Kapitel 40

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"Wie war der Ausflug?", schreit meine Mutter über den Lärm der Dunstabzugshaube des Herds, während sie mit den riesigen Töpfen hantiert. Ich lasse die Tür hinter mir krachend ins Schloss fallen und schmeiße meine Reisetasche aufs Sofa. Erstmal muss ich durchatmen und meine Gedanken sammeln, die seit Stunden Karussell fahren. "Logan, bist du das?"

Etwas zu spät setze ich mich in Bewegung und gehe zur Küche. Mom empfängt mich mit einem warmen Lächeln.

"Na, habt ihr mich etwa vermisst?" Der unsagbar leckere Duft von Lasagne steigt mir in die Nase.

"Nein, ich musste endlich mal nichts teilen", höre ich Hannah im Hintergrund flüstern, weiß aber, dass es bloß ein Spaß ist.

"Das habe ich genau gehört Han." Kichernd verschwindet sie im Kinderzimmer.

Ihr Lächeln erinnert mich an Scar. Sie haben dieselben kleinen Grübchen und klingen exakt gleich. Sofort steigt mir wieder die Szene am Strand in Kopf, wie wir im Sand liegen und einfach schweigen. Der Moment war magisch, egal wie kitschig sich diese Worte aus meinem Mund anhören. Und ich glaube, dass es ihr nicht anders ergangen ist. Scar sieht mich seitdem mit einem anderen Blick an. Ich tue wahrscheinlich dasselbe, denn egal aus wie unterschiedlichen Welten wir auch kommen mögen, und was alles dagegen spricht, ich habe Gefühle für Scarlett Evans entwickelt, die von jeder Sekunde zur Nächsten stärker werden. Ich habe sie gerade erst gesehen, und kann es kaum abwarten, dass sie am nächsten Wochenende hier sein wird.

Hannah hat mir natürlich schon vor einigen Tagen von ihrem Wunsch erzählt, Spencer zu uns einzuladen. Ich habe unter der Bedingung zugesagt, dass sie sobald sich eine Möglichkeit ergibt, den Vorschlag einbringt, dass auch Scarlett bei uns übernachten kann. So habe ich zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen. Und ich muss sagen, dass meine kleine Schwester die Situation auf dem Parkplatz perfekt ausgenutzt hat.

"Jetzt erzähle schon, wie wars?", fragt Mom.

"Es war gut. Die Stadt ist echt schön und wir haben zwei Museen besucht." Dass ich mich nicht im geringsten dafür interessiert habe, behalte ich lieber für mich. "Ich bin am Abend beim Italiener essen gegangen, wo ich schon mal mit Hannah war."

"Echt? Ihr alle zusammen als Klasse? Ich kann mir nicht vorstellen, dass so viele Plätze frei waren."

"Nein ich war mit Scarlett essen." Ich sage es lieber sofort, schließlich will ich irgendwie, dass Mom Scarlett mag.

"Mit Scarlett Evans?" Dumme Frage, wie viele Scarletts gibt es denn noch in meinem Kurs, von deren Existenz ich nichts weiß?

"Ja. Wieso?" Ohne es zu wollen, höre ich mich schnippisch an. Was ist bloß los mit mir?

Sie legt den Löffel aus der Hand und wendet sich mir zu. "Logan, ich will nur nicht, dass du oder sie verletzt wird. Sie scheint nett zu sein und mein erster Eindruck war falsch, das gebe ich zu, aber weißt du wie das in solchen Familien abläuft? Scarletts Eltern bestimmen ihr ganzes Leben. Wenn befohlen wird, dass sie sich nicht mit Leuten wie uns treffen soll, dann wird sie das wohl oder übel tun. Und das wird dich verletzen."

"Mom, du..."

"Halt", unterbricht sie mich mit erhobenem Finger. "Ich bin noch nicht fertig, denn ich kenne auch dich. Du hattest noch nie eine ernsthafte Beziehung und denk ja nicht, dass ich deine nächtlichen Ausflüge zu Chloe und den anderen Frauen nicht mitbekomme." Shit, das kam jetzt unerwartet. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass ich seit Wochen mit keiner Frau mehr Sex hatte, geschweige denn daran gedacht habe. "Scarlett ist ein emotionaler Mensch, das erkennt sogar ein Blinder. Wenn du spielen möchtest, nur um deinen Spaß zu haben, dann nicht mit ihr."

Wow, diese Predigt überrascht mich. Seit wann, mag sie Scarlett? Mom hat sie sogar in Schutz genommen!

"So denkst du also über mich?" Ehrlich gesagt verletzen mich ihre Worte ein wenig.

Mom setzt einen mitfühlenden Blick auf. "Ich habe dich lieb, aber in dieser Sache muss dir einer endlich mal die Wahrheit sagen."

Mein Handy piept und rettet mich aus dieser unangenehmen Situation.

Phil: Kann ich vorbei kommen? Ich muss dir was wichtiges erzählen.

Ich: Klar, weißt ja wo der Schlüssel liegt

Ich stecke mein Handy zurück in die Hosentasche und wende mich meiner Mutter zu, die bereits wieder mit der Lasagne beschäftigt ist. "Du kannst für Fünf aufdecken, Phil kommt noch vorbei."

"Zum Glück habe ich etwas mehr gekocht, das reicht auch für Zehn Personen", sagt Mom.

Mit einem getuscheltem "danke" gehe ich in mein Zimmer. Ich schalte den Fernseher an und starte eine neue Folge Prison Break. Eine halbe Stunde später steht Phil im Zimmer.

"Na Bro, gut angekommen?", fragt er mit hochgezogener Augenbraue und lässt sich neben mich aufs Bett fallen.

"Klar, aber jetzt sag schon, was so wichtig ist." Seit den letzten Dreißig Minuten male ich mir aus, weshalb Phil vorbei kommt und was so wichtig ist, dass es nicht warten kann.

"Ich war gestern mit Kessi bei Oscar. Du weißt schon, wegen dem Keller", sagt er mit gedämmter Stimme, damit Mom oder Hannah nichts mitbekommen. Die Wände sind sehr dünn, wie ich leider schon einige Male am eigenen Leib erfahren musste.

Sofort ist meine Aufmerksamkeit geweckt. "Echt? Schieß los."

"Wir haben uns im Wandschrank versteckt und gewartet, bis er einen Kundentermin hatte. Nach drei Stunden, ja ernsthaft, wir haben drei verdammte Stunden in diesem Wandschrank gehockt, ist er dann endlich runter gegangen. Du wirst es mir nicht glauben, aber man muss wie im Film einen Kerzenständer nach vorne ziehen und dann hinter dem Schrank einen Schalter betätigen. Und siehe da, Sesam öffne dich."

Ich brauche einen Moment um die Infos zu verarbeiten. Es hat tatsächlich geklappt. Wir wissen wie man in den Keller kommt. Jetzt brauchen wir nur noch das Abhörgerät, und Scar und ich müssen uns unbemerkt nach unten schleichen. Eigentlich will ich nicht, dass sie mitkommt, aber bei diesem Dickschädel rede ich gegen eine Wand.

"Danke Phil, wir sind gerade einen riesigen Schritt nach vorne gegangen."

"Kein Ding."

Die nächsten Stunden schauen wir Netflix und er erzählt mir näheres über den Einbruch in Oscars Versteck. Dabei erwähnt er Kessis Namen so oft, dass ich langsam davon überzeugt bin, dass er sie gut findet. Ich frage trotzdem nicht näher nach, schließlich weiß ich selber wie ätzend sowas sein kann.

Gegen Mitternacht fährt er wieder nach Hause. Ich will gerade nach dem Handy greifen und Scarlett von den Neuigkeiten berichten, als ich es mir doch noch anders überlege.

Ich will es ihr persönlich sagen und ihren Gesichtsausdruck sehen. Also entscheide ich mich für etwas anderes.

Ich: Schlaf gut und träum was schönes.

Bereits wenige Sekunden später trifft eine Antwort ein.

Scar: Danke, du auch, Logan.

Anschließend schlafe ich mit einem Lächeln im Gesicht ein.

Out Of The BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt