Viel zu schnell kommt auch schon der Tag des Klassenausflugs auf mich zu. Es ist früh am Morgen und ich stehe mit meinem kleinen Reisekoffer neben Ivy auf dem Schulhof. Mittlerweile sind alle außer ein paar Ausnahmen eingetroffen. Logan zählt zu den Ausnahmen. Ich weiß nicht, ob er auf seinen großen Auftritt wartet, jedenfalls fehlt von ihm jede Spur.
Morgen Nachmittag werden wir bereits wieder zu Hause sein. Dafür warten drei Museen auf uns, die mich nicht im geringsten interessieren. Unsere Lehrerin hat jedoch versprochen, im Anschluss eigenständig in Gruppen durch die Stadt laufen zu dürfen. Norville ist eine kleine, aber sehr schöne Stadt, die alles anbietet, was man braucht. Vor einigen Jahren war ich mit Mom dort, um für eine Veranstaltung das passende Kleid zu kaufen, das unbedingt aus dem einen Laden sein musste. Dabei habe ich schon einen kleinen Vorgeschmack der Stadt bekommen.
"Hey, freut ihr euch schon?" Rowan, der auf uns zu läuft hat mehr Koffer mit, als ich und Ivy zusammen, was dem Kleiderschrank meiner besten Freundin nach zu urteilen nur schwer zu schaffen ist. Er stellt sich neben mich und legt einen Arm um meine Schulter, der eher eine Last als liebevolle Geste ist.
"Wir können es kaum erwarten", sagt Ivy mit ironischem Unterton und verdreht dabei die Augen. Ich hingegen starre zu dem mir bestens bekanntem Auto, das gerade auf den Schulhof einbiegt. Es ist Logan.
Er steigt aus, und ich nutze die Chance, ihn zu mustern. Es ist tagsüber immer noch sehr warm aber morgens hingehen angenehm frisch. Dementsprechend hat er einen Hoodie und eine kurze Sporthose an, die seine definierten Waden zur Schau stellen. Wie sonst auch, trägt er dazu seine abgenutzten Vans mit den Tennissocken. Logan brauch sich nicht extra in Schale schmeißen, um gut auszusehen, worum ich ihn echt beneide.
Er wirft mit ein kleines Lächeln zu und läuft geradewegs auf seine Freundesgruppe zu, die ihn johlend empfangen.
Ich weiß zwar nicht, was ich erwartet habe, aber ich hätte mich gefreut wenn er wenigstens hallo gesagt, oder überhaupt irgendwas getan hätte.
Zusammen mit Ivy und Rowan, der mich immer noch im Arm hält, gehe ich zum Bus. Unser Ziel liegt 3 Autostunden von hier entfernt, weshalb ich mir vorhin noch schnell eine neue Musikplaylist runtergeladen habe. Ivy wird neben Mitchell sitzen und ich hoffentlich neben Lesley.
"Komm, lasst uns zum Bus gehen", sagt Ivy und setzt sich in Bewegung.
Der Bus ist schon relativ voll. In der hinteren Reihe erkenne ich Lesleys Kopf, doch bevor ich zu ihr gehen kann, hält Rowan mich am Arm fest.
"Sitzt du bei mir?", fragt er hoffnungsvoll.
Zuerst will ich verneinen, aber dann sehe ich Logan, wie er sich neben Flore setzt, die ihn offensichtlich anhimmelt und gleich zu sabbern anfängt.
Auch wenn es total kindisch und bescheuert ist, spüre ich ein Stechen in meinem Bauch, weshalb ich doch zustimme.
"Klar, lass uns dort vorne sitzen." Ich deute auf den Zweierplatz, der eine Reihe schräg neben Logan liegt.
"Perfekt, ich habe letztens übrigens mit meinem Dad geredet." Ich ahne schlimmes.
Wir setzen uns auf unsere Plätze, wobei ich Logan's Blick in meinem Nacken spüre. Es funktioniert. Und ist total erbärmlich. Diesen Gedanken sperre ich aber in die letzte Ecke meines Gehirns.
"Und?" Meinen säuerlichen Unterton versuche ich zu verstecken. Rowan ist eigentlich ein anständiger Typ. Nur eben nicht mein Typ. Mein Typ sitzt eine Reihe schräg hinter mir. Und diese Erkenntnis erschreckt mich selber. Seit wann ist aus unserer Freundschaft mehr geworden? Wann?
"Ich gehe auch nach Harvard. Wir können in eine WG ziehen" sagt er ehrlich. Er meint das tatsächlich ernst!
Wenn ich Wasser im Mund hätte, dann würde ich dieses im selben Moment durch den kompletten Bus spucken und mich verschlucken. Zum Glück ist mein Mund leer.
"Was?" Meine Stimme überschlägt sich beinahe.
Aus Logan's Richtung kommt ein Husten, als müsste er sich das Lachen verkneifen. Was ist daran so lustig?
"Klingt gut. Ich muss meine Eltern natürlich erst noch fragen, aber die haben damit bestimmt kein Problem." Die freuen sich hundertprozentig total für uns.
"Mein Dad hat schon mit deinen Eltern gesprochen, sie haben sogar schon eine Wohnung rausgesucht."
Das verschlägt mit die Sprache. Wie kann es sein, dass ich davon nichts mitbekommen habe? Mal wieder sind meine Wünsche total nebensächlich und meine Meinung ungefragt. Wie jedes Mal.
Ich zwinge ein Lächeln auf meine Lippen. "Wie schön. Dann ist ja alles geklärt." Ich bin eh in wenigen Wochen von hier verschwunden, also kann es mir egal sein, was sie hinter meinem Rücken planen. Ich tue schließlich dasselbe und sie werden früh genug erfahren, wie beschissen sowas ist.
"Wusstest du, dass wir sogar dieselben Kurse belegen?", fragt Rowan. Ach echt? So ein Zufall, davon haben mir meine Eltern noch nichts gesagt.
"Klar. Dann können wir noch mehr Zeit miteinander verbringen." Die Ironie in diesem Satz scheint er zu überhören.
"Das war auch mein erster Gedanke."
Die restliche Fahrt reden wir über nebensächliche Sachen, wo bei Harvard in den Hintergrund rückt.
Logan scheint ebenfalls echt Spaß zu haben. Flore kichert beinahe durchgängig, was bei ihr aber nichts Neues ist. Sie gehört zu den Mädchen, die vom Mann erobert werden wollen und dessen Aufmerksamkeit total genießen.
Nach 3 Stunden sind wir dann endlich am Ziel angekommen. Wir halten vor einem kleinen Hotel, das ehrlich gesagt sehr gemütlich aussieht.
"Ihr könnt jetzt eure Zimmer beziehen und in einer Stunde treffen wir uns wieder hier auf dem Parkplatz. Anschließend fahren wir in die Innenstadt und besuchen das berühmte Museum über Norville. Mädchen und Jungs gehen in getrennte Zimmer, dabei werde ich auch nicht verhandeln", ruft unsere Lehrerin. Wie alt sind wir, dass die Zimmer Geschlechter getrennt bezogen werden müssen?
Zusammen mit Lesley und Ivy gehe ich zu Zimmernummer 126.
Unauffällig halte ich nach Logan Ausschau, doch dieser ist anscheinend schon im Hotel verschwunden.
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Out Of The Blue
Teen FictionWenn es eine Sache gibt, die ich abgrundtief hasse, dann ist es verlieren. Ich verliere nie und werde es auch jetzt nicht tun. Ich spüre die unzähligen Augenpaare, die starr auf mich gerichtet sind, während mein Puls von Sekunde zu Sekunde immer sc...