Ich muss an den Tag zurückdenken, an dem im Spencer das erste Mal zu Hannah gefahren habe. Ich war so überrascht und geschockt als Logan dann auf einmal vor mir stand. Der Typ der bei uns eingebrochen ist. Es kommt mir vor wie Monate. Automatisch wandern meine Augen zu Logan, der meinen Blick erwidert. In rekordgeschwindigkeit wird mein Körper heiß.

An der Tür angekommen, schleichen wir uns in die Wohnung. Die Stille erinnert mich an zu Hause, sie ist genauso erdrückend, nur dass es jetzt gerade am bevorstehenden Plan liegt.

„Ihr könnt euch schon mal ins Wohnzimmer setzen, in der Zeit mache ich uns etwas zum trinken", sagt Logan und verschwindet im Raum nebenan.

Ich lasse mich neben Kessi fallen und starte die Aufnahmebilder auf meinem Handy. Derzeit passiert nichts spannendes, es ist nur ein leerer Raum zu sehen.

„Was machen wir, wenn wir genügend beweise haben?" Die Frage schwirrt mir schon seit geraumer Zeit durch den Kopf. Ich kann es mir irgendwie garnicht vorstellen, dass Oscar in naher Zukunft von der Bildfläche verschwunden ist. Seitdem ich Logan kenne, gibt es ihn nur mit Oscar im Doppelpack.

Phil, der sich die Fernbedienung geschnappt und einen Film angeschaltet hat, dreht sich zu uns um. „Ich und Kessi gehen zur Polizei und werden die Beweise aushändigen. Den Rest erzählen wir euch dann." Zum Glück muss ich nicht mitkommen, ich weiß nicht, ob ich alles von Anfang an erzählen könnte.

Im selben Moment kommt Logan mit 4 Bier und einer Tüte Chips zurück zu uns zurück. Gabbys Gesicht taucht vor meinen Augen auf. Die beiden hatten miteinander Sex. Auch wenn niemand etwas daran rückgängig machen kann, finde ich den Gedanken abstoßend.

Für die nächsten anderthalb Stunden haben wir einen Film gestartet. Es ist mittlerweile sehr spät nachts, in ein paar stunden sollte sogar bereits die Sonne aufgehen. Die Zeit vergeht schleppend vorbei. Jedes mal, wenn mein Blick zur Uhr wandert, sind nur wenige Minuten vergangen. Dabei spüre ich in jeder einzelnen Logan's Anwesenheit. Ich sitze zwischen Kessi und ihm auf der Couch, während Phil es sich mit der Tüte Chips auf dem Ohrensessel gemütlich gemacht hat. Mittlerweile ist Logan schon so nah an mich gerutscht, dass ich jeden Atemzug spüren kann. Einerseits will ich ihn anmotzen und wegdrücken, anderseits das genaue Gegenteil.

Dann endlich, nach beinahe zwei nervenaufreibenden Stunden, tut sich was auf dem kleinen Handybildschirm, welches automatisch mitfilmt.

„Leute, guckt!", flüstere ich meinen Freunden zu. Kessi schlummerte bereits, doch jetzt ist sie anscheinend wieder hellwach.

Logan blickt jeden einzelnen von und an. „Dann lasst die Show mal beginnen."

Oscar: Setzt dich, Rex.

Der kleine, etwas rundliche, Mann setzt sich wie befohlen auf den Platz Oscar gegenüber.

Oscar: Sag schon, was willst du von mir. Ich habe nicht ewig Zeit.

Ein ekelhaftes Grinsen erscheint auf Rex Gesicht.

Rex: Ich brauch Frauen. Wenn du hast, dann zwei von den durchschnittlichen. Sie sollen für mich arbeiten, also dürfen sie nicht zu heiß aussehen. Ich habe genügend Schlampen bei mir zu Hause.

Mir wird augenblicklich schlecht. Wie dieser Typ über Frauen redet, ist ekelerregend.

Oscar: Ich habe genügend B-Ware, mache dir darum keine Gedanken. Es kann aber ein paar Tage dauern, bis ich sie zur Vernunft gebracht habe. Wir wollen schließlich nicht, dass sie unartig sind. Nicht wahr?

Rex: Genau. Wie viel muss ich zahlen

Oscar: Pro Weib 250.000€. Das macht dann unterm Stich eine halbe Million.

Oh mein Gott, Oscar betreibt ernsthaft Menschenhandel. Was zum Teufel ist mit ihm falsch. Ich frage mich, wie viele Frauen durch seine Hände schon misshandelt und missbraucht wurden.

Rex: Geht klar. Hast du auch noch das üblich da?

Oscar: Die Drogen? Gerade nicht, muss ich einfliegen lassen. Das letzte mal gab es Probleme beim Zoll, aber das habe ich geklärt. Der Typ kann jetzt kein Wort mehr sagen. Oder Atmen.

Rex: Dann haben wir einen Deal.

Er streckt seine Hand in Oscars Richtung, der danach greift und Rex über den halben Tisch zieht. Mit mörderischem blick schaut er auf seinen Kunden herab.

Oscar: Du weißt, was passiert, wenn du redest. Ich mache dein Leben zur Hölle, bis ich es schlussendlich beende. Verstanden?

Rex: Natürlich.

Oscar: Dann verschwinde von hier und ich schreibe dir. Du bist am Donnerstag um Mitternacht an der alten Brücke. Da tauschen wir die Waren.

Mit diesen Worten verschwinden die Typen aus dem Raum. Bei uns im Wohnzimmer ist es still. Keiner traut sich etwas zu sagen. In Kessis Augen spiegeln sich wie bei mir Tränen wieder. Was ich da gerade gehört habe, verstört mich. Ich wusste schon immer, dass Oscar ein Schwein ist, aber Menschenhandel habe ich nicht erwartet. Der Typ geht über Leichen um sein Ziel zu erreichen.

„Ich weiß nich, was ich jetzt sagen soll Leute", flüstert Phil. Mir geht es genauso.

Im selben Moment springt Kassi auf. „Dann sag nichts. Wir gehen jetzt sofort zur Polizei. Wer weiß, was Oscar noch alles an Deals am Laufen hat."

„Okay, dann mal los. Schickst du mir die Aufnahme?", fragt Phil, und ich bemerke etwas zu spät, dass die Frage an mich gerichtet ist.

„Natürlich." Wenige Minuten später stehen Logan und ich auf dem Parkplatz und blicken den Rücklichtern von Phils Karre hinterher. Ich muss auch nach hause. Schließlich wird Harper in einer halben stunde in mein Zimmer stürmen und mich aus meinem angeblichen Schlaf reißen. Typisch Montag eben.

„Ich muss los", sage ich zu Logan, der mit verschränkten Armen neben mir steht. „Wir sehen uns eh in drei Stunden wieder."

Er schaut mich mitfühlend an. „Geht es dir gut? Ich meine, ich könnte verstehen wenn nicht, nachdem du das eben mithören musstest."

Ob es mir gut geht weiß ich nicht, aber eins schon: Ich muss hier weg, sonst schmeiße ich mich noch in seine Arme und fange an zu heulen. „Ich denke schon." Die nächste Frage kann ich nicht unterdrücken. „Geht es dir gut?"

Logan kommt ein stück näher und zuckt mit seiner Hand, als wollte er mich berühren, hat es sich aber im letzten Moment doch noch anders überlegt. „Nein." Dieses eine Wort zerreißt mein Herz. „Aber du musst jetzt los, wir sehen uns nachher in der Schule."

Ich will nicht weg. Aber ich muss. „Bis nachher." Mit diesen Worten steige ich ins Auto und fahre nach Hause.

Sofort wird mir der Fehler bewusst. Dieses Haus ist nicht mein zu Hause. Logan ist es.

Out Of The BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt