Kapitel 16

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Im Haus ist es still. Logan hat mir erklärt, dass Oscars Büro hinter der letzten Tür rechts liegt und ich unbedingt anklopfen soll. Auf dem Weg schaue ich mich etwas um. In der Mitte des Flures hängt eine schäbige Lampe die ein mattes Licht spendet und entlang der linken Wand steht ein prächtiger Schrank, dessen Türen mit Vorhängeschlössern verschlossen sind. Gruselig. Es riecht muffig und die Luft ist abgestanden, als würde man hier nie lüften.

Sobald ich vor der Bürotür stehe, lausche ich durch das Holz hindurch. Es ist ein leises Rascheln von Papier auf Papier zu hören. Also ist Oscar da. Jetzt oder nie. Ich klopfe an und warte auf eine Antwort.

"Herein, Scarlett", schallt Oscars Stimme zu mir hindurch. Mit zittrigen Händen öffne ich die Tür und mir bietet sich freie Sicht auf einen aufgeräumten Tisch, hinter dem Oscar sitzt. Er trägt wie schon im Hilten seine Lederjacke, zusammen mit Boots und einer Jeans. Seine Ausstrahlung schüchtert mich schon vom Weiten ein. Ich bleibe einige Meter entfernt stehen.

"Hallo", sage ich wie ein Depp. Mir ist auf die Schnelle nichts besseres eingefallen. Seine Augen scannen meinen Körper und ich muss mich anstrengen, dass meine Beine nicht einklappen. Verdammt, ich war noch nie so aufgeregt, wie in diesem Moment.

"Hat dich Logan angemessen hier her gebracht? Tut mir leid, falls dich die Augenbinde gestört hat, es war aber ein Befehl von mir", sagt Oscar mit gefährlich leiser Stimme.

Die Augenbinde? Im selben Moment fällt mir wieder ein, dass Logan vor einigen Tagen gesagt hat, dass er mir wohl oder übel die Augen verbinden muss, da niemand den Weg zum Versteck kennen darf. Tja, hat er aber nicht. War das Absicht oder hat er es bloß vergessen? Ich war eh viel zu aufgeregt um mir auch nur eine Abzweigung zu merken.

"Ja klar, alles bestens", antworte ich etwas zu spät und etwas zu schnell. Oscar kommentiert meine Aussage bloß mit einer hochgezogenen Augenbraue.

"Kommen wir gleich auf dem Punkt, Scarlett Evans. Hast du das Geld?", fragt Oscar. Dabei kommt er mit langsamen Schritten auf mich zu, automatisch bewege ich mich etwas von ihm weg.

"Ja, ich habe die Zehntausend Euro dabei." Zittrig strecke ich ihm das Bündel entgegen. Oscar zählt die Scheine und scheint zufrieden zu sein.

"Perfekt. Für die nächsten Fünf Wochen wird dich Logan Donnerstags abholen und dich auch ansonsten im Auge behalten. Denn wenn du auch nur ein einziges Wort, über mich oder den Deal, einer Aussenstehende Person erzählst, dann mache ich dir oder den Leuten die du liebst, das Leben schwer. Haben wir uns verstanden?" Mittlerweile befinden sich nur noch um die 50 Zentimeter Distanz zwischen uns. Zu nahe. Er ist mir zu nahe. Ich will weg.

"Ja. natürlich. Habe ich verstanden", stottere ich. Mir ist die Aufregung hundertprozentig anzusehen.

"Dann kannst du gehen. Wir sehen uns morgen im Hilten."

"Auf Wiedersehen."

So schnell wie möglich schließe ich dir Tür hinter mir und atme erleichtert aus. Dieser Typ strahlt eine Autorität aus, die nichtmal meine Eltern besitzen.

Noch Fünf Wochen. Ich habe keine Ahnung wie ich das überstehen soll. Aber ich muss.

"Hey Süße." Ich zucke erschrocken zusammen. Ein Mann, um die Zwei Meter, steht vor mir und mustert mich von Kopf bis Fuß. Auf seinem Gesicht liegt ein anzügliches Grinsen. Klar, Logan hat mich vorgewarnt, aber ich dachte, dass er einfach übertreibt.

"Hi, ich wollte gerade gehen", erwidere ich unsicher. Doch bevor ich so schnell wie möglich aus diesem verdammten Haus verschwinden kann, greift er nach meinem Handgelenk und hält mich zurück. Es ist nicht so wie vor wenigen Minuten bei Lagan. Anstelle von warmen und weichen Fingern, umfassen mich raue Hände, dessen fester Griff schmerzt.

"Wieso willst du denn schon gehen?" Dabei macht er noch einen Schritt auf mich zu. Instinktiv mache ich einen nach Hinten. Leider ist hinter mir eine Wand. Shit. Warum müssen die Typen hier alle so nahe kommen. Ich fühle mich eingeengt und die vorher zurückgehaltene Panik droht auszubrechen.

„Lass mich sofort los, oder ich Schreie." Mein Versuch, ihn einzuschüchtern ist echt erbärmlich.

Der Typ lacht. "Schätzchen, denkst du ernsthaft, dass es hier jemanden interessiert, was mit einem unbedeutendem Mädchen passiert?"

"Ja mich. Lass sie sofort los oder ich sorge dafür, dass du nie wieder irgendwas anfassen kannst, Harvey!", ertönt Logans Stimme hinter Harveys Rücken.

Ich atme erleichtert aus, sein Timing ist nahezu perfekt. Wir starren uns in die Augen und ich fühle mich wie benebelt. Ich vergesse augenblicklich wie man atmet. Logan strahlt eine derartige Intensität aus, dass sich meine Armhaare aufstellen.

"Komm." Ohne Harvey zu beachten, greift er sanft um meinen Arm und zieht mich zum Ausgang. Wir laufen mit schnellen Schritten um das Gebäude herum zum Parkplatz, währenddessen sagt niemand ein Wort. Sobald wir im Auto sitzen, dröhnt der Motor auf und wir fahren vom Grundstück.

Logans Hände greifen fest um das Lenkrad und seine Mundwinkel ziehen sich nach unten. "Habe ich dir nicht gesagt, dass du sofort verschwinden sollst, wenn du mit Oscar fertig bist?" Seine Stimme wird mit jedem Wort lauter.

Er hat Recht. Ich hätte sofort verschwinden sollen, aber letztendlich ist ja nichts passiert. "Ja hast du. Ich wollte nur..."

"Nein! Ich glaube dass dir nicht bewusst ist, mit welchen Leuten du es hier zu tun hast. Die meisten sind in Oscars Gruppe weil sie es wollen. Sie sind kriminelle, die davon erregt sind, wenn anderen Leuten Leid zugefügt wird. Du hast hier eigentlich nichts verloren."

Ich schnaube. "Als hätte ich es mir ausgesucht, Logan." Daraufhin ist es still im Wagen.

"Tut mir Leid, ich hätte nicht so ausrasten sollen. Ich bin einfach wegen morgen aufgeregt und etwas reizbar." Etwas ist eine Untertreibung. Aber ich kann mir das gut vorstellen.

"Hast du angst?", frage ich mit leiser Stimme.

"Nein!" Logans Antwort kam zu schnell, um glaubwürdig zu klingen.

"Du musst mich nicht anlügen. Es ist normal wenn du angst hast."

Für wenige Sekunden wandert sein Blick zu mir. "Ich will Oscar einfach nicht enttäuschen."

Wenn es eine Person auf dieser Welt gibt, die ich verbannen dürfte, dann wäre das Oscar. Was er Logan und auch Phil antut, ist ekelerregend und moralisch total daneben.

"Hast du schon mal darüber nachgedacht auszusteigen?", frage ich ihn.

Logan schnaubt. "Natürlich. Ich zerbreche mir jeden Tag den Kopf darüber, aber es gibt keinen Ausweg." Er klingt verzweifelt. Mit jeder Sekunde, die wir in diesem kleinen Wagen sitzen, bröckelt seine Mauer immer mehr und der echte, verletzliche Logan kommt zu Vorschein. Ich will mehr davon.

"Lass uns erstmal die Sache mit den Kämpfen hinter uns bringen und dann gucken wir, ob wir ein Schlupfloch finden." Meine Stimme ist mittlerweile nur noch ein Flüstern.

Überrascht blickt Logan zu mir auf den Beifahrerplatz. "Warum solltest du mir helfen?" Tja, wenn ich das wüsste.

"Oscar gehört hinter Gitter und er hat mich und meine Familie berdroht. Das kann ich nicht einfach so auf mir sitzen lassen."

Ein kleines Lächeln huscht über Logans Gesicht. Er bleibt stehen und ein Blick aus dem Fenster verrät mir, dass wir bereits vor unserem Anwesen angekommen sind.

"Bist morgen", verabschiede ich mich von Logan.

Er lächelt mich beinahe schüchtern an. "Danke. Für alles. Wir sehen uns." Mein Magen schlägt im selben Moment Saltos.

Mit diesen Worten verschwinde ich in die Dunkelheit und schleiche mich ins Haus. Wie jeden Abend bleibe ich unbemerkt.

Out Of The BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt