Kapitel 15

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Mein Herz schlägt so laut, dass wahrscheinlich sogar Logan es hören kann. Wir sitzen in seinem Auto und fahren in Richtung Downtown. Die Anspannung, die in der Luft liegt, ist deutlich zu spüren. Jeder hängt in seinen eigenen Gedanken.

Wenn ich dieses Treffen mit Oscar durchziehe, dann gibt es kein Zurück mehr. Es ist eine indirekte Bestätigung, dass ich für die nächsten Sechs Wochen Geld aus dem Haus meiner Eltern schmuggle. Aber was bleibt mir anderes übrig? Genau, nichts.

"Bist du bereit?", durchbricht Logan die Stille und schaut mich mitfühlend an.

Irgendwas hat sich heute zwischen uns verändert, ich weiß bloß nicht genau was. Ich mag ihn immer noch nicht, schließlich erpresst mich dieser Kerl, aber ich habe Respekt vor ihm und habe eine andere Seite von Logan kennengelernt. Eine persönliche Seite, die er versucht zu verstecken.

"Ich denke schon", antworte ich etwas zu spät. "Was soll ich machen wenn ich vor ihm stehe?"

Logan mustert mein Gesicht und es bilden sich feine Falten auf seiner Stirn. "Gebe ihm einfach das Geld und versuche so schnell wie möglich von dort zu verschwinden. Den Oscar, den du im Hilten kennengelernt hast, ist nicht der, dem du gleich vor die Augen treten wirst. Er wird nicht gerade nett zu dir sein. Nach deiner Abfuhr war er sehr angefressen."

"Wusste Oscar an dem Tag, wer ich bin?" Die Frage stelle ich mir schon seit einigen Tagen. Was, wenn er mich schon länger beobachtet hat und ich es einfach nicht bemerkt habe?

"Ja, wusste er. Aber die Idee kam ihm erst danach. Er hält immer nach Potentiellen... Opfern Ausschau, bei denen einer von uns einbrechen kann. Du warst einfach zur falschen Zeit am falschen Ort."

"Darf ich dich was fragen?", durchbreche ich die aufkommende Stille.

"Ich kann dich wohl schlecht davon abhalten." Logan grinst gestellt, aber ich stimme nicht mit ein, woraufhin auch seine Miene wieder ernst wird.

"Warum?"

"Warum was?"

"Warum machst du den Scheiß überhaupt mit? Oscar ist nicht dein Freund und er zwingt dich dazu, Freitags in den Ring zu steigen. Was hast du davon?"

Logans Kiefer presst sich aufeinander und seine Hände krallen sich um das Lenkrad, sodass seine Knöchel weiß hervortreten. Auch sein Körper scheint angespannt zu sein.

"Eigentlich geht es dich nichts an, aber ich brauche das Geld. Und ist man einmal in Oscars Gang, dann kommt man da auch nicht mehr raus. Ich war verzweifelt und habe nicht nachgedacht, als ich Mitglied wurde. Oscar hat uns in der Hand und wir können nichts dagegen tun." Wow, das hört sich echt beschissen an. Wieder schäme ich mich für unseren Reichtum, während Leute wie Logan zu solchen Mitteln greifen müssen.

"Und da lässt sich nichts machen? Ich meine, er kann euch schlecht zwingen."

Er lacht abschätzig und schaut mich mit hochgezogener Augenbraue an. "Bist du so naiv? Er hat selbst dich in der Hand, ohne dass du zu uns gehörst. Du scheinst in deinem goldenen Käfig relativ wenig vom realen Leben mitzubekommen."

Ich zucke zusammen. Seine Worte machen mich wütend und treffen mich, auch wenn sie es nicht sollten. Demonstrativ verschränke ich meine Arme vor der Brust. "Erstens, ich bin nicht naiv, aber es gibt immer ein Schlupfloch und Zweitens, nur weil meine Eltern reich sind, heißt es nicht, dass ich mit einer rosaroten Brille durchs Leben laufe. Ich habe genug eigene Probleme!"

Logan schnaubt verächtlich. "Und die wären? Welches Kleid du anziehen sollst oder auf welchem Geschäftsessen du als Nächstes mit deinem Freund auftauchen kannst?"

Was fällt ihm ein so über mich zu reden? "Du bist ein Arsch, weißt du das? Außerdem habe ich keinen Freund."

"Lüg doch nicht, ich habe dich mit der Schmalzlocke in der Schule gesehen außerdem machen eure Familien keinen Hehl daraus, dass sie von einer Hochzeit zwischen euch träumen", sagt Logan mit aggressiver Stimme. Er spricht von Rowan. Er hat recht, in Interviews sprechen sie oft über eine Verbindung der Familien, die durch uns geschaffen werden soll.

"Tja, mich fragt ja nie jemand", schreie ich hysterisch zurück. "Und jetzt kommen selbst du und Oscar an, die über meinen Kopf hinaus entscheiden. Da habe ich kein Bock mehr drauf. Also wundere dich nicht, weshalb ich im Hilten arbeite und abhauen zu können!"
Shit, die Worte sind raus, bevor ich sie zurückhalten kann. Ich wollte es ihm nie sagen, weil er jetzt noch mehr über mich weiß, mit dem ich erpressbar bin. "Lass mich raus. Sofort." Doch Logan fährt mit starrem Blick auf den dunklen Straßen weiter und presst seinen Zähne fest aufeinander. "Hast du mich nicht gehört? Ich will raus." Mit zittrigen fingern versuche ich die Tür zu öffnen aber sie rührt sich keinen Zentimeter. Panik macht sich in mir breit. "Logan!"

Zu meiner Überraschung fährt er an den Straßenrand und macht den Motor aus. Was wird das?

Wir starren einander an. Meine Hände zittern immer noch. Bevor ich länger nachdenken kann, reiße ich die Tür auf und trete ins Freie. Die kalte Nachtluft peitscht in mein Gesicht. Es ist mittlerweile dunkel und einzig der Mond erhellt die verlassene Straße. Wir befinden uns außerhalb von Washington. Bedeutet: Ich komme hier nicht weg. Verzweifelt drehe ich mich zum Auto um und blicke direkt in graue Augen.

"Komm wieder ins Auto. Lass es einfach hinter uns bringen. Umso schneller bist du wieder zu Hause", sagt Logan. Seine Stimme ist nicht mehr aufgebracht sondern ruhig.

Ich hasse es, dass ich von ihm abhängig bin. Da mir nichts anderes übrig bleibt, gehe ich zurück zum Auto und steige in die angenehme Wärme. Schweigend fahren wir weiter.

Nach Zehn Minuten kommen wir vor einem alten Backsteingebäue zum stehen, dass vom Schein des Mondlichts beleuchtet wird.

"Das ist sein Hauptversteck?", frage ich ungläubig. Ich habe es mir moderner und auffälliger vorgestellt.

Logan Nickt. "Hör mir zu." Er nimmt mein Gesicht in die Hände und blickt mir direkt in die Augen. Im ersten Moment bin ich von der Geste zu überrascht, um zu reagieren. "Wenn du vor Oscar stehst, dann versuche ihn einfach nicht aufzuregen. Gebe ihm das Geld und stimme dem zu, was er von die verlangt. Er wird ansonsten manchmal handgreiflich, also sei so nett wie möglich. Danach kommst du so schnell wie möglich zu mir zurück, ich warte auf dem Parkplatz rechts neben dem Haus. Es sind noch mehr Männer im Haus, die ihre Finger nicht von einem Hübschen Mädchen lassen können, also sei leise und schnell. Verstanden?"

Im nächsten Moment rast mein Puls in die höhe. Ob es daran liegt, dass ich angst bekomme oder an den Worten, dass er mich hübsch findet, weiß ich nicht. Also nicke ich benommen.

Ich will gerade loslaufe, als eine Hand nach meinem Handgelenk greift. "Ich habe das vorhin nicht so gemeint, tut mir leid. Pass auf dich auf." Seiner Stimme nach zu urteilen, entschuldigt Logan sich nicht oft. Bevor ich antworten kann, schließt er die Beifahrertür und fährt zum anliegenden Parkplatz.

Ich atme tief ein und gehe mit Zehntausend Euro in der Hosentasche zur Eingangstür. Ich schaffe das!

Out Of The BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt