Hermines Herz klopfte wie wild, als sie sich neben Neville setzte. Konnte es wirklich sein...? Es stimmte, dass Neville heute seltsam wirkte...anders als sonst. Es hätte ihr schon auffallen müssen, als der schüchterne Neville vorgeschlagen hatte, den Tisch der Slytherin zu erobern. Und auch im Gespräch mit Malfoy hatte er so...selbstsicher gewirkt. Seinem Peiniger so ruhig zu begegnen...das passte einfach nicht zu Neville. Was war mit ihm geschehen, dass er sich über Nacht so verändert hatte? Hatte sie überhaupt noch ihren Freund vor sich? Heute Morgen, als er Harry so entschlossen verteidigt hatte, hatte sie ihm beinah geglaubt. Aber jetzt...jetzt wusste sie nicht einmal mehr, ob sie Neville trauen konnte. Hatte Godric Gryffindor seinen Platz eingenommen? War er Godric Gryffindor? Oder wurde sie schlicht und ergreifend wahnsinnig?
Als Neville sie auf sich zukommen sah, schob er seine eigenen Unterlagen wie selbstverständlich zur Seite, damit sie sich mit all ihren Büchern ausbreiten konnte. Genauso hatte er es seit der ersten Stunde an getan, auch wenn er dadurch selbst weniger Platz hatte. Hermine hatte diese Eigenschaft an Neville von Anfang an gemocht. Er hatte ihr immer das Gefühl gegeben, willkommen zu sein. Für sie, die sich schwer tat, Freundschaften mit Gleichaltrigen zu knüpfen, hatte das eine immense Bedeutung. Neville hatte nie die Augen gerollt, wenn sie erzählte, wovon sie gelesen hatte. Und es schien ihm nichts auszumachen, dass sie im Unterricht besser war als er. Im Gegenteil. Bisher hatte sie eher den Eindruck gehabt, dass er sie ein wenig deshalb bewunderte. Auch jetzt war sein Lächeln warm und ehrlich und Hermine zweifelte an sich selbst. Vielleicht hatte Ron wirklich Recht? Vielleicht war Neville einfach im Laufe der Zeit selbstbewusster geworden und es war ihr bisher nie wirklich aufgefallen? Immerhin unterrichtete er auch, als wäre es das Natürlichste der Welt. Das war auch etwas, was sie ihm niemals zugetraut hätte. Entschlossen setzte sich Hermine neben hin. "Wie geht es eigentlich deiner Kröte?", fragte sie den blondhaarigen Jungen. "Egon hieß er, nicht wahr?"
Braune Augen blickten sie verwirrt an. "Er heißt Trevor. Ich...habe ihn im See von Hogwarts frei gelassen." Betreten senkte er den Blick. "Ich glaube, er ist dort glücklicher."
"Das tut mir leid", sagte sie verlegen. "Hast du ihn nicht von deiner Tante bekommen? Wie hat sie reagiert?"
Neville lächelte verlegen "Er war die Lieblingskröte von meinem Onkel Algie. Und...ähm... nein, ich habe mich bisher nicht getraut, ihm von Trevors...Umzug zu schreiben."
Hermine atmete auf. Sie hatte Neville vor sich. Niemand würde sich die Mühe machen, über eine nicht mehr existierende Kröte zu recherchieren. Und niemand außer Neville würde die Sache so ernst nehmen, obwohl ihm die Kröte, nach allem, was sie wusste, beinahe aufgezwungen worden war.
Braune Augen suchten die ihren. "Warum überprüfst du meine Identität, Hermine?"
Hermine spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. "T-tue ich gar nicht", log sie hastig.
Neville seufzte leise, doch der Ausdruck in seinen Augen blieb warm. Hast du Zeit für ein kurzes Gespräch nach dem Unterricht?"
"Was tuschelt ihr beiden da?", fragte Ron von Nevilles anderer Seite.
Hermine öffnete den Mund, doch ihr fiel keine passende Erwiderung ein.
Neville zuckte mit den Schultern. "Hermine hat sich nach Trevor erkundigt."
Ein trauriger Ausdruck huschte über Rons Gesicht. "Tja, Haustiere, was?"
Neville warf ihm einen mitfühlenden Blick zu.
Sie musste es mit Neville zu tun haben! Die Art, wie er mit Ron umging, wie er sie behandelte, all das hatte sich nicht verändert. Ein Außenstehender konnte das unmöglich wissen. Erleichtert atmete Hermine auf.
Dann betrat Professor Flitwick den Raum und ihr Gespräch erstarb. Er ließ an jeden Tisch einen kleinen, runden Stein schweben, um den Polsterungs-Zauber der letzten Stunde praktisch mit ihnen zu üben. Hermine beobachtete, wie Neville den Stein in der Mitte seines Tisches platzierte und die Augen schloss. Den Rhythmus, den seine Atmung annahm, erkannte sie aus den gemeinsamen Meditationen. Hermine schüttelte ihren Kopf und konzentrierte sich auf ihren eigenen Stein. "Molliare", flüsterte sie. Neugierig befühlte sie die Oberfläche des verzauberten Steins, der sich zwischen ihren Fingern wie Watte zusammendrücken ließ. Ron warf ihr einen genervten Blick zu. "Streber", murmelte er. Hermine beschloss, ihn wie üblich zu ignorieren. Es dauerte eine Weile, bis Neville seine Augen wieder öffnete und den Zauber ebenfalls sprach. Probeweise drückte er den Stein zwischen den Fingern, der unmerklich weicher wirkte, als zuvor.
"Du nimmst zu wenig Magie", erklärte Hermine sofort. "Willenskraft und die richtige Menge an Magie sorgen neben Inkantation und Bewegung dafür, dass der Zauber gelingt."
Neville nickte. "Ich dachte...ich taste mich vorsichtig heran."
Hermine dachte an die Reihe an Explosionen, die Neville bereits im Unterricht verursacht hatte und nickte zustimmend. "Keine schlechte Idee."
Im nächsten Moment war Professor Flitwick heran. Der Zauberer klatschte begeistert in die Hände, als er Hermines weichen Stein bemerkte. Ron murmelte schlecht gelaunt vor sich hin.
Hermine lächelte beinahe. Es war alles wie immer. Neville mochte selbstbewusster und ruhiger geworden sein, doch er war immer noch er selbst. Sie machte sich zu viele Sorgen. Er war nicht von dem Geist eines Gründers besessen.
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Harry Potter und die Rückkehr des Schlangenlords
FanfictionABGESCHLOSSEN In dem Moment, als der Todesfluch die Stirn von Harry Potter traf und eine Narbe in die Stirn des Kleinkindes ritzte, geschah noch etwas anderes. In jenem Moment, als die Grenze zwischen Leben und Tod verwischte und die Zeit keinen Nam...