Ein Anschlag auf St. Mungo

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itternd brach Quirrel auf einem Stuhl in seinem Büro zusammen. Soeben hatte der Tagesprophet einen neuen Artikel über den Nachtheiler von St. Mungo gebracht. Die Zeitung lobte das Geschick des Mannes, der im Laufe der letzten Monate dutzende von Patienten geheilt und den Auroren stets entwischt war. Schon lange war dieser Mann seinem Meister ein Dorn im Auge. Durch den Nachtheiler war die Legalisierung von dunkler Magie in greifbare Nähe gerückt. Jeden Tag wurden Verhandlungen über die Gleichstellung magischer Wesen im Ministerium geführt. Und Quirrel hat wirklich Angst, dass die Grenze dessen, was der Dunkle Lord zu dulden bereit war, an diesem Abend erreicht war. Dann ertönte die helle, klare Stimme seines Herrn und der Zauberer schloss ergeben die Augen.
„Der Nachtheiler von St. Mungo gewinnt, wie mir scheint, immer mehr Ansehen in der Bevölkerung", sagte der Dunkle Lord bedächtig. „Langsam wird dieser Heiler wirklich lästig. Die dunkle Magie darf nicht legalisiert werden.“
„Wie meint Ihr das, mein Lord?“, fragte Quirinius, auch wenn ein Teil von ihm es bereits ahnte. „Aber Ihr selbst kämpft doch dafür, dass-“
„Ich habe dieses Ziel nicht verfolgt, damit es ein Anderer für mich erfüllt“, sagte der Dunkle Lord beinahe sanft. „Dieser Nachtheiler muss sterben. Und ich denke, es wäre eine Warnung angebracht, wozu dunkle Magie in Wahrheit fähig ist.“
Quirrel wusste, was das bedeutete. Er war nicht umsonst ein Ravenclaw gewesen. Viele Anhänger des Dunklen Lords waren ihm nur gefolgt, weil er eine Legalisierung der dunklen Kunst versprochen hatte. Wenn dieses Ziel bereits verwirklicht war, wer würde dem Dunklen Lord noch folgen? Doch auch diese Gedanken sprach er nicht aus. Er wusste nicht ,was sonst mit ihm geschehen würde.
„Ihr wollt einen Angriff planen? Wo, Herr?“
Ein grausames Lächeln war in Voldemorts Stimme zu vernehmen. „Ich denke, ein...Besuch in St. Mungo wäre angebracht. Wer weiß? Vielleicht begegnen wir ja sogar diesem Nachtheiler?“
Quirrel schluckte. Ihm wurde schon bei dem Gedanken übel, Kranke und Wehrlose anzugreifen. Doch wie immer, wenn er solche Gedanken hegte, nahm ihm sein Herr die Zweifel und sein Kopf klärte sich. „Du wirst nicht alleine gehen, Quirinius“, flüsterte der Dunkle Lord verheißungsvoll. „Als mein derzeitiger Wirt bist du von großem Wert für mich. Doch ich bin mir sicher, Fenrir Greyback und seinen Werwölfen dürstet es nach einem Fest wie in alten Tagen.“
Quirrels Herz klopfte zum zerspringen. Werwölfe in einem Krankenhaus...doch erneut spürte er die Kraft seines Meisters und er entspannte sich.

Ein Anschlag also auf St. Mungo? Nun, er würde tun, was auch immer sein Herr verlangte.

XXX

Remus Lupin saß an einem flackerndem Feuer und beobachtete, wie ein Rehbraten über dem Feuer schmorte. Um ihn her saßen weitere verhärmte und verdreckte Menschen. Männer, Frauen, Kinder, die nichts gemein hatten außer dem schrecklichen Fluch, der sie in den Vollmondnächten heimsuchte. Das Feuer erleuchtete ihre Hütten und Zelte, die mit Farn und Blättern abgedeckt waren. Abendlicht kämpfte sich durch das Blätterdach des Waldes und malte letzte Funken aus Gold auf hungrige Gesichter.
Remus fühlte sich nicht wohl in dieser Gesellschaft. Die Menschen hier hatten es aufgegeben, unter den Hexen und Zauberern zu leben. Die magische Welt war ihnen so fern geworden, dass sie noch nichts von den Diskussionen im Ministerium mitbekommen hatten. Und als Remus ihnen davon erzählt hatte, hatten sie ihm nicht geglaubt. Sie waren müde geworden, den Regeln einer Gesellschaft zu folgen, die ihre Existenz mit Füßen trat. Sie hatten den Glauben verloren und ihre Hoffnung begraben. Ein kleiner, verbitterter Teil von Remus konnte das verstehen.
Auch er wünschte sich Arbeit, eine Familie und Anerkennung dafür, was und wer er war, wenn der Mond ihn nicht in ein Monster verwandelte.
Doch noch mehr erhoffte er sich ein Leben, ohne die ständige Angst andere zu verletzen.
Und diese Angst teilte seine Umgebung nicht. Ihre Bitterkeit war längst in Hass umgeschlagen. Längst sahen sie keinen Grund mehr, die Menschen zu verschonen, die ihnen selbst nur mit Angst und Misstrauen begegneten. Dieses Rudel ging nicht explizit auf Menschenjagd. Doch niemand wurde verschont, der bei Vollmond ihr Revier betrat. Im ersten Krieg hatten die Werwölfe dieses Rudels für Du-weißt-schon-wen gekämpft. Danach war es ruhig um sie geworden. Dumbledore hatte Remus darüber informiert, dass Du-weißt-schon-wer die Hände nach alten Verbündeten ausstreckte. Es musste einen Grund geben, warum Lucius Malfoy Einhornblut in der Winkelgasse gekauft hatte. Halloween war er in Hogwarts gewesen, um mithilfe des Basilisken die Große Halle anzugreifen. Der Gedanke, dass er mit den Werwölfen in Kontakt treten würde, war naheliegend. Also hatte Albus Remus gebeten, sich in das Rudel zu integrieren und die Augen offen zu halten.
Er seufzte lautlos. Es war ja nicht so, als hätte er etwas Besseres vorgehabt. Auch er hatte weder Arbeit noch sonstige Verpflichtungen. Sein Zustand ließ das einfach nicht zu.
Das Reh wurde für fertig erklärt und gemäß der Rangfolge bedienten sich die Rudelmitglieder an dem Fleisch. Remus wartete höflich, bis er an der Reihe war. Das Rudel hatte ihn anstandslos aufgenommen. Werwölfe hielten zueinander, wenn ihnen sonst niemand half. Doch er wusste, dass er sich ihnen noch beweisen musste. In der Rangfolge überholte er gerade knapp die Welpen. Nicht, dass ihm solche Dinge etwas bedeuteten.

Harry Potter und die Rückkehr des SchlangenlordsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt