Kapitel 33

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Seit Mittwoch habe ich nichts mehr von Logan gehört. Funkstille. Den restlichen Abend habe ich irgendwie hinter mich gebracht, bis Tante Gabby endlich wieder zurück nach New York gefahren ist und Grandma leider mitgenommen hat. Sobald Granny hier ist, ist das ganze Haus mit Leben gefüllt. Auch wenn mich Dads Nachricht erschüttert hat, wollte ich mir dadurch nicht die Zeit mit ihr ruinieren lassen und habe das Beste aus der Situation gemacht.

Ich muss nur noch wenige Monate arbeiten, dann verschwinde ich von hier und studiere an der Brown. Trotzdem will ich das Verhältnis zu meinen Eltern nicht zerstören und ich hoffe, dass sie mich verstehen und besuchen kommen, aber wenn nicht, dann ist es eben so. Ob ich alleine in Providence oder Cambridge bin, ändert nichts und ist schließlich egal. Das versuche ich mir zumindest einzureden.

Heute ist Freitag und der dritte Kampf steht an. Die hälfte habe ich also geschafft. Gestern Abend hat mir Logan dann doch noch eine Nachricht geschickt.

Logan: Kessi holt dich ab und bringt dich zu Oscar.

Das war alles, mehr nicht.
Am Nachmittag bin ich zusammen mit Kessi zum Juwelier gefahren und habe noch einige Schmuckstücke verkauft. Das Geld wird bis
nächste Woche reichen, danach muss ich mir wieder etwas anderes überlegen.

Jetzt stehe ich vor der Eingangstür des Hiltens und schiebe meine ID- Karte durch den Laser, um die Tür zum Keller zu öffenen. Umso weiter ich mich dem Meeresspiegel nähere, desto laute dringt die Musik zu mir durch. Das Stimmengewirr mischt sich darunter, und das Knallen von sämtlichen Bechern auf Tischen hallt durch meine Ohren.

Trevor ist bereits hinter dem breiten Tresen und mischt Getränke. Ich bin echt froh, dass ich ihn hier an meiner Seite habe. In den ersten Wochen musste ich alle Bestellungen alleine aufnehmen, das hat so sehr an meinen Nerven gezehrt, dass ich Abends weinend auf meinem Bett saß und meine Füße vor Schmerzen nicht mehr gespürt habe.

Trevor redet nicht viel über sich, genau wie ich es auch nur ungern tue, aber ich muss auch nicht viel wissen um ihn zu mögen.

Die Kämpfe beginnen in Zwei Stunden. Bis dahin bleibt mir noch genug Zeit übrig, mich unbemerkt ins Büro zu schleichen und die Liste eventuell auszutauschen.

Bisher hat Logan beide Kämpfe gewonnen. Wenn ich nicht so sauer auf diesen Typen wäre, dann würde ich stolz sein aber das kann er jetzt vergessen.

Ich schlängle mich durch die Menschenmenge und versuche dabei so viel Körperkontakt wie möglich zu vermeiden. Es ist nicht selten, dass man hier als Frau von Männern dumm angemacht wird und sie dich abschleppen wollen. Aber Tony hat allen Angestellten versichert, dass jeden Tag mindestens ein Türsteher und verdeckte Bodyguards im Club anwesend sind, die dafür sorgen, dass sowas nie passiert.

„Schmeißt du den Laden etwa komplett alleine? Dann kann ich mich ja wieder vom Acker machen", begrüße ich Trevor, sobald ich am Tresen angekommen bin.

Er wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu, der mehr als tausend Worte sagt. „Wehe, ich warne dich, Blue. Ich weiß nichtmal wo mir der Kopf steht." So sieht er auch aus.

Lachend gehe ich um den Tresen und fange an, den Bestellungszettel abzuarbeiten. Wir sind ein echt gutes Team und bereits nach einer halben Stunde haben wir den Großteil erledigt.

Ich blicke ununterbrochen in den Gang, der zu den Toiletten und Privaträumen führt. Wenn Tony nicht in den nächsten Minuten aus seinem Büro verschwindet, dann wird es zeitlich echt knapp. Die Liste wird schon bald ausgehängt, weshalb mir nicht viel Spielraum übrig bleibt. Ich kann Trevor ja schlecht um Hilfe bitten. Leider. Also bleibt mir nur eine Möglichkeit übrig.

„Ich bin in Fünf Minuten wieder da, packst du den Rest kurz ohne mich?" Trevor zwinkert mir zu und deutet an, dass ich gehen kann.

Mit schnellen Schritten laufe ich zum dämmerig beleuchteten Flur und ignoriere die Anmachsprüche und Pfiffe.

Sobald ich vor dem Büro zum stehen komme, klopfe ich an. Das Personal soll erst Zwei Mal schnell, und dann drei Mal lang klopfen, ein Zeichen, dass es einer von uns und kein betrunkener Gast ist.

„Bin sofort da." Ich höre wie hinter der Tür ein Stuhl nach hinten geschoben wird, jemand auf die Tür zugeht und den Türknauf umdreht.

Ein gut gelaunter Tony öffnet mir die Tür. Er trägt ein schwarzes Hemd, welches bis zum Brustansatz geöffnet ist und dazu eine passende Jeans mit Boots. „Was gibts?", fragt er.

„Ich habe jemanden gesehen, der Fotos gemacht hat. Er sitzt an Tisch 14." Und das ist keine Lüge. Vorhin ist mir aufgefallen, wie ein stämmiger Mann in den Vierzigern sein Handy gezückt und Fotos von der Location gemacht hat. Was natürlich verboten ist, es hängt sogar ein Schild am Eingang.

„Immer diese Touris." Mit Touris mein er Neuankömmlinge, die vorher noch nie einen Laden wie das Hilten gesehen haben. „Halte bitte die Stellung, bin gleich zurück."

Mein Plan geht perfekt auf. Sobald Tony in der Menschenmenge untergetaucht ist, schleiche ich mich ins Büro. Chaos, ist der einzige Begriff, der mir als Beschreibung einfällt.

Heute scheint mein Glückstag zu sein. Tony war anscheinend gerade beim gestalten der Liste, denn diese liegt offen auf dem Tisch.

Mit schnellem Herzschlag und einem Lächeln auf den Lippen gehe ich die Tabelle durch. Logan muss gegen Austin Bang kämpfen. Er gehört zur Mittelklasse. Bisher habe ich nur wenig von ihm gehört. Austin gehört heute eindeutig zu den schwächeren Kandidaten, weshalb ich die Liste unbearbeitet lasse. Besser hätte es echt nicht laufen können.

Unauffällig stelle ich mich wieder in den Türrahmen. Eindeutig nicht zu früh, denn kaum habe ich meine Stellung wieder eingenommen, kommt Tony um die Ecke.

„Danke, hab's geregelt", sagt er mit angespannter Stimme.

„Kein Ding." Mit diesen Worten verschwinde ich. Der Typ mit dem Foto sitzt nicht mehr am Tisch. Anscheinend hat ihn Tony rausgeschmissen.

Trevor empfängt mich mit erhobenem Finger. „Schätzchen, das waren mehr als Fünf Minuten." Ich weiß natürlich, dass er mir das nicht übel nimmt.

„Wenn du nicht so viel meckern würdest, hätten wir den nächsten Tisch schon längst bedient."

Trevor schnaubt. „Du bist unmöglich, Blue."

Mit einem schiefen Grinsen mache ich mich wieder an die Arbeit. Es gibt viel zu tun und die Bestellungen häufen sich regelrecht.

Zwanzig Minuten vor Beginn der Kämpfe, sehe ich Logan. Er ist mit seinen Kumpels zu einer der VIP Ecken gegangen und sieht total verspannt aus. Kessi ist ebenfalls dabei und winkt mir zu. Ich erwiderte die Geste und deute ihr an, dass ich nachher zu ihr komme.
Im selben Moment sehe ich Tony, der die Liste ans Schwarze Brett hängt. Logan ist heute der Erste.

Mit klopfendem Herzen gehe ich sobald die Spielbeginnglocke klingelt zu Kessi, und versuche gelassen zu wirken.

„Na, was glaubst du, wer gewinnt", fragt Kessi.

„Ich hoffe Logan. Du?"

Sie wirft mir einen zweifelnden Blick zu. „Ich glaube das Austin gewinnt. Ich kenne ihn, der hat echt was auf dem Kasten."

Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus. Im selben Moment gehen Logan und sein Gegner in den Ring, womit der Kampf beginnt. Dabei schaut er mich nichtmal für eine Sekunde an.

Out Of The BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt