Ich hasse sie! Schwer atmend erwiderte ich den wutentbrannten, funkelnden Blick der stechend roten Augen, im Spiegel. Das einzige Licht, welches unser Badezimmer beleuchtete, kam aus dem Spalt der leicht offenen Tür und der kalten Laterne, vorm Fenster. Zittrig fuhr ich mit einer Hand durch die weißen, kurzen Haare, ehe ich mich etwas aufrichtete. Dieser schwarze, klebrige Schlamm war zurückgekehrt. Er haftete an meiner Seele, verwandelte sich mehr und mehr in das alles verschlingende Monster, welches ich schon als Kind kennenlernte. Er ist wieder da. So lange Zeit hatte sie mich vor ihm beschützt. Hatte ihre rettenden Arme ausgebreitet und mir ein liebendes zuhause geschenkt. Delia Sharp. Aber seit ihres Ablebens, verfolgte mich dieses Monster der Vergangenheit. Er versteckte sich in den Ecken meines Raumes, huschte wie ein hinterhältiger Schatten hinfort, sobald man ihn entdeckte. Delia, meine neue Mutter, vertrieb die alles zerstörende Dunkelheit, welche mein Vater in meinem Inneren hinterlassen hatte. Ließ mich die Narben an meinem Rücken vergessen, welche mich immer an diese etlichen, grausamen Nächte erinnern würden.
Und ich dachte, wir wären eine Familie. Aber Ava hatte es nicht verdient, eine Sharp zu sein. Wie gern wollte ich ihren Namen übernehmen. Schon damals. Sie ist so undankbar! Zorn hüllte mich in brennenden, pochenden Schmerz. Zischend vor Wut, holte ich aus. Es klirrte und schallte, als meine Hand rücksichtslos Zahnputzbecher und Seifenspender vom Waschbecken schlug, ehe sie laut auf dem Boden zerbarsten und ihre Splitter im ganzen Raum verteilten. Ich muss gewinnen. Tief durchatmend, stützte ich mich am Rand des Beckens ab und sah mich an. Ich mache sie fertig. Erst ihre Karriere. Und dann bringe ich sie um. Schon an Ava zu denken. Ihr ständiges Gemecker als Kind. Ihre abweisende Haltung bei meinem Besuch. Wie kann sie es wagen, uns so zu hintergehen? Jetzt hatte ich niemanden mehr. Mit ihrem Verhalten, zerstörte sie alles Gute, was mir noch geblieben war.
Die Wut raubte mit den Atem, während sie mein Herz zum Rasen brachte. Ich ertrug es nicht. Wieder diesem Monster ausgesetzt zu sein, welches mir mein Leben zur Hölle machen wollte. Tränen stiegen auf, nachdem ich erneut die Fassung verlor und meinem erbärmlichen Anblick im Spiegel überdrüssig wurde. Fluchend ballte ich die Hand zur Faust und holte aus. Der stechende Schmerz, ausgelöst von klirrenden, berstenden Splittern, war wunderbar. Spornte die rasende Hitze in meinem Inneren noch weiter an. Mein Ebenbild zerbrach lautstark in tausende kleine Teile, welche mir oberflächlich über die Haut schnitten. Gepackt von einem falschen Gefühl der Befreiung, atmete ich zitternd ein und schlug erneut auf den bereits zerbrochenen Spiegel. Wieder klirrte und knackte es, als auch die Plastikhalterung dahinter brach und die scharfen Splitter ungehindert durch die Luft flogen.
„Taiga! Was machst du da?"
Der Lichtkegel von draußen flutete nun den ganzen Raum, erleuchtete den weißen Fliesenboden. „Ich kann nicht mehr!"
Fluchend fuhr ich herum, erblickte den erschrockenen Daniel, welcher sprachlos im Türrahmen stand. „Wenn wir nicht gewinnen, bringe ich dich um, hast du verstanden?", brüllte ich im Verluste meines klaren Denkens. Ich lasse nicht zu, dass sie jemals wieder irgendwas erreicht!
Doch mein Carrier senkte angespannt den Kopf, fokussierte mich ernst und trat selbstbewusst näher. „Beruhig dich erst mal.", „Halt dein Maul!"
Schneller als er gucken konnte stand ich vor ihm, ehe eine Flut der Erleichterung mich packte. Meine Faust traf ihn mitten im Gesicht, ließ Daniel erschrocken aufjaulen, bevor er nach hinten fiel. Der Aufprall fühlte sich wundervoll an. Schwer atmend, musterte ich die Knöchel meiner Hand. Sie bluteten, waren aufgekratzt und rot. Angst schien ihn zu fesseln. Panisch rutschte er nach hinten, bis er an die Wand, neben der Tür stieß. Seine geweiteten Augen fokussierten mich. Gaben mir ein unglaublich wundervolles Gefühl von Macht. Von Stärke. Langsam kam ich näher, saugte jede seiner zittrigen, ängstlichen Bewegungen auf. Wie ein bedrohlicher Schatten baute ich mich direkt vor ihm auf. Wir starrten uns einen Moment nur an, tauschten stille Worte miteinander aus. Er, dieser muskulös gebaute, große Kerl, ging vor mir in die Knie. Ganz ruhig. Aber ich brauchte ihn. So kurz vor dem Turnier, könnte ich keinen neuen Carrier mehr finden.

DU LIEST GERADE
Azure ☆ Straying Bird
Fantasy(Beendet) Das Uranus-System. Zuhause, der Carrier und Hybriden, welche sich als Team zusammenschließen, um gemeinsam immer stärkere Gegner zu bezwingen. Diese faszinierende Welt der Kämpfe koexistiert mit einer harschen Realität, voll Einsamkeit und...