Salazar blickte nachdenklich, als sich sein Blick klärte und die vertrauten Umrisse der Kammer des Schreckens vor ihm auftauchten. Er hatte sich Severus Erinnerungen an Voldemort angesehen, jede einzelne von ihnen. Nun lehnte er sich zurück und blickte schweigend zu den grünlich leuchtenden Fackeln empor.
„Dieser Mann ist ein Monster", flüsterte er leise.
Smaragd glitt vom Tisch über seine Schulter und legte sich um seinen Hals. „Wo ist das Problem? Du hattest ohnehin vor, ihm in den Hintern zu treten."
Langsam schüttelte Salazar den Kopf. „Er ist nicht verblendet, wie ich angenommen hatte. Es ist schlicht und ergreifend nicht genug Menschliches an ihm, um verblendet zu sein."
„Also ich bin ganz froh, dass nichts Menschliches an mir ist", bemerkte die Schlange. „Wie es aussieht, schafft das nur Probleme."
Salazar griff nach der Schulakte von Tom Riddle und blätterte durch die vergilbten Seiten. Natürlich hatte er sie längst gelesen. Riddle war so ein vielversprechender Schüler gewesen. Voller Ambitionen, List und Klugheit. Ein wahrer Slytherin. Was war dann geschehen?
„Ich frage mich nur, wie es so weit kommen konnte, wie er so verderben konnte."
Smaragd zuckte mit der Schwanzspitze. „Nicht dein Problem."
Sacht strich Salazar über die Schuppen der Schlange. „Wie immer hast du Recht, meine Teure."
Schritte näherten sich und kurze Zeit später betrat Neville die Kammer des Schreckens.
Salazar blinzelte überrascht. „Neville?"
Der Junge zuckte mit den Schultern. „Smaragd hat mir den Weg gezeigt."
Salazar blickte seine Schlange an. Dunkle Augen schauten unschuldig zurück.
„Was ist? Ich mag ihn."
„Ich wusste gar nicht, dass ihr euch gegen mich verbündet."
Smaragd verließ seine Schulter, um auf Neville zuzuschlängeln. „Er streichelt eben besser als du."
„Hallo, du", sagte Neville lächelnd und nahm die Schlange ohne Scheu in Empfang. Mit einem zufriedenen Zischen breitete sich Salazars Haustier auf dem Schoß seines Freundes aus.
„Wo die Fronten geklärt sind", sagte Salazar lächelnd, „Was kann ich für dich tun?"
Neville ließ sich ihm gegenüber in einen Stuhl fallen. „Ich habe dich seit Tagen nicht nach dem Abendessen gesehen. Selbst deine Freunde aus Slytherin wussten nicht, wo du bist." Er lächelte. „Ich dachte, ich gehe sicher, dass du nichts ausheckst."
„Ich?", Salazars Mundwinkel zuckten. „Wie kommst du denn auf diesen absurden Gedanken?"
Neville griff in seine Tasche und holte einige geschmierte Brote hervor. „Und dass du etwas isst. Beim Abendessen warst du nämlich auch nicht."
Salazar blinzelte. Hatte er das wirklich verpasst?
Während er dankbar in ein Brot biss, glitt Nevilles neugieriger Blick über das Denkarium und die Schülerakte. „Woran arbeitest du?"
Salazar zögerte. Das hier war Godric, sein Freund. Er gehörte zu dem wenigen Menschen, die seinen Plan verstehen, die ihm sogar helfen könnten.
Wenn er sich nur erinnern würde.
Zur Zeit war er ein elfjähriger Schüler. Es wäre nicht richtig, ihn einzuweihen. Nicht mehr, als er es schon getan hatte.
Neville bemerkte sein Zögern. Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. „Es geht also um Voldemort", stellte er fest. „Deswegen weißt du nicht, was du mir erzählen kannst."
Ertappt hob Salazar die Schultern. „Neville ich..."
„Entschuldige dich nicht dafür, dass ich in deinen Augen ein Kind bin", unterbrach ihn Neville sanft. „Natürlich bin ich das. Und du kannst das nicht einfach ignorieren. Das verlange ich auch gar nicht...Es ist nur... damals hatten du und Godric nicht viele Geheimnisse voreinander, oder?" Neville klang nicht wütend. Aber da war eine Wehmut in seiner Stimme, die Salazar noch viel mehr verletzte.
„Er war mein engster Vertrauter", erwiderte Salazar sanft.
Neville nickte ernst. „Das muss der Grund sein, warum es sich so falsch anfühlt."
Smaragd gab auf Nevilles Schoß ein beleidigtes Zischen von sich.
Er schmunzelte. „Meine Beziehung zu dir ist natürlich ganz und gar einzigartig, meine Teure."
Haselnussbraune Augen blickten ihn forschend an, so wie Godric es viele Male getan hatte. Salazar fragte sich, was sein Bruder in solchen Momenten wahrnahm. Den erschöpften Zug um seine Augen? Dass er lange nicht mehr Draußen gewesen war? Dass dieses Abendessen nicht das Erste war, das er verpasst hatte? Irgendetwas davon musste es gewesen sein, denn in Nevilles Augen trat ein entschlossenes Funkeln. „Bitte erzähle mir, was dich beschäftigt. Ich sage, wenn es mir zu viel wird, versprochen."
Salazar zögerte. Er konnte Neville nicht wirklich in seinen Krieg gegen Voldemort einbeziehen. Aber um nichts in der Welt würde er den kleinen Gryffindor anlügen. Das hatte er nicht verdient.
Als das Schweigen anhielt, erhob sich Neville mit einem gezwungenen Lächeln. „In Ordnung. Dann lasse ich dich wohl einfach weiter arbeiten, oder?"
Wie ein Blitz schoss Smaragd von Nevilles Händen und schubste das Denkarium in Nevilles Richtung. Der überraschte Junge fing das Gefäß, bevor es über die Tischplatte gleiten konnte. Doch bekam er es nicht richtig zu fassen und griff versehentlich mit einer Hand hinein. Im nächsten Moment war der blondhaarige Gryffindor verschwunden.
Entsetzt blickte Salazar seine Schlange an. „Darin sind Severus Erinnerungen an Voldemort!"
„Ich weiß", bemerkte die Schlange seelenruhig.
„Er foltert und tötet darin Menschen!"
„Eine kleine Schlange ist Beute, noch bevor sie aus ihrem Ei schlüpft. Es ist dumm und gefährlich, diese Tatsache vor ihr zu verschweigen."
„Menschen sind keine Schlangen!"
„Nein, leider nicht. Ihr solltet euch ein Beispiel an uns nehmen!"
Salazar atmete einmal tief ein und aus. „Warum hast du da getan?", fragte er bedeutend ruhiger.
Smaragds Augen blitzten. „Weil ich glaube, dass dich Neville überraschen wird."
Salazar konnte sich nicht länger konzentrieren. Unruhig lief er auf und ab, während er auf die Rückkehr seines Freundes wartete.
Endlich war es soweit und Neville tauchte aus den silbernen Schlieren des Glases empor.
Eilig war Salazar an seiner Seite. „Neville! Bei Dagda! Wie geht es dir?"
Der Erstklässler holte einmal tief und zittrig Luft. Dann schlich sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht. „Erinnerungen an Voldemort? Das kam unerwartet."
Salazar nickte, während er die Züge seines Bruders wachsam studierte. Aber Neville wirkte nicht im geringsten, als stände er einem Zusammenbruch nahe. Er wirkte...nachdenklich. Als würde er die Bilder, die er gesehen hatte, verarbeiten. Die Erinnerungen hatten ihn weder in Schock versetzt, noch aus dem Gleichgewicht gebracht.
„Severus Snape war so freundlich, sie mir zu Verfügung zu stellen", antwortete er schließlich vorsichtig.
„Du studierst Voldemort? Warum?"
Ruhig setzte sich der kleine Gryffindor zurück an den Tisch und blickte Salazar erwartungsvoll an.
Der Blick, den ihn Neville zuwarf, erinnerte ihn so sehr an Godric, dass er automatisch antwortete. „Meine bisherigen Pläne zielten darauf, ihm seine weniger treuen Todesser abspenstig machen, indem ich ihnen elegantere Alternativen aufzeige. Was seine fanatischeren Anhänger betrifft, habe ich vor, ihnen in der Gestalt ihres Lords eine Falle zu stellen und sie so nach Askaban zu befördern."
„Das heißt du musst Voldemort so überzeugend darstellen, dass du jeden seiner Anhänger überzeugst. Traust du dir das zu?"
Salazar schwieg lange. „Ich habe noch nie jemanden dargestellt, der so wenig Menschliches an sich hatte", gab er leise zu.
Neville lächelte ihm zu. „Dann übe doch in Askaban. Dort sitzen immerhin seine treuesten Todesser. Wenn du Bellatrix oder Rudolfus überzeugen kannst, dann schaffst du es bei jedem. Und wenn es nicht klappt, kann nichts passieren. Immerhin können sie Askaban nicht verlassen."
Salazar blickte nachdenklich. „Nach Askaban..."
„Wolltest du nicht ohnehin deinen Paten besuchen?"
Langsam breitete sich ein Lächeln auf Salazars Gesicht aus. „Das ist eine hervorragende Idee." Er erhob sich.
Der Gryffindor blickte ihn überrascht an. „Wo willst du hin?"
Müde fuhr sich Salazar über die Augen. „Ich habe es heute noch nicht geschafft nach den Schutzzaubern zu sehen. Außerdem muss ich nach St. Mungo's.
Neville verschränkte er die Arme. „Ich glaube nicht."
Salazar blinzelte.
„Wie lange willst du das noch durchhalten? Du siehst schon jetzt wieder fast so schlecht aus wie vor den Ferien. Ich bin mir sicher, deine Pläne werden nicht daran scheitern, wenn du St. Mungo nur noch ein- oder zweimal die Woche besuchst."
Salazar öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Neville kam ihm zuvor. „Und wenn du jetzt sagst, dass du dich immer noch um die Schutzzauber kümmern musst, dann spreche dich mit Ragnuk ab. Immerhin ist er eingeweiht und in den Zaubern ist Koboldmagie enthalten. Ihr könnt euch abwechseln."
Salazar starrte ihn an.
„Was?", fragte Neville.
Der Gründer Slytherins spürte Tränen in seinen Augen und blinzelte sie fort. „Danke."
Neville lachte leise. „Immer. Das solltest du wissen, Harry." Er lächelte ihm zu. „Dann lasse ich dich jetzt mit deinen Plänen allein. Sieh nur zu, dass du einmal pünktlich ins Bett kommst." Er warf ihm einen warmen Blick zu. „Wenn etwas ist, du weißt, wo du mich findest." Er verließ den Raum und schloss die Tür leise hinter sich.
Salazar starrte ihm nach. Wenn etwas ist, du weißt, wo du mich findest. Wenn er darüber nachdachte, erwähnte Neville die Worte ihm gegenüber nicht zum ersten Mal. Damals hatte er den Zusammenhang nicht gesehen, doch jetzt tat er es. Neville hatte ihm gesagt, dass er niemals Godric sein konnte, nicht sein wollte und Salazar hatte ihm geglaubt und es akzeptiert. Niemals hätte er seinem Bruder seine Kindheit geraubt. Aber das hier...
Fragend wandte sich Salazar an Smaragd. „Woher wusstest du, dass er viel mehr von Godric hat, als ich dachte?"
Die Schlange zischte abfällig. „Weil ich mit ihm geredet habe, du Idiot."
„Er ist kein Parselmund. Ihr könnt nicht miteinander reden..."
„Mehr, als du mit ihm geredet hast, haben wir ohne Schwierigkeiten hinbekommen."
„Du bringst mich in Verlegenheit, meine Teure."
Zufrieden rollte sich die Schlange zusammen. „Und das ist auch richtig so."
Salazar lächelte in sich hinein. Er hatte ganz vergessen, wie gut es tat, sich mit seinem Bruder auszutauschen.
XXX
„Du wolltest mich sprechen, Harry?" Dumbledore lehnte sich über seinen Schreibtisch näher zu dem Jungen heran. Seine blaue Augen funkelten neugierig. „Ja, Sir", antwortete Salazar und nahm auf die Einladung des Schulleiters hin ihm gegenüber Platz. Neugierig strich sein Blick über die Bücher, die sich auf dem Tisch befanden. Dumbledore hatte einige Bögen Pergament darüber gelegt, doch der Gründer Slytherins erkannte die Bücher aus seiner Sammlung. Er lächelte in sich hinein. Er erwartete nicht, dass der Schulleiter allzu bald über seinen Schatten springen würde. Manche Ängste saßen dafür zu tief. Aber ein Anfang war gemacht.
Er riss sich von den Büchern los und blickte dem Schulleiter in die Augen. „Ich wollte Sie fragen, ob es möglich wäre, meinen Paten zu besuchen."
Ein Schatten glitt über Dumbledores Gesichtszüge. „Ich weiß nicht, ob es dir bewusst ist, aber Sirius sitzt in Askaban", meinte der Schulleiter traurig.
„Ich weiß", sagte Salazar. „Ich kenne die Geschichte. Ich hörte, wie Black meine Eltern verriet, wie er Pettigrew und eine ganze Straße voller Nichtzauberer umbrachte. Aber ich hörte auch, dass er und mein Vater wie Brüder waren. Wie wird so jemand zum Verräter?"
„Ich habe es selbst nie verstanden", sagte der Schulleiter wehmütig. „Ich habe Sirius sehr gemocht, Harry. Niemals hätte ich ihm so ein Verbrechen zugetraut. Aber er war der Geheimniswahrer deiner Eltern. Das weiß ich, weil ich mich selbst anbot, es zu tun. Lily und James haben mir damals selbst gesagt, dass Sirius diese Aufgabe übernehmen würde. Und es gab Augenzeugen dafür, wie er Peter und viele weitere unschuldige Menschen umbrachte."
„Was ist, wenn sie es sich im letzten Moment anders überlegten? Wenn sie jemand anderen wählten?"
Dumbledore wirkte so alt wie jedes seiner Jahre. „Dann bleibt immer noch der Vorfall mit dem armen Peter. Ich verstehe, dass du dir wünscht, er wäre unschuldig. Ich wünsche es mir ebenfalls. Aber manche Dinge sind nicht so, wie wir es uns erhoffen. Es tut mir leid, Harry."
Salazar erwiderte den Blick des Schulleiters. „Aber sollte nicht auch ein Mann wie er das Recht haben, gehört zu werden? Selbst, wenn er schuldig sein sollte? Ich habe einen Paten und ich habe ihn noch nie gesehen, Sir. Es mag sein, dass ich enttäuscht sein werde. Aber ich möchte den Mann hinter dem Gerede sehen."
Der Schulleiter nickte langsam. „Das ist eine sehr reife Entscheidung von dir, Harry. Wenn du möchtest, schicke ich für dich eine Eule nach Askaban. Es wird dir bestimmt ermöglicht werden, deinen Paten zu sehen. Aber erwarte nicht zu viel, mein Junge."
Salazar nickte ihm zu. „Das werde ich nicht. Danke, Professor."
Eine Weile blickten sich die beiden schweigend an.
„Darf ich sie etwas fragen, Sir?", fragte Salazar nach einer Weile.
Als Dumbledore aufmunternd nickte, fuhr er fort. „Warum haben Sie mir einen Tarnnumhang geschenkt?"
Amüsiert strich der Schulleiter über seinen langen, weißen Bart. „Ah, du hast also herausgefunden, dass ich dahinter stecke. Um auf deine Frage zu antworten, nun, der wichtigste Grund ist, dass er niemals mir gehörte. Ich habe ihn von deinem Vater nur geborgt und es ist nur richtig, dass du ihn zurück erhältst." Er blickte Salazar in die Augen. „Ansonsten bin ich der Überzeugung, dass derjenige, der Vertrauen bekommen möchte, es erst einmal verschenken muss."
„Sir..."
Dumbledore hob eine Hand. „Ich werde nichts von dir fordern, was du nicht bereit bist, mir mitzuteilen." Seine Augen funkelten vergnügt. „Ich gehe davon aus, dass Severus es aus eigener Kraft herausgefunden hat?"
Salazar schmunzelte. „Professor Snape habe ich erheblich mehr Hinweise zugespielt als Ihnen."
Dumbledore tippte sich an die Stirn. „Nun, aber ich habe den entscheidenden Vorteil, das ich nun mal ich bin." Er zwinkerte Salazar zu, dann wurde seine Miene ernst. „Außerdem weiß ich, dass es die Taten sind, die entscheiden, wer man ist. Und was ich bisher von deinen Taten gesehen habe, ist ziemlich überzeugend, Harry."
Einen Augenblick war Salazar sprachlos. „Danke, Sir."
Er konnte nur hoffen, dass Dumbledore noch immer dieser Meinung sein würde, wenn er es tatsächlich erfahren hatte.
Noch hatte er Zeit. Noch konnte er warten, bis Dumbledore seine Angst vor der dunklen Magie überwunden hatte. Wenn der Schulleiter bereit war, den Inhalt seines Arbeitszimmers zu veröffentlichen, wusste er, dass die Zeit für ein Gespräch gekommen war.
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Harry Potter und die Rückkehr des Schlangenlords
FanfictionABGESCHLOSSEN In dem Moment, als der Todesfluch die Stirn von Harry Potter traf und eine Narbe in die Stirn des Kleinkindes ritzte, geschah noch etwas anderes. In jenem Moment, als die Grenze zwischen Leben und Tod verwischte und die Zeit keinen Nam...