Eine Heilung alter Wunden

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Das entsetzliche und doch vertraute Reißen in seinen Knochen, das eine Verwandlung einleitete, riss Remus aus dem friedlichen Dämmerzustand, in dem er sich befunden hatte. Seine Augen schnappten auf. Erstes Morgenlicht vertrieb den Einfluss des Mondes, ließ Fell und Klauen verschwinden, menschlicher Haut, einem menschlichen Verstand weichen. Doch der Schmerz der Verwandlung war nichts zu dem der Erkenntnis, was er in dieser Nacht getan hatte.

Was er beinah getan hätte.

Ein raues Schluchzen entrang sich seiner Kehle. All die Jahre, die er sich zur Zeit des vollen Mondes eingesperrt und versteckt und betäubt hatte. All das umsonst in einem einzigen Moment der Unachtsamkeit. Beinah hätte er andere verletzt, andere zu seinem Schicksal verdammt und der Bestie, die in ihm schlummerte, neue Nahrung gegeben.
„Es ist nicht deine Schuld. Denke das nie."
Remus fuhr herum.
Ein Junge schritt auf sein Bett zu. Die grünen Augen leuchteten beinah im Licht der Dämmerung. Trotz des Pyjamas, den er trug, war da etwas in seiner Haltung, das seine Jahre Lügen strafte. „Harry?", fragte er rau.
Und dann erinnerte er sich. Letzte Nacht hatte er die Witterung des Jungen in der Nase gehabt. Er hatte gewusst , dass er dort war, doch der Teil seines Verstandes, der sich um den Jungen sorgte, war von der Bestie übermannt gewesen. Er hatte beißen und erjagen wollte, was er liebte. Würde es wirklich immer so sein?
Harry ließ sich neben ihm auf der Bettkante nieder. „Der Anschlag wurde vereitelt", sagte er sanft. „Und Professor Dumbledore brachte dich vor den Auroren in Sicherheit."
Dumbledore. Der Name ließ ihn auffahren. „Greyback arbeitete für Du-weißt-schon-wen. Ich muss Albus warnen...ich..."
Er spürte eine beruhigende Hand auf seiner Schulter. „Schon gut. Er weiß es", sagte Harry ruhig.
Remus entspannte sich unweigerlich. „Was ist mit dir?", fragte er. „Hast du keine Angst?"
Das brachte den Jungen zum schmunzeln. „Vor dir? Wir alle tragen unsere Schatten mit uns herum, Remus. Bei manchen sind sie nur offensichtlicher, als bei anderen." Anerkennung lag in seinem Blick. Ich kenne wenige, die so gut darin sind, sie zu bekämpfen, wie du." Er lächelte sanft. „Es ist noch früh. Schlaf noch ein wenig. Du musstest viel durchmachen in der letzten Zeit."
Schon bei ihrer letzten Begegnung hatte er Harry für sehr reif für sein Alter gehalten. Aber nun...die Worte...die Gesten...all das passte nicht zu seinem Jungen von elf Jahren. Doch seine Lider wurden schwer und seine Gedanken verschwanden im Nebel eines traumlosen Schlafes.

XXX

Als Salazar zum zweiten Mal erwachte, blinzelte eine fahle Sonne durch das Fenster. Seine Kopfscherzen waren einem sanften Pochen gewichen. Der wiedergeborene Zauberer blickte zu Godrics Bett. Der Gründer Gryffindors fing seinen Blick auf und nickte zur anderen Seite des Raumes. Von dort war ein leises Gespräch zu hören.
„Verletzungen, die durch Werwölfe zugefügt werden, heilen leider entsetzlich langsam", sagte Madame Pomfrey mit einigem Bedauern. Aber er wir bald wieder wohlauf sein. Ich habe ihm etwas zum Schlafen gegeben." Sorgenvoll senkte sie die Stimme. „Das Ministerium wird ihn doch nicht verhaften, oder?"
„Nein Poppy", antwortete Dumbledore freundlich. „Kingsley hat mich früh genug benachrichtigt. Wir konnten ihn herausschmuggeln, ohne dass irgendjemand Verdacht geschöpft hat."
„Merlin sei Dank!" Wärme lag in ihrer Stimme, als sie fortfuhr. „Der arme Junge musste schon so viel mitmachen. Wir müssen aufpassen, dass wir ihm nicht noch mehr Wunden zufügen, Albus."
Der Schulleiter klang müde, als er antwortete. „Hätte ich gewusst, dass Remus so etwas widerfährt, hätte ich niemals zugelassen, dass er das Rudel ausspäht."
„Ich weiß", sagte Madame Pomfrey. „Wir tun alle unser Bestes."
Der Schulleiter und die Krankenschwester kamen in Sicht. Ein Tablett mit heißer Schokolade schwebte zwischen ihnen und die Getränke verteilten sich auf Salazars, Godrics und Remus Nachtkommode.
„Guten Morgen, ihr Beiden", sagte der Schulleiter mit funkelnden Augen. „Wie schön zu sehen, dass es euch besser geht."
Mal sehen, ob das wirklich stimmt, Albus", sagte die Medi-Hexe mit einem Lächeln und wirkte eine Reihe von Diagnose-Zaubern über ihnen. Dann nickte sie zufrieden. „Ihr beide leidet noch ein wenig unter der Belastung, zu viel Magie in zu kurzer Zeit gewirkt zu haben. Aber wenn ihr euch heute noch schont, kriegen wir das schon wieder hin." Sie lächelte den beiden zu. „Dann hole ich euch mal etwas Anständiges zu frühstücken, ja?" Sie warf Albus und seinem Kakao einen strafenden Blick zu und verschwand dann in ihrem Büro.
Dumbledore nahm unbeeindruckt einen tiefen Schluck und lächelte dann seelig vor sich hin.
„Wir haben uns gestern Nacht gar nicht bedankt", sagte Godric. „Dabei haben Sie uns das Leben gerettet."
„Und ihr beiden habt wesentlich dazu beigetragen, dass in St. Mungo Schlimmeres verhindert werden konnte", antwortete der Schulleiter gedankenversunken. Dann zwinkerte er ihnen zu. „Da das Verlassen von Hogwarts verboten ist, ist es aber wohl dennoch besser, wenn wir den Vorfall für uns behalten, nicht wahr?"
Salazar lächelte dankbar. „Danke, Sir."
Der Schulleiter blickte ihn lange an. „Es war mir ein Vergnügen", sagte er schließlich.
Der Gründer Gryffindors warf einen nachdenklichen Blick in Richtung vom Remus Bett. „Wie lange wird er hierbleiben?"
„Ah, ihr habt zugehört", sagte Dumbledore ohne einen Hauch von Vorwurf in der Stimme.
„Gewiss ein paar Tage. Ich bin mir sicher, dass Poppy Remus so schnell nicht aus den Augen lassen wird. Sie mochte ihn schon sehr, als er hier noch zur Schule ging."
Godric und Salazar tauschten einen Blick. Ein paar Tage. Das würde reichen, um Remus zu helfen.
„Wie ist die Reaktion der magischen Welt?", fragte Salazar sorgenvoll.
Dumbledore fing seinen Blick auf. „Obwohl der Angriff abgewendet werden konnte, war es ein Schritt zurück. Das Misstrauen gegen magische Wesen, als auch gegen dunkle Magie, ist durch den Angriff gestiegen."
Salazar fluchte. Sie hatten vielleicht den Angriff aufhalten können. Mit der Furcht in den Herzen der Menschen sah das aber ganz anders aus.
„Selbst seines Einflusses von einst beraubt, ist Voldemort ein beängstigender Gegner", sagte Godric düster. „Mit einem einzigen Schlag hat er unsere Bemühungen der letzten Zeit beinah zu Nichte gemacht."
Dumbledore nickte sorgenvoll. „Es sieht ganz so aus, mein Junge." Dann trat ein Funkeln in seine Augen. „Ich denke allerdings, dass ich ihm etwas entgegenzusetzen habe." Der Blick seiner blauen Augen striff Salazar. „Angenommen, ich hätte eine fantastische Entdeckung gemacht. Jetzt wäre ein geeigneter Zeitpunkt, sie preiszugeben, nicht wahr?"
Sie wussten alle drei, dass er von Salazars Arbeitszimmer sprach.
Der Schlangenlord lächelte Dumbledore zu. „Kein Moment wäre geeigneter."
Der Schulleiter winkte ihnen zu. „Ich dachte mir so etwas in der Art", sagte er jovial.
Mit einem letzten Winken in ihre Richtung verließ er das Krankenzimmer.
„Er weiß es", stellte Godric fest
Nachdenklich blickte Salazar zu der Tür, die Dumbledore eben hinter sich geschlossen hatte. „Du hast Recht. Die Frage ist nur...wann hat er es herausgefunden? Ich rühme mich, Menschen sehr gut einschätzen zu können. Bei ihm jedoch tue ich mich schwer."
Godrics braune Augen blitzten. „Vielleicht, weil ihr einander so ähnlich seid?"
In gespielter Entrüstung hob Salazar die Augenbrauen. „Er ist ein Gryffindor!"
Godric warf ihm einen neckenden Blick zu. „Ich würde wetten, dass der sprechende Hut bei dir auch einen Moment Gryffindor in Erwägung gezogen hat."
„Aber nur, weil ich einen Teil meines Geistes geschützt hatte und wissen wollte, ob der alte Lumpen noch funktioniert."
Godric wackelte mit den Augenbrauen. „Aber es bleibt dabei. Er hätte dich fast nach Gryffindor gesteckt."
Salazar warf ein Kissen nach ihm.

XXX

Theodore Nott hatte einen leichten Schlaf. Er merkte fast immer, wenn Harry aufstand, um was auch immer zu tun und auch, wenn er mitten in der Nacht zurückkehrte. Aber diesmal...diesmal hatte er nichts gehört. Besorgt ging er zu Harrys Bett und schob die Vorhänge leise beiseite. Ein schmaler Strahl grünliches Licht fiel auf ein unbenutztes Bett.
Harry war in der letzten Nacht gar nicht hier gewesen. Theodore schluckte. „Draco...Blaise?"
Die Sorge in seiner Stimme ließ beide Jungen ihre Morgentoilette unterbrechen und an seine Seite eilen.
Es war Malfoy, der am schnellsten reagierte. „Wir müssen zu Professor Snape. Sofort."
Blaise nickte. „Ich hole Daphne. Sie wird dabei sein wollen."

Wenig später standen die halb angezogenen Slytherin vor der Tür ihres Hauslehrers. Blaise klopfte und die Tür zu Snapes Räumlichkeiten öffnete sich lautlos. Der Tränkemeister war bereits komplett angezogen. Allerdings deuteten tiefe Ringe unter seinen Augen darauf hin, dass er in der letzten Nacht wenig Schlaf gefunden hatte. Seine ganze Haltung war voll unterdrückter Wut. Unweigerlich rückten die Slytherin enger zusammen.
„Es geht um Harry Potter, Sir", wagte sich Draco vor. „Er war nicht in seinem Bett."
„Ach, tatsächlich?!", zischte Snape. Seine Stimme schnitt die Luft wie Papier in kleine Fetzen. „Glauben Sie mir, die Eskapaden dieses...Jungen...sind mir hinlänglich bekannt."
„Also es geht ihm gut?", fragte Blaise vorsichtig.
„Oh, ich bin mir sicher, es geht ihm hervorragend und er ist mehr als zufrieden mit sich." Kalte Verachtung lag in Snapes Stimme.
Fragend hob Theodore den Kopf. „Sir?"
Snape brauchte offensichtlich seine ganze Beherrschung, um seine Wut nicht an seinen Slytherin auszulassen. „Er befindet sich im Krankenflügel. Aber seien Sie beruhigt. Unser Held hat nichts außer einer leichten magischen Erschöpfung davon getragen. Er wird sicher äußerst erfreut sein, Sie über seine heroischen Taten zu informieren." Seine Stimme troff vor Sarkasmus.
„Was soll das, Professor?", brach es aus Daphne hervor. „Du-weißt-schon-wer hat keine nennenswertes Anhänger mehr. Finden Sie nicht, dass Sie Ihre Einstellung gegenüber Harry überdenken sollten?
„Ich kann Ihnen versichern, Miss Greengrass, dass meine Intentionen keineswegs politischer Natur sind. Und nun hinaus mit Ihnen, bevor ich mich vergesse."
Die Erstklässler nickten und verabschiedeten sich mit leisem Gemurmel. Selbst Draco konnte die Räumlichkeiten seines Paten nicht schnell genug verlassen. Viele mochten behaupten, dass Severus Snape selbst an guten Tagen unheimlich war. Aber heute hätte selbst ein Basilisk in Panik vor ihm die Flucht ergriffen.
„Was hat er bloß?!", rief Daphne frustriert, kaum dass sie Snapes Büro hinter sich gelassen hatten.
„Wenn ich es nicht besser wüsste", sagte Draco vorsichtig, "dann würde ich sagen...er macht sich Sorgen."
Alle Slytherin starrten ihn mit offenem Mund an.
„Wenn er so seine Sorge zeigt", sagte Blaise nach einer Weile, "dann hoffe ich, dass er sich niemals um mich sorgen muss."
Theodore nickte bestätigend
„Wenn wir uns beeilen, können wir vor dem Frühstück noch bei Harry vorbeisehen", sagte Daphne geschäftig. „Aber erst einmal ziehe ich mich anständig an. Wir sehen uns in einer halben Stunde, Jungs." Die drei Slytherin beobachteten, wie sie an ihnen vorbeirauschte, zuckten die Schultern und schickten sich dann an, ihr zu folgen.

XXX

Ihr wolltet den Nachtheiler von St. Mungo finden? Ist ja irre! Nehmt ihr mich beim nächsten Mal mit?"
Rons begeisterter Ausruf war das erste, was die Slytherin hörten, als sie den Krankenflügel betraten. Er und Hermine standen zwischen Harrys und Nevilles Bett. Überall lagen angebrochene Süßigkeitsverpackungen verteilt.
„Also wirklich, Ron", sagte Hermine mit einem Augenrollen. „Für solche Aktionen können wir von der Schule fliegen."
„Bisher haben diese beiden keinen Rausschmiss bekommen, oder?", fragte der rothaarige Junge und biss voller Genugtuung in einen Schokofrosch.
„Aber nur, weil Professor Dumbledore es geheim halten will", sagte Neville und hob verschwörerisch einen Finger an die Lippen. Dann hob er die Hand, um den Slytherin zuzuwinken. „Hallo, zusammen."
Harry neigte den Kopf. „Wie schön, dass ihr hier seid."
Anklagend zeigte Blaise mit dem Finger auf ihn. „Du...warst nicht in deinem Bett, Harry!"
Unbeeindruckt zog der schwarzhaarige Junge eine Augenbraue hoch. „Ich glaube nicht, dass das mittlerweile noch als Besonderheit gelten kann, Blaise."
„Aber du kamst nicht zurück", sagte Theodore leise „Das gab es noch nicht."
Ungläubig blickte Draco von einem zum anderen. „Ihr jagt dem Nachtheiler? Ernsthaft?"
Salazar winkte die Erstklässler näher heran und erzählte ihnen einer gekürzte Version von dem, was in der Nacht geschehen war. Er erwähnte weder Remus, noch, aus welchem Grund er und Godric tatsächlich dort gewesen waren. Als er geendet hatte, rollte Daphne mit den Augen. „Das ist die dämlichste Geschichte, die ich je gehört habe. Kein Wunder, dass Professor Snape aufgebracht ist."
Forschend blickte Harry sie an. „Er ist aufgebracht?"
Blaise unterdrückte ein Schaudern. „Du hättest ihn heute Morgen sehen sollen. Seine Todesblicke hätten jedem Basilisken zur Ehre gereicht."
Salazar und Godric tauschten einen Blick.
Theodore hob die Schultern. „Ich frage mich eher, warum ihr den Nachtheiler nicht schon viel früher gefunden habt. Immerhin warst du in jeder der Nächte fort, in denen der Nachtheiler laut dem Tagespropheten in St. Mungo war."
Harry lächelte. "Das ist eine sehr gute Frage, nicht wahr?"
Hermine blickte Harry fragend an. „Wissen sie es?", formte die Gryffindor mit den Lippen.
Harry schüttelte unmerklich den Kopf. Aus irgendeinem Grund wirkte er ziemlich amüsiert. Für einen Moment hatte Daphne sogar den Eindruck, dass sein Blick in ihre Richtung ging.
Ihre Augen verengten sich.
Es war offensichtlich mehr an Harrys Geheimnis, als er zu erzählen bereit war. Etwas, das Hermine bereits wusste. Und von dem er wollte, dass auch sie es herausfanden.
Blaise fing ihren Blick auf und nickte ihr zu. Sie hatten einiges zu bereden.

Dann bemerkte Madame Pomfrey die versammelten Erstklässler und warf sie kurzerhand hinaus.
Als wieder Ruhe im Krankenflügel eingekehrt war, warf Godric Salazar einen Blick zu.
„Du solltest mit Severus reden."
Aber Salazar war schon halb an der Tür, bevor sein Bruder den Satz beendet hatte.

XXX

Mit rauschenden Roben schritt Severus Snape in seinem Büro auf und ab. Er war furchtbar wütend. Wie konnte man nur so dumm sein? Wie konnten sich die Gründer von Hogwarts einer solchen Gefahr aussetzen? Wie leicht wäre es gewesen, von einem Werwolf oder dem Attentäter selbst getötet zu werden? Die beiden hatten selbst gesagt, dass ihre magische Kraft denen von erwachsenen Zauberern noch in keiner Weise ebenbürtig war! Sich in diesem Zustand auf die Jagd nach einem Attentäter zu begeben, war ungeheuerlich! Ein Teil von ihm wollte zum Krankenflügel eilen, um seiner Wut Luft machen. Aber etwas ließ ihn zögern.
Denn hinter all dieser Wut lag ein anderes Gefühl. Eines, das ihn verunsicherte und ihm Angst machte, weil er es nicht kannte.
Er hatte dem Dunklen Lord ins Gesicht geblickt. Er stellte sich seinen Ängsten. Und doch...als er gehört hatte, dass St. Mungos angegriffen worden war, dass Sir Gryffindor und Lord Slytherin dort gewesen waren... Das Gefühl von Angst hatte ihm die Brust so sehr zugeschnürt, dass er kaum noch atmen konnte. Was für eine Erleichterung war es gewesen, von Albus zu hören, dass es den beiden gut ging.
Es klopfte leise an seiner Tür. Als er sie ungehalten öffnete, blickte er in die forschenden Züge seines Mentors.
Severus betrachtete den Jungen, der keiner war. Sein Haar war noch verwuschelter als sonst und der Schlafanzug des Krankenflügels ließ ihn kleiner wirken, als er ohnehin schon war. Wäre nicht der Ausdruck in seinen Augen gewesen, hätte man ihn tatsächlich für elf Jahre halten können. Mit einem mal wurde ihm bewusst, dass er Lord Slytherin so noch nie zuvor gesehen hatte. Der Gründer seines Hauses achtete auf sein Äußeres und seine Erscheinung war stets tadellos. Bis zu diesem Moment. Es ließ ihn seltsam verletzlich und...jung erscheinen.
Erneut flammte die Wut in ihm auf.
„Ich hoffe Sie haben eine Erklärung", flüsterte Snape bedrohlich.
Lord Slytherin wusste sofort, worauf er hinauswollte.
„Es gab keine andere Möglichkeit, die Menschen dort zu beschützen."
„Als sich wie ein verdammter Gryffindor in die erste Reihe zu stürzen und dabei beinah ums Leben zu kommen?! Ich bin mir sicher, es hätte Alternativen gegeben." Er warf Lord Slytherin einen wütenden Blick zu. „Ich hätte mehr von Ihnen erwartet als das."
Der Schlangenlord lächelte ihm zu. „Ich freue mich, dass du dich um mich sorgst, Severus."
Grüne Augen blickten ihn voll Wärme an. „Ist es nicht das...was Familie ausmacht?"
Severus starrte ihn an. Hatte er gerade richtig gehört? Er war noch immer wütend. Aber die entwaffnende Zuneigung auf dem Gesichts seines Mentors nahm ihm den Wind aus den Segeln. Das andere, dieses fremde Gefühl, ließ sein Herz so schnell schlagen wie die Flügel eines jungen Vogels. „Als Sie sagten, Sie hätten drei Söhne...?"
„War jedes Wort davon vollkommen ernst gemeint."
Für einen Moment schloss Severus Snape die Augen. Er hatte nie einen wirklichen Vater gehabt. Tobias Snape hatte diese Bezeichnung nie erfüllt. Er wusste nicht, wie er mit dem Gedanken umgehen sollte. Wieder fühlte er sich unsicher und versteckte das Gefühl hinter äußerlicher Kälte. „Ich kann keinen Elfjährigen Vater nennen."
„Es geht nicht darum, wie ich aussehe, oder wie du mich nennst, Severus. Aber wenn dir etwas widerfährt, sei es Glück oder Unglück, dann möchte ich derjenige sein, der für dich da ist."
Snape schwieg. Seine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt. Unfähig ein Wort hervorzubringen, starrte er seinen Mentor an.
In diesem Moment begriff er, dass es dem Gründer ernst war. Dass er, Severus Snape, die Fledermaus der Kerker von Hogwarts, die Geißel eines jeden Schülers, Salazar Slytherin tatsächlich etwas bedeutete. Er schluckte schwer und kämpfte gegen das Brennen in seinen Augen. „Sir...ich..."
Der Gründer seines Hauses trat vor und legte eine Hand auf seinen Arm. Lord Slytherin...Salazar musste zu ihm aufblicken. Doch das änderte nichts an dem Versprechen, das er in dessen Augen sah.

Harry Potter und die Rückkehr des SchlangenlordsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt