Ein weiterer Fehler

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Die Wolken waren inzwischen so dicht, dass sie die letzten Reste der Sonne verschluckten. Grau und bedrohlich, hingen sie still über mir, als ich den vorderen Parkplatz des verlassenen, dunklen Marktcenters betrat.

Ich bin draußen.", hatte ich Vincent vor einigen Minuten geschrieben.

Nachdem ich das Gebäude umrundete, um zum hinteren Teil zu kommen, wurden meine Knie immer weicher. Und dann sah ich ihn. An die Hauswand gelehnt, mit einer Zigarette in der Hand, welche er wegwarf, als er mich entdeckte.

„Ava! Wo warst du die ganze Zeit?"

In seiner Stimme schwang nicht nur Sorge mit. Frust und Angst waren deutlich zu hören, auch wenn Vincent sie zu unterdrücken versuchte.

Als er die Hand nach mir ausstreckte, wich ich jedoch zurück. „Unterwegs, um jemanden zu treffen."

Meine Mimik sagte vermutlich einiges. Zögernd schwieg er, aber ich konnte sehen, wie sich sein Kiefer anspannte, ehe er nach Worten suchte. „Wen?"

Zu meinem Glück respektierte er den Abstand, welchen ich zwischen uns ließ. Seine Nähe würde mich erdrücken.

„Erinnerst du dich noch an Trisha und Venny?"

Schluckend begann der Carrier zu nicken, schwieg aber.

„Sie haben mir etwas gezeigt. Du weißt sicherlich, worum es geht, deswegen brauche ich es nicht zu erklären."

Daran zu denken und ihn im gleichen Atemzug so ängstlich zu sehen, machte es mir schwer, den Tränen nicht nachzugeben. Die Lippen aufeinander pressend, wich ich seinem ungläubigen Blick aus.

„Ava, es tut mir leid. Egal was du gesehen hast."

Wieder trat er einen Schritt dichter, aber ich wich erneut abwehrend zurück. „Was meinst du denn, was ich gesehen habe?", flüsterte ich erstickt.

„Sie haben dir das Video gezeigt, oder?"

Noch bevor ich antworten konnte, schüttelte er fluchend den Kopf.

Doch da mischte sich Wut in den dunklen Wirbel aus Gefühlen. „Hattest du mit mir das Gleiche vor? Mich und meine Kraft ausquetschen, bis ich nicht mehr kann? Warst du deswegen so enttäuscht, nach meiner Niederlage?"

Er schien mit sich zu hadern. Unsicher rieb Vincent sich übers Gesicht, bevor er vorsichtig zu sprechen begann. „Tut mir leid, ich war am Anfang an deiner Stärke interessiert. Und ich habe auch darüber nachgedacht, dich fallen zu lassen, als du gegen Kylee verloren hast. Aber ich habe diese Gedanken bereut, als mir auffiel, wie sehr ich dich als Person mag."

Bitter lachend erwiderte ich: „Ach ja? Irgendwie kann ich dir das nicht mehr so ganz abkaufen.", „Doch. Ich wollte dieses versteckte Potenzial in dir sehen. Aber umso länger wir zusammen waren, umso unwichtiger wurde es mir."

In meiner Brust brannte der Schmerz, trieb mir letztendlich doch Tränen in die Augen. „Ich bin so enttäuscht von dir..."

Als hätte der Carrier aufgegeben, sackten seine Schultern nach unten. „Ich auch. Wenn du gehen willst, dann geh. Ich kann nichts tun, um meine Vergangenheit zu ändern, oder um irgendwas wieder gutzumachen."

Nun schien auch Vincent mit den Tränen zu kämpfen. Die Verbindung zwischen uns loderte in alles verschlingenden Flammen. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, fügte er flehend hinzu: „Ich möchte trotzdem, dass du weißt, wie wichtig du mir geworden bist. Ohne dich, hätte ich mir wahrscheinlich mein Leben genommen.", „Halt die Klappe!"

Ich ertrug seine Worte keine Sekunde länger. Schluchzend kehrte ich ihm den Rücken zu und rannte. Einfach weg von hier. Weg von ihm, der mir ebenso viel bedeutete. Dessen Berührungen mir nie gekannte Wärme schenkten. In dessen Nähe ich mich so besonders gefühlt hatte.

Azure ☆ Straying BirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt