Kapitel 36

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Logan sitzt wie wenige Minuten zuvor auf meinem Bett und lehnt sich gegen das Kopfstück. Ich bin total erledigt, was nicht nur am stressigen Arbeitstag liegt. Seit Wochen habe ich fast keinen Augenblick mehr für mich. Andauernd bin ich in der Schule, kümmere mich um den Deal mit Oscar und Logan, oder spiele für meine Familie die brave Tochter. Dementsprechend sieht das Bett so einladend aus, dass ich mich neben Logan fallen lasse, und tief durchatme.

"Stressigen Tag gehabt?", fragt Logan und mustert mich dabei von Kopf bis Fuß. Für einen längeren Augenblick bleiben seine Augen an meinen Lippen hängen, was mich aus der Bahn wirft, aber das darf jetzt nicht sein, ich muss mich konzentrieren.

"Kann man so sagen. Du hast dich übrigens gut geschlagen." Wortwörtlich.

Ein bitterer Gesichtsausdruck verzieht seine Miene. Ihm scheinen diese Kämpfe ebenfalls nicht sonderlich zu gefallen. Das lässt mich aufatmen. Ich weiß nämlich nicht, was ich getan hätte, wenn er an diesen abscheulichen Kämpfen gefallen gefunden hätte. "Naja, muss eben sein. Hast du schon eine Idee?"

Wir liegen ausgestreckt nebeneinander, mit dem Gesicht zum jeweils anderen gewandt. Zwischen uns befindet sich eine durchsichtige Linie, die wir beide nicht zu überschreiten versuchen. Trotzdem müsste ich mich nur ein kleines Stück nach vorne lehnen, um seinen Körper zu berühren. "Nein, nicht direkt, aber wir müssen versuchen, dass sich Oscar selbstständig enttarnt, damit wir außer Visier sind." Meine Stimme klingt hohl und rau.

"Und wie sollen wir das anstellen?"

Ich überlege einen Moment. Was könnten wir tun, damit die Polizei von den Geschäften mitbekommt, ohne, dass die Spur zu uns zurückverfolgt werden kann? Da fällt mir eine dumme und riskante Idee ein.

"Warte, mir fällt gerade was ein. Du hast mir doch mal erzählt, dass es den Geheimgang zum Keller gibt, der zu seinem Bunker führt, wo er seine Geschäfte abschließt, richtig?"

"Ja." Logan zieht das Wort fragend in die Länge. Die Tür liegt soweit ich weiß hinter dem Bücherregal im Flur.

"Wir brechen ein und verstecken eine Wanze dort unten. Wenn er sich das nächste mal mit Kunden trifft, dann hören wir das Gespräch mit und zeichnen es auf. Das übergeben wir anonym der Polizei und et voila, niemand kann es zu uns zurückführen."

"Wir kommen niemals durch die versteckte Tür", antwortet Logan.

"Natürlich. Wir können Phil und Kessi fragen, ob sie das für uns herausfinden können."

Logan hält für einige Sekunden inne und denkt über meine Worte nach. "Na gut, ich Machs. Du bleibst aber hier."

Ich setzte mich aufrecht hin. "Vergiss das, ich komme natürlich mit!"

Logan lacht auf und schaut mich ungläubig an. Dieser Blick gefällt mir ganz und garnicht. "Scarlett, das ist nichts für dich, im Ernst. Ich kann das machen. Wenn du erwischt wirst, dann kannst du dir dein Studium streichen, und das ist nicht das einzige, was du dann vergessen kannst."

Einerseits rührt mich seine Sorge, anderseits bin ich wütend. "Logan, wehe du schreibst mir jetzt auch noch vor, was ich zu tun und lassen habe. Ich komme mit. Punkt." Mittlerweile sitzen wir beide aufrecht und bestrafen uns gegenseitig mit Blicken. "Außerdem, wo willst du die Wanze herhaben?"

"Kaufen", sagt Logan trotzig.

"Sei kein Spinner. Mein Dad hat zufälliger Weise ein Abhörgerät. Ihm wird es nicht auffallen, wenn es fehlt. Die Billigen Dinger aus Walmart taugen außerdem nichts."

Mittlerweile habe ich das Gefühl, zu ihm durchgedrungen zu sein. Er fährt sich andauernd durch die Haare, als könnte er somit seinen Frust ablassen. Man sieht ihm an, wie wenig ihm meine Idee gefällt. "Scarlett, das ist doch wahnsinnig."

"Ja, wahnsinnig gut!" Ich versuche meine Stimme leise zu halten, damit ich nicht ausversehen irgendjemanden aufwecke. "Du hast selber gesagt, dass wir langsam mal was machen müssen." Ich komme ihm drohend ein Stück näher und zeige mit meinem Zeigefinger auf seine Brust. "Und wehe du ziehst jetzt deinen Schwanz ein." Miene Stimme ist mittlerweile nur noch ein raues Flüstern.

Ich bin mir nicht sicher ob ich mir das nur einbilde, aber seine Augen werden eine Nuance dunkler und er beißt sich auf die Lippe. Ich sehe regelrecht, wie ihm Teufel und Engel gut zureden.

"Erwähne meinen Schwanz nicht, wenn wir auf deinem Bett liegen", sagt Logan mir dunkler Stimme.

Im selben Moment wird mein Mund trocken. Was machen wir hier gerade? Vom Thema sind wir definitiv abgekommen. Mein Bauch fängt an zu kribbeln und das Bedürfnis, ihn näher an mich zu ziehen wächst von Sekunde zu Sekunde an. Ich überlege, ihn tatsächlich zu küssen, als er gleichzeitig die letzten Meter Distanz überbrückt und seine Lippen auf meine presst.

So schwer es mir fällt, ziehe ich meinen Kopf zurück. "Sage mir erst, dass wir es auf meine Weise machen. Du und Ich."

Ein lächeln gleitet über sein Gesicht. "Abgemacht." Die letzen Silben verschwinden im Kuss.

Wir befinden uns sofort im stimmigen Takt und fallen regelrecht übereinander her. Logan stützt sich mit seinen Armen neben mir ab, sodass ich unter ihm liege. Mir bleibt kein Moment zum Atmen, aber das stört mich nicht. Alles woran ich denken kann, ist dieser verdammte Kuss. Sobald unsere Zungen aufeinander treffen ist es komplett um mich geschehen. Die Schmetterlinge erwachen zum gefühlt Zehnten mal an diesem Tag zum Leben, wieder wegen Logan. Was macht er mit mir?

Meine Hände zittern und ich halte mich an seiner Hüfte fest, als würde ich ansonsten ertrinken. In diesem Kuss steckt so viel mehr als bloßes Verlangen. Es liegen Gefühle zwischen uns, was zum Verhängnis werden kann.

Er öffnet seine Augen und schaut mich an. "Scarlett, du bist wunderschön. Was tust du mit mir?" Tja, dasselbe frage ich mich auch. Als Antwort setze ich meine Lippen auf seine und gebe alles mögliche in diesen Kuss.

Auf einmal höre ich Schritte im Flur, die gefährlich nahe kommen. Es kann nur Harper sein, die um diese Uhrzeit bei mir vorbei schaut.

"Shit!", rufe ich leise. Logan ist mittlerweile aufgesprungen und steht etwas fehl am Platz im Zimmer.

"Durchs Bad kommst du auch in den Flur. Wenn Harper zu mir ins Zimmer kommt, dann verschwindest du so schnell wie möglich, auf dem selben weg, wie dur vorhin reingekommen bist. Ja?"

Logan kommt auf mich zu und drückt einen flüchtigen Kuss auf meine Lippen. "Okay, wir sehen uns. Das... Es war ein schöner Abend."

Bevor ich antworten kann, verschwindet er im anliegenden Bad. Zeitgleich öffnet sich meine Zimmertür. Es ist Harper.

"Scarlett, was machen Sie um diese Zeit denn noch? Und, wie sehen sie überhaupt aus?" Harper ist eindeutig verwirrt. Ich auch.

Ein Seitenblick in Spiegel zeigt meine unordentlichen Haare und das halb runtergerutschte Top. Oh.

"Ähm ich bin mit meinen Klamotten eingeschlafen und hatte einen Albtraum. Ich wollte mich gerade wieder hinlegen."

„Tuen sie das. Wir sehen uns morgen." Mit diesen Worten verschwindet sie in den menschenleeren Flur. Aus dem Bad sind keine Geräusche zu hören, dementsprechend muss Logan erfolgreich geflüchtet sein.

Das war knapp. Und verdammt schön.

Out Of The BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt