Kapitel 30

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Am Mittwoch stehe ich länger als üblich vor dem Kleiderschrank. Ich weiß, dass wir uns nur wegen des Referates treffen, aber irgendwie bin ich trotzdem ein wenig aufgeregt. Ich hatte noch nie ein ernstes Date, das nicht von meinen Eltern arrangiert wurde. Letztendlich entscheide ich mich für einen Rock und mein Lieblingstop mit dem schönen Rückenausschnitt. Scarlett, es ist verdammt nochmal kein Date, stelle dich nicht so an.

Kurz vor drei hält Logans Auto auf unserer Auffahrt an, doch bevor ich raus gehen kann, hält mich meine Mutter am Arm zurück.

"Scarlett, wer ist das?", fragt sie und mustert mit abschätzigem Blick Logans Auto. Diesen Blick setzt sie immer dann auf, wenn ihr etwas nicht in den Kram passt.

"Er ist ein Freund. Wir sind im selben Englisch- und Geschichtskurs. Wir gehen ins Museum und ein Eis essen." Ich erzähle ihr absichtlich nicht, dass es wegen eines Referates ist, um sie ein wenig zu ärgern.

"Und wer ist er?"

"Er heißt Logan." Im selben Moment steigt er aus und stellt sich an die Beifahrerseite. Von der Entfernung kann er uns zwar nicht hören, aber ich wette, dass er Moms entsetzten Gesichtsausdruck sieht, der sich sofort auf ihrem Gesicht abzeichnet, als sie seine Tattoos mustert. Sie zieht die Luft scharf ein und wirft mir einen warnenden Blick zu.

"Du wirst nicht in dieses Auto steigen!", sagt sie mit gefährlich leiser Stimme. Augenblicklich werde ich wütend.

"Werde ich doch, Mom. Wir gehen nur ins Museum. Damit du dich beruhigen kannst, es ist für ein Referat über Rose Parks." Ich sollte sie nicht noch mehr reizen, ansonsten geht sie hoch, wie ein Knallkörper an Silvester.

"Was glaubst du, was die Leute denken, wenn sie dich mit Menschen wie ihm sehen? Man wird über uns sprechen und falsch urteilen!"

"So wie du es gerade mit Logan machst?", frage ich provokant. Sie reizt mich und treibt mich zur Weißglut.

„Das ist etwas komplett anderes, verdrehe mir nicht die Worte im Mund." War ja klar.

Sie kommt mir drohend näher und blickt auf mich herab, wie sie es die letzten 18 Jahren schon gemacht hat. „Wenn du jetzt durch diese Tür gehst und zu dem Jungen ins Auto steigst, dann musst du mit den Konsequenzen leben. Dein Vater und ich lieben dich, aber das geht zu weit."

Das geht zu weit? Was denn? Etwa dass ich mich mit einem Freund treffe? Ohne mit der Wimper zu zucken, drehe ich meiner Mutter den Rücken zu, und gehe zu Logan.

Es fühlt sich erstaunlich gut an, mal das zu tun, worauf ich Lust habe und nicht Mom. Normalerweise tue ich nämlich genau das, was sie will und spiele die brave Tochter. Heute aber nicht.

„Hey", begrüße ich Logan. „Fahre bitte los, bevor uns Mom mit einer Rute hinterherläuft."

Logan grinst mich schief an und lenkt das Auto zur Ausfahrt. „So schlimm?"

Ich schnaube ironisch. „Schlimmer."

„Was hast du denn angestellt?", fragt Logan und ich musterte ihn. Er trägt sein übliches Outfit, nur dass er anstatt seiner schwarzen Hose eine Blaue trägt, die ihm unangemessen gut steht.

Schnell wende ich den Blick ab. „Nichts, das ist ja das schlimme."

„Es ist wegen mir, stimmt's?"

Ich werfe ihm einen mitleidigen Blick zu „Ja."

Wir biegen auf den Highway in Richtung Innenstadt ab. Die Gegend ist für ihre wohlhabenden Familien und den entsprechenden Villen bekannt. Früher fand ich es auch total schön hier, aber mittlerweile schäme ich mich immer mehr. Wir haben so viel Geld einfach nicht nötig.

„Hast du für morgen alles bereit?", durchbricht Logan die aufgekommene Stille, die nicht im geringsten unangenehm war. Ich weiß sofort was er meint.

„Ich habe Letztens alten Schmuck verkauft und für diese Woche reicht es noch aus. Nächste Woche muss ich aber nochmal los."

Seine Miene verzieht sich zur Grimasse. „Ich..."
Logan bricht mitten im Satz ab und schaut starr nach vorne.

„Du was?", harke ich nach und drehe mich im Sitz zu ihm um.

„Nichts." Eine glatte Lüge, ich erkenne es an seinem Gesichtsausdruck.

„Hör auf mich anzulügen und rücke mit der Sprache raus", fordere ich.

„Naja, ich... estutmirleid." Dabei spricht er so schnell, dass ich ihn kaum verstehe. Der selbstbewusste und selbstverliebte Logan Campbell ist verlegen und entschuldigt sich. Ich erlebe noch Wunder.

Ich verstecke mein Grinsen und stütze mein Kopf auf der Hand ab. „Ich habe dich nicht ganz verstanden, sag das nochmal."

Er blickt mich böse an, aber ich weiß, dass auch er sein Lachen unterdrücken muss. „Es tut mir Leid. Du hast nichts getan und ich habe dich in die Sache mit reingezogen."

„Du meinst wohl eher Oscar", sage ich und ziehe die Worte in die Länge.

„Naja ich habe dich ja auch damit erpresst, die Listen auszutauschen. Ich habe auch kein Plan warum ich aufeinmal so eine Memme bin, aber du kannst das lassen. Du musst die Listen nicht mehr austauschen, du hast auch so genug mit den 10 Riesen pro Woche zu tun." Sein plötzliches Verständnis überrascht mich. Ich sehe, wie seine Mauer von Tag zu Tag immer instabiler wird und der echte Logan zum Vorschein kommt. Mein Herz rast im selben Moment unnormal schnell los.

„Schon gut, ich ziehe das durch", sage ich etwas zu spät.

Abrupt wendet er sich wieder zu mir. „Warum solltest du das tun und deinen Job aufs Spiel setzen?"

Tja, das weiß ich selber nicht. „Nimm's an und sei still, bevor ich es mir doch noch anders überlege", sage ich und drehe das Radio voll auf. Die restliche Fahrt unterhalten wir uns über den neuen Film mit Leonardo DiCaprio, der demnächst raus kommt.

Viel zu schnell bleiben wir vor dem Museum stehen. Ich habe garnicht gemerkt wie schnell die Zeit vergangen ist. Ich will gerade aussteigen, als Logan nach meiner Hand greift und mich zurück auf den Sitz zieht. Unsere Gesichter sind nur noch wenige Zentimeter entfernt.

„Danke. Für alles", sagt er, drückt einen Kuss auf meine Stirn und steigt aus.

Mit offenem Mund bleibe ich wie erstarrt im Auto sitzen. Was war das denn?

„Kommst du oder willst du noch länger im Auto bei der Hitze schmelzen?"

Jetzt kann ich mein Lächeln doch nicht mehr Verstecken. Wer ist dieser Typ und was hat er mit dem alten, schlechtgelaunten Logan gemacht?

„Komme!" Ich steige aus, gehe an Logan's Seite ins kühle Museum und wir mischen uns unter die Menschenmasse. Die Erfrischung tut bei dieser Hitze unnormal gut.

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