Ein Zentaur und ein altes Buch

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Vier Menschen standen inmitten einer grünen Wiese. Von Ferne rauschte ein Wald im Wind und klares Wasser schlug an eine steinige Küste.

Dieser Ort war der Richtige.

Als sie ihn entdeckt hatten, mussten sie sich nur ansehen, um zu wissen, dass sie es alle spürten. Die Magie hatte sie hierher geführt. Hier wollten sie ihre Schule gründen.

Die nächsten Tage, Wochen und Monate waren voller Pläne. Es galt einen Ort zu bauen, der ein Refugium sein konnte. Er musste Platz bieten für hunderte von Schülern, aber auch für verfolgte und gejagte Spezies. Hogwarts musste mehr sein, als eine Schule. Es musste ein Zuhause und eine Zuflucht sein. Und so hatten sie erweiterbare Räume geplant, sodass es immer genug Platz für alle geben würde, ganz egal wie viele Bewohner ihre Schule eines Tages haben würde. Durch bewegliche Treppen konnten an allen Stellen Stockwerke und Räume eingefügt werden. Die Räume selbst waren verschiebbar, um Feinde zu verwirren und zukünftigen Generationen andere Nutzungen zu erlauben.
Der Plan, der entstanden war, war kompliziert. Er hatte mehrere Ideen und Schichten. Helgas Gedanken zur Beheizung, sodass jeder Raum behaglich warm und abgeschirmt sein würde, Rowenas Bibliothek, Salazars Geheimgänge und Godrics Verteidigungsmaßnahmen, sie alle hatten ihren Platz in dem Modell gefunden, dass nun als Illusion vor den Vieren in der Luft schwebte.

Es war ihr Schloss, ihr Projekt, es würde ihr Lebenswerk sein.

Und nun würden sie es bauen. Die Vier Gründer verschränkten ihre Magie miteinander, wie sie es mit ihren Händen getan hatten, wurden für einen Moment ein Geist, ein Wille, eine Einheit, die aus den gemeinsamen Träumen von vier Menschen bestand. Schritt um Schritt, Stein für Stein bauten sie die Illusion, ihren Plan in der Wirklichkeit. Die Wiese verschwand, ein gewaltiges Loch wurde ausgehoben zwischen See und Wald und die Erde dröhnte von den Massen aus Stein und Erde, die die Gründer bewegten. Herangeschaffte Steine hoben sich von Geisterhand, legten die Keller und Gewölbe trocken und langsam zogen sich Steine in die Höhe. Unter Magie, Geist und Wissen der Gründer schraubten sich Türme in die Höhe. Blinkende Fenster entstanden aus Massen an herangeschafften Glas und Türen setzten sich in Rahmen, schließlich in Mauern ein. Die vier Freunde wurden bleich und ihre Hände begannen zu zittern. Selbst für ihre gemeinsame Magie war es viel, das sie forderten. Nicht weniger als ein ganzes Schloss sollte es sein. Ein Schloss zu lernen, zu leben und zu verteidigen. Schon wand sich der Rohbau in die Höhe, Dachschindeln setzten sich auf die Dächer, Gargoyle ließen sich auf der steinernen Fassade nieder, in der Gravuren und Ornamente entstanden. Zuletzt erschien das Wappen der Schule über dem Hauptportal. Vier Wappen, vereint unter einem Banner, einem Leitspruch.
Ohnmächtig sanken die Gründer ins Gras. Über ihnen erhob sich majestätisch ein Schloss aus warmen Sandstein, die Zinnen glänzten zinnoberrot in der untergehenden Sonne.


Tief in Gedanken ging Neville in der Bibliothek von Hogwarts umher. Er wusste selbst nicht, warum ihn seine Schritte hierher geführt hatten. Seine Träume waren nichts als Unfug. Da waren nur seine eigenen übertriebenen Wunschvorstellungen, die sich im Schlaf manifestierten. Mehr gab es da nicht. Dennoch musste er es sehen. Er brauchte Sicherheit.

Gerade war er von seiner Beurlaubung zurückgekehrt. Doch ihm stand noch nicht der Sinn danach, das Erlebte im Gemeinschaftsraum von Gryffindor zu teilen. Er würde zu seinen Klassenkameraden stoßen, wenn das Halloweenfest in der großen Halle begann. Vorher wollte er die Zeit nutzen, um seine Gedanken zu ordnen und die Fragen zu klären, die ihm die letzten Tage keine Ruhe gelassen hatten.

Neville wusste, dass es undankbar und einfach nicht richtig gewesen war, Harry so anzufahren. Harry hatte seine Eltern gerettet! Er war immer freundlich und ehrlich gewesen! Er hatte ihn unterstützt, wo er konnte. In dem Moment war Neville einfach überfordert gewesen. Und dann war es mit ihm durchgegangen. Er seufzte tief. Er hoffte wirklich, dass Harry ihm seinen Ausbruch verzeihen würde. Aber die Verwirrung blieb. Glaubte Harry wirklich, dass er Godric Gryffindor war? Wenn dem so war, dann war sein Freund verrückt! Es gab schlicht und ergreifend keine Möglichkeit dass er, Neville Longbottom, der ungeschickteste Zauberer, der jemals Hogwarts betreten hatte, tatsächlich die Wiedergeburt von Godric Gryffindor sein konnte! Das war einfach nicht möglich.

Hermine hatte die Geschichte von Hogwarts erwähnt. Vielleicht gab es hier noch ein Exemplar? Und vielleicht, nur vielleicht, gab es darin auch ein Bild von den Gründern? Dann konnte er beweisen, dass Harrys Behauptungen nicht stimmen konnten. Sowohl dem Freund als auch sich selbst-

Die entsprechende Rubrik war schnell gefunden und ohne große Schwierigkeiten, hielt Neville bald das gewünschte Buch in Händen. Mit klopfenden Herzen öffnete er den Folianten und blätterte durch die Seiten. Da waren tatsächlich Bilder. Neville verharrte bei einem Bild von Godric Gryffindor. Abgebildet war ein hünenhafter Mann mit wirrem, roten Haarschopf und entschlossenen, blauen Augen. Alles an ihm wirkte wild und kriegerisch. Lange Zeit studierte Neville das Bild. Das war es also. Hier hatte er den Beweis. Seine Träume hatten nichts mit der Wirklichkeit gemeinsam. Gryffindor war rothaarig, Natürlich.
Woher kam dann das Gefühl in seinem Innern, das untrüglich darauf beharrte, dass diese Abbildung verfälscht war? Er blätterte weiter, fand eine Darstellung von Salazar Slyltherin. Der Schlangenlord trug einen langen, weißen Bart und auf seinen Lippen lag ein sinistres Lächeln. Lügen! In einem jähen Anflug von Wut klappte Neville das Buch zu. Stumm blickte er auf den Buchdeckel und wartete darauf, dass sich sein Atem beruhigte. Warum nur war er so wütend? Woher stammte diese Fassungslosigkeit, dieses Gefühl von Falschheit angesichts der Bilder? Hatte er sich so sehr gewünscht, Harrys Gesicht zu sehen? Und wenn ja, warum?
"Alles in Ornung, Neville?" Ohne, dass er die beiden bemerkt hatte, waren Ron und Hermine neben ihm aufgetaucht.
"Schon gut", versicherte Neville schnell. "Ich...komme nur nicht weiter."
"Wie geht es dir?", fragte Hermine. "Wo warst du die letzten Tage? Professor McGonagall hat nur gesagt, dass du beurlaubt bist..."
Allein der Gedanke daran reichte, um Neville aufzuheitern. Er schenkte Hermine ein Lächeln. "Meine Eltern haben sich von einer schweren Krankheit erholt. Sie...sind zum ersten Mal seit langem wieder ansprechbar. Bald werden sie wieder ganz gesund sein."
Hermines Augen funkelten. "Oh, Neville..."
Ron schlug ihm auf die Schulter. "Cool! Das freut mich für dich, Kumpel!"
Dann fiel sein Blick auf Nevilles Buchtitel. "Oh, Mann. Sag bloß, du hast dir, anstatt zu feiern, die Geschichte von Hogwarts angeschaut?"
Verlegen zuckte Neville die Schultern. "Ich wollte mir die Gründer einmal angucken."
Hermine schüttelte den Kopf, dass die braunen Locken flogen. "Du weißt aber schon, dass die Bilder nicht akkurat sind, oder?"
Neville blinzelte.
Hermine rollte die Augen und fuhr fort. "Als die Gründer vor tausend Jahren lebten, war die Zentralperspektive noch nicht erfunden. Das heißt, es wusste noch keiner, wie man lebensechte Bilder malt. Außerdem war es gar nicht üblich, sich außerhalb der Kirche, oder als adeliger Repräsentant seines Standes, überhaupt portraitieren zu lassen. Diese Mode begann erst etwa fünfhundert Jahre später. Wenn es ein Portrait der Gründer gegeben haben sollte und als Gründer einer Schule ist das sehr unwahrscheinlich, dann wird man sie nur anhand von Requisiten erkennen können. Also Rowenas Diadem, Helgas Kelch, Godrics Schwert und Slytherins Amulett. Alles, was du heute auf Schokofroschkarten oder in Büchern findest, sind reine Mutmaßungen, ohne irgend eine Grundlage."
Neville blickte sie sprachlos an. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Und dann begann es zu hämmern.
"Also wirklich, Neville", hörte er Hermine entfernt sagen. "War deine Großmutter nie mit dir in einem Museum?"
Neben ihr setzte Ron ein leidvolles Grinsen auf. "Keine Sorge, ich wusste das auch nicht." Dann erstarb sein Grinsen und er blickte besorgt. "Neville?"
Der blonde Gryffindor gab einen unbestimmten Laut von sich. Das Blut rauschte durch seine Ohren und eine Gänsehaut kroch seinen Nacken hinauf. Er hatte einen Gegenbeweis gesucht. Und er hatte keinen gefunden. Das musste nichts heißen, natürlich nicht. Aber dennoch...
Auf einmal war es ihm in der Bibliothek zu eng. Er rief ein Dankeschön in Richtung von Ron und Hermine, dann verließ er beinah fluchartig erst die Bibliothek und dann Schloss Hogwarts.

Neville bekam erst wieder Luft, als er über die Ländereien wanderte. Ein kalter Wind riss an seinen Haaren und brachte den Geruch von Regen mit sich. Bleich und zerrupft hingen die letzten gelben Blätter an den Bäumen des verbotenen Waldes. Fröstelnd zog Neville seinen Umhang enger um sich.

Als er seinen Brief nach Hogwarts bekommen hatte, hatte alles so einfach gewirkt. Mittlerweile wusste er nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Alles war so verworren. Neville kannte sich selbst nicht mehr. Der Nebel, der langsam zwischen den Bäumen aufstieg, fand sein Gegenstück in seinen Gedanken.

„Regen zieht auf. Sie werden nass werden, wenn Sie nicht umdrehen, Sir Gryffindor."
Neville sprang vor Schreck in die Luft. Beinah wäre er dabei auf dem schlüpfrigen Untergrund ausgerutscht und konnte sich nur mit Mühe halten. Aus dem verbotenen Wald trat ein Zentaur hervor. Langes, blondes Haar wallte auf muskulöse Schultern herab und blaue Augen betrachteten ihn durchdringend.
„Wie haben Sie mich genannt?", flüsterte Neville.
„Ihre Ankunft ist in den Sternen geschrieben", sagte der Zentaur. „Es ist eine Ehre, Sie kennen zu lernen. Mein Name ist Firenze."
Neville blinzelte. Innerlich kämpfte er mit einer Panikattacke. War denn die ganze Welt verrückt geworden?
„Sie glauben mir nicht?" Der Zentaur trat näher. Das Fell seines Pferdesleibes glänzte matt im fahlen Licht. Er nahm einen Bogen von seiner Schulter und reichte ihn Neville.
Der Gryffindor griff automatisch zu. Das Holz war glatt und kühl unter seinen Händen.
Als nächstes reichte ihm Firenze einen Pfeil. „Sehen Sie die Eiche, die dort zwischen zwei Buchen steht?"
Neville kniff die Augen zusammen. Wenn er sich Mühe gab, konnte er den Baum durch Zweige und Nebel hindurch erkennen.
Ein Lächeln huschte über Firenzes Gesicht. „Versuchen Sie, das Astloch zu treffen."
Neville blickte ihn mit großen Augen an. „Ich...ich hatte noch nie einen Bogen in der Hand."
"Godric Gryffindor ist oft mit uns zur Jagd geritten. Die Geschichten meines Volkes wurden bis an den heutigen Tag überliefert", sagte der Zentaur ruhig.
Als Neville immer noch zögerte, hob Firenze beschwörend die Hand. „Tun Sie es einfach."
Sich in sein Schicksal ergebend, spannte Neville den Bogen. Vielleicht würden ihn einfach alle in Ruhe lassen, wenn er den Pfeil irgendwo im Wald versenkte? Er suchte sich eine bessere Position auf dem Boden und winkelte die Beine leicht an. Wie von selbst schoben sich seine Schulterblätter auseinander und die Hand, die den Pfeil hielt, wanderte zu seinem Ohr. Der Bogen war schwergängig, auf mehr Kraft geeicht, als Neville zu bieten hatte. Die Anstrengung ließ seine Muskeln zittern. Aber es war ein gutes Gefühl, gegen den Bogen zu ringen. Für einen Moment ließ es ihn seine Sorgen vergessen. Er atmete aus und seine schwirrenden Gedanken kamen zur Ruhe. Mit einer einzigen fließenden Bewegung entließ er den Pfeil in die Luft. Surrend traf das Geschoss das Astloch und blieb darin stecken.
Firenze blickte ihn durchdringend an. Neville starrte ungläubig von dem Astloch zu dem Bogen und wieder zurück. „Das war Zufall", hauchte der Schüler schließlich.
Firenze hielt ihm wortlos einen weiteren Pfeil hin. Auch dieser traf das Astloch, gleich neben dem Ersten.
Neville schwieg. Sein Mund fühlte sich trocken an.
Ernst nickte ihm der Zentaur zu. „Mein Volk hat in den Sternen gesehen, dass Sie zurückgekehrt sind. Wir sehnen den Tag herbei, an dem Sie und Lord Slytherin den magischen Wesen erneut zu ihren Rechten verhelfen werden. Und dieser Tag ist nicht mehr fern, Sir Gryffindor."
Sterne? Rechte magischer Wesen? Neville wurde schwindelig. Er wusste nicht mehr was er sagen, geschweige denn, was er denken sollte.
Der Zentaur nahm ihm den Bogen ab und blickte hinauf in den Himmel. „Manche Erkenntnisse kommen in dunklen Stunden. Doch Regen und Nebel halten nie ewig, Sir Gryffindor."
Erste Regentropfen kamen hernieder und verschluckten den Rest an Licht über den Ländereien. Neville spürte die Nässe kaum.
Der Zentaur neigte den Kopf. „Kommen Sie zu uns, wenn Sie mit uns jagen wollen. Meine Herde wird Sie immer willkommen heißen."
„D-danke." Ein stetiges Rauschen, das nicht vom Regen stammte, erfüllte Nevilles Ohren. Hastig stolperte er durch Matsch und Nässe davon. Die Augen des Zentauren spürte er noch lange im Rücken.

Er wusste mit Sicherheit, dass er noch nicht zurückkehren konnte.

Regen prasselte herab und hüllte die Welt in einen Schleier aus Grau. Im Nu war er bis auf die Haut durchnässt. Neville stapfte durch die Ländereien, die sich unter seinen Füßen immer mehr in ein Feld aus Schlamm verwandelten. Die Kälte tat ihm gut. Sie half ihm dabei nachzudenken.

Harrys Geheimnis...bisher hatte er sich geweigert, darüber nachzudenken. Doch er wusste, dass er nicht dauerhaft vor der Erkenntnis davonlaufen konnte.
Harry, ein elfjähriger Junge, beherrschte fortgeschrittene Legilmentik. Er war es, der einen Zauber in dem Geist seiner Eltern gebrochen und damit ihre Erinnerungen zurückgebracht hatte. Darüber hinaus schien Harry deutlich mehr über Magie zu wissen, als selbst ihre Lehrer.
Und wenn er nicht gerade mit Neville zusammen war, schien ihn eine autoritäre, aristokratische Aura zu umgeben, die nicht zu einem Jungen in seinem Alter passen wollte.
Und dann waren da diese Augen, die manchmal so viel älter wirkten, als die elf Jahre, die er zählte. Wie in dem Moment, als Harry ihn angesehen und ihn Godric genannt hatte.
Aber das konnte nicht sein. Neville war nicht Godric.
Gut, er hatte Träume von dem Gründer. Er sah alles aus der Perspektive des Ritters.
Aber das änderte nichts daran, dass Neville absolut nichts mit dem Gründer seines Hauses gemein hatte.
Godric war ein stolzer Ritter gewesen. Ein mutiger Verteidiger der Schwachen und ein mächtiger Zauberer. Und Neville? Neville schaffte es kaum, eine Feder in Zauberkunst anzuheben. Er kämpfte in jedem Fach außer in Kräuterkunde. Er fing an zu stottern, wenn man ihn beleidigte und er ließ sich von Malfoy herumschubsen. An ihm war nichts Heldenhaftes.

Ihr denkt, ich bin mutig? Ich denke, ich habe einfach größere Angst davor, andere zu verlieren.

Neville stockte. Was, wenn sich Godric nie wie ein Held gefühlt hatte? Wenn er einfach versucht hatte, die zu schützen, die ihm wichtig waren. Diesen Gedanken konnte Neville verstehen. Er wusste, würden seine Eltern, seine Großmutter, oder Harry in Gefahr geraten, er würde alles tun, um sie daraus zu befreien. Wahrscheinlich würde er nicht weit kommen und er würde auf dem Weg über seine eigenen Füße stolpern, aber er würde es probieren. Und wenn Hogwarts angegriffen werden würde? Hogwarts war sein Zuhause. Er würde es mit allem schützen, was er hatte. Auch wenn er dabei wahrscheinlich nur im Weg herumstehen würde.

Und das Holz des Bogens hatte sich so vertraut in seinen Händen angefühlt...wie konnte es sein, dass die Pfeile ihr Ziel gefunden hatten?

Neville schüttelte den Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Godric Gryffindor so vergesslich und so ungeschickt gewesen war wie er selbst. Auf jeden Fall hatte er so viel Macht im kleinen Finger gehabt, wie Neville im ganzen Körper.

Also blieb es dabei.

Er konnte nicht Godric Gryffindor sein.

Aber Harry hatte ihn so genannt.

Und Harry war...Salazar Slytherin.
War es wirklich nur sein eigenes Wunschdenken, dass Harry dem Gründer aus seinen Träumen so ähnlich erscheinen ließ?. Harrys Wissen, seine Ausstrahlung...es passte so gut. Außerdem wusste er es einfach. Etwas tief in ihm wusste es, so sehr er auch versucht hatte, den Gedanken in der Vergangenheit von sich zu schieben.

Harry war Salazar Slytherin. Es war seltsam befreiend, es sich einzugestehen.

Aber das hieß...

Harrys Ausdruck, als er Neville angeschaut hatte, hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. So voller verzweifelter Hoffnung war er noch nie angeschaut worden. Als würde Harrys Leid oder Glück von seiner Antwort abhängen. Und er hatte geantwortet. Und die Hoffnung in Harrys Augen war erloschen.

Aber er war nicht Godric. Wie hätte er anders auf Harrys Frage antworten sollen?

Also hatte sich Salazar geirrt? Aber er hätte seinen alten Freund doch erkannt?

Neville begann zu rennen. Der Matsch stob unter seinen Füßen in alle Richtungen. Viel zu schnell war er außer Atem, seine Lunge brannte und seine Seite schmerzte. Aber die Bewegung tat gut. Sie brachte seine tobenden Gedanken zur Ruhe. Nach und nach fand er in einen ruhigeren Rhythmus. Als würde sich sein Körper erinnern, wie man es machte. Seine Seite hörte auf zu schmerzen und sein Atem ging ein wenig ruhiger. Neville war noch nie gelaufen. Seine Großmutter hielt nichts davon. Aber es war...leicht. Natürlich war er hoffnungslos außer Form und selbst mit der richtigen Technik hielt er nicht lange durch, aber es fühlte sich...richtig an.

Wenn er die beschützen wollte, die er liebte, wenn er nicht mehr hilflos sein wollte, wie damals als Baby, wie jetzt, wenn Malfoy andere verhöhnte, dann musste er in Form sein.

Er wollte nicht mehr hilflos zusehen. Niemals wieder.

Harry war Salazar. Er würde alles für den Freund tun. Er vertraute ihm blind. Salazar hielt ihn für Godric Gryffindor. Er hatte Träume von dem Gründer. Neville verfiel in ein lockeres Schritttempo und begann einige Dehnübungen. Wie von selbst nahm er Duellposen ein, er führte kein Schwert bei sich, doch seine Füße fanden die richtigen Stellungen.

Er wusste nicht, welcher Mensch Godric Gryffindor war. Aber vielleicht konnte er es herausfinden?

Harry Potter und die Rückkehr des SchlangenlordsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt