"Aufstehen, sonst kommen wir zu spät zur Schule." Die Stimme meiner kleinen Schwester weckt mich aus dem Schlaf. Es ist gerade mal 7 Uhr morgens!
So früh mitten in der Woche aufstehen zu müssen, gehört definitiv zu einer der Sachen, die ich am Schulleben nicht vermisst habe. Dazu kommt das ständige Lernen und der nervenzehrende Stress, pünktlich irgendwelche sinnlosen Hausarbeiten abzugeben. Das reinste Grauen.
Eigentlich habe ich nach der 11 Klasse abgebrochen und bin schon seit einem halben Jahr mit der Schule fertig, aber da Oscar mir aufgetragen hat, Scarlett im Auge zu behalten, muss ich wieder zur Schule gehen. Mom habe ich gesagt, dass ich die 12 Klasse doch noch machen möchte um bessere Ausbildungsmöglichkeiten zu bekommen. Im ersten Moment hat sie mich wie ein Auto angeguckt. Ich kann es ihr nicht verübeln, zumal ich Schule noch nie gemocht habe.
"Ich komme ja schon, Hannah." Noch halb am schlafen stehe ich auf und putze meine Zähne. Unser Badezimmer ist in etwa so groß, dass höchstens eine Person herein passt. Jedes Mal wenn Scarlett ihre Schwester zu uns gebracht hat, habe ich mich insgeheim für unsere Bruchbude geschämt.
Ich kann mir schon denken, dass Scarletts Eltern nichts von den Treffen der Kleinen wissen. Die Evans haben einen Chauffeur, aber der ist hier noch nicht einmal aufgetaucht. In den Ersten Wochen musste sogar Ivy, Scarletts beste Freundin, die Mädchen nach Downtown fahren.
Aus der Küche höre die leisen Stimmen von Mom und Hannah. Sie diskutieren über den anstehenden Zahnartztermin. Hannah hasst Zahnärzte. Und wenn ich hassen sage, dann meine ich abgrundtiefes verabscheuen.
Shit. Heute ist Freitag. Das heißt, mir bleiben nur noch wenige Stunden bis zum Kampf. Aber erstmal muss ich den Schultag heil überleben.
"Logan!", ruft Mom. "Los jetzt. Ihr kommt zu spät. Und nehme dir ein geschmiertes Brot mit, Hannah hat schon gefrühstückt." Sie hasst es, wenn ich verschlafe.
"Mache ich."
"Kannst du Hannah heute Abend zum Zahnarzt fahren?", fragt Mom. Shit, ich brauche eine Ausrede, und zwar schnell!
"Ich muss heute Überstunden in der Werkstatt machen. Tut mir Leid." Ich lüge meine Mutter ungerne an, aber gerade bleibt mir nichts anderes übrig.
"Du musst in letzter Zeit so oft Überstunden machen. Ich sollte mal bei deinem Chef anrufen und ihm meine Meinung geigen!"
"Nein!", rufe ich etwas zu laut und zu schnell. Wenn Mom dort anruft, dann fliege ich hochkant auf. "Ich werde selber mit ihm sprechen aber gerade ist die Hälfte vom Personal krankgeschrieben und wir müssen einspringen. In ein paar Wochen hat sich die Lage wieder beruhigt." Hoffentlich. Ich glaube zwar nicht daran, dass Scarlett etwas gegen Oscar unternehmen kann aber ein kleiner Teil von mir klammert sich an diese Hoffnung.
Sie blickt mich skeptisch an. "Okay, aber verspreche mir, dass du dich nicht selber zwischen all der Arbeit kaputt machst."
Oh man, wenn sie wüsste..."Versprochen." Ich drehe mich zu meiner Schwester um, die gerade ihre neuen Schuhe anzieht. Ich habe die Schuhe am Wochenende aus einem Second Hand Shop mitgebracht. Meine letzten Reste der Ersparnisse gingen dafür drauf, aber wenn ich Glück habe und heute Abend im Ring gewinne, dann habe ich wieder etwas Reservegeld. Hannah ist mir anschließend in die Arme gesprungen und behandelt die abgenutzten Schuhe seitdem wie Gold.
Sobald ich auf dem Schulhof einparke, verabschiedet Hannah sich von mir und läuft zu ihrer neuen Freundesgruppe, zu der auch Spencer gehört. Ich frage mich immer noch, warum die Kinder der Evans, die mehr Millionen auf dem Konto haben als ich zählen könnte, auf eine staatliche Schule gehen. Es war bestimmt nicht die Entscheidung der Eltern, da wette ich meine Schrottkarre drauf.
Automatisch zuckt mein Blick über den Pausenhof und sucht nach einem braunen Haarschopf mit grünen Augen. Scheiße, warum denke ich überhaupt an Scarlett?
Es ist einfach schon zu lange her, dass ich mit einem Mädchen geschlafen habe. Es wird Zeit, dass ich mich mal wieder entspanne.
Ich steige aus und gehe zum Klassenraum. In der ersten Stunde habe ich Englisch bei Mrs. Specter. Nichts, worauf ich im Moment Lust habe.
Sobald ich den Raum betrete schweift mein Blick automatisch zu Scarlett. Wie jeden Tag sitzt sie zwischen Ivy, Mitchell und diesem schnöseligen Rowan. Sie lacht, doch als sie mich entdeckt verrutscht das Lächeln. Ich starre sie wie ein Irrer an und kann aus unerklärlichen Gründen meine Augen nicht abwenden. Scar grinst mir schüchtern zu, als wüsste auch sie nicht, wie wir uns in der Öffentlichkeit verhalten sollen. Und weil ich am Liebsten zurück gelächelt hätte, mache ich das Gegenteil und ignoriere sie. Ich gehe mit starrem Blick an ihr vorbei und setze mich in die hinterste Reihe.
Ich bin ein Arschloch. Scarlett wirkt verletzt, versucht es aber zu überspielen, indem sie sich wieder an Ivy wendet und ins Gelächter einstimmt. Ihr Lachen ist gestellt und nicht das Lächeln, das ich so schön und ansteckend finde.
Fuck! Ich muss unbedingt aufhören so einen Scheiß zu denken. Ich muss demnächst unbedingt mal wieder Sierra anrufe. Sie ist ebenfalls Mitglied in der Gang und im Laufe der Zeit hat sich zwischen uns eine... Freundschaft mit gewissen Vorzügen gebildet.
Die Stimme unserer Lehrerin durchbricht meine Gedanken "In den Nächsten Vier Wochen werden wir uns mit einer Partnerarbeit beschäftigen. Ich fordere von euch einen Vortrag über eine berühmte Persönlichkeit, die euch interessiert und dessen Geschichte es Wert ist, darüber einen Vortrag zu halten."
Gruppenarbeiten habe ich noch nie gemocht. Ich habe immer zu den Schülern gehört, die sich auf andere Gruppenmitglieder verlassen haben und am Abend vorher anfangen zu lernen.
"Dürfen wir unsere Gruppen selber aussuchen?", fragt einer der Schüler aus der ersten Reihe. Den Namen kenne ich nicht. Eigentlich kenne ich fast keinen der Namen meiner Mitschüler.
"Nein, wir gehen die Klassenliste entsprechend der Nachnamen durch. Also hört mir zu: Levis Ambrose und Chloe Benton, Logan Campbell und Scarlett Evans,..." Die restlichen Namen neheme ich nicht mehr war. Gibt es denn keine Person, dessen Nachname mit D anfängt? Zu meinem Nachteil nicht. Ein kleine Teil von mir freut sich trotzdem.
Scarlett dreht sich zu mir um, und blickt düster drein. Ihr scheint es auch nicht zu gefallen.
Bis Stundenende labert Mrs. Specter über irgendwelche royalen Familien, dessen Geschichte mir am Arsch vorbei geht. In Gedanken bin ich bei heute Abend und bei Scarlett.
Sobald es klingelt versuche ich so schnell wie möglich aus dem Klassenraum zu verschwinden. Paul, ein Mitschüler aus dem Spanischkurs, hat mich an seinen Tisch eingeladen. Besser, als wir ein Außenseiter alleine in der Ecke zu sitzen.
Eine zierliche Hand umschließt meinen Arm und zieht mich ein Stück beiseite zu den Spinden.
"Auch wenn es dir nicht in den Kram passt, dass wir eine Gruppe sind, strengst du dich gefälligst an. Verstanden? Ich brache gute Noten um auf der Brown angenommen zu werden und du versaust mit das sicherlich nicht!", flüstert Scarlett gefährlich leise und rauscht daraufhin den Flur entlang in die Cafeteria.
Ich bleibe mit offenem Mund stehen. Was war das denn? Es sollte mir egal sein. Also mache auch ich mich auf den Weg in die Mensa und steuere den Tisch an, an dem bereits Paul und seine Clique sitzt.
Die Brown also. Ich bin nicht dumm und kann eins und eins zusammenzählen. Scarlett hat neulich aus versehen erwähnt, dass sie heimlich von hier verschwinden will. Wenn ich nicht falsch liege, will sie nach Providence durchbrennen, ohne dass ihre Eltern Wind davon bekommen.
Aus dem Augenwinkel beobachte ich Rowan, der etwas zu nahe an Scarlett rutscht und sie regelrecht mit den Augen auszieht. Spast.
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Out Of The Blue
Teen FictionWenn es eine Sache gibt, die ich abgrundtief hasse, dann ist es verlieren. Ich verliere nie und werde es auch jetzt nicht tun. Ich spüre die unzähligen Augenpaare, die starr auf mich gerichtet sind, während mein Puls von Sekunde zu Sekunde immer sc...