irius musste die Augen schließen, als goldenes Licht die Kammer erfüllte. Er begriff gar nichts mehr! Wie konnte ein kleiner Junge ein so komplexes Ritual durchführen? Was machten die Geister hier? Und wo, bei Merlin war verdammt nochmal Dumbledore, wenn man ihn brauchte!?
Das Schlimmste war, Snape schien ganz genau zu wissen, was hier ablief! Selbst die Erstklässler schienen mehr zu wissen als er. Wurde die Bekämpfung von Voldemort jetzt von Elfjährigen durchgeführt, oder was?
Vielleicht hatte ihm Askaban doch übler mitgespielt, als er dachte. Vielleicht begann er jetzt zu halluzinieren? Das würde zumindest mehr erklären, als das, was sich gerade vor seinen Augen abspielte.
Das goldene Licht war jetzt so allgegenwärtig, das alle Schatten weichen mussten. Die Horkruxe im Kreis brannten in goldenen Flammen. Merlin! Dieser Erstklässler vollführte nicht nur ein vergessenes Ritual, es gelang ihm auch noch!
Naja, oder zumindest nahm Sirius das an, bis der blondhaarige Junge am Rande des Kreises zusammenbrach. Die Geister, die ihn gerade noch umgeben hatten, waren hingegen verschwunden. Sofort waren die Kinder bei ihm, redeten auf ihn ein und versuchten ihn zu wecken. Das Mädchen hatte Tränen in den Augen. Snape zog seinen Umhang aus und reichte ihr das Kleidungsstück, sodass sie es unter den Kopf des Jungen legen konnte. So viel Zuwendung hatte Sirius von seiner Nemesis noch nie erlebt. Nemesis? Passte das Wort überhaupt noch? Darüber musste er sich in einer ruhigen Minute einmal ausgiebig Gedanken machen.
Die Horkruxe im Kreis hatten aufgehört zu brennen. Stattdessen glänzten sie, als wären sie frisch poliert. Die Dunkelheit, die ihnen gerade noch angehaftet hatte, war nicht mehr zu spüren.
Erst jetzt bemerkte Sirius, dass der Kobold neben ihn getreten war. Das Geschöpf hatte die Hände hinter dem Rücken gefaltet und beobachtete das Treiben um den jungen Gryffindor mit aufmerksamen Augen. "Ich verstehe, dass die Situation sehr aufwühlend für Sie sein muss, Mr. Black."
Sirius gab ein beinah hysterisches Lachen von sich. Das war die Untertreibung des Jahrhunderts! „Was, bei Merlin und Salazar ist hier gerade passiert?", brach es aus ihm heraus.
Der Kobold blickte ihn aus dunklen Augen an. "Dieser Junge dort ist die Wiedergeburt von Godric Gryffindor."
„Was?" Sirius glaubte, er hatte sich verhört.
Zumindest schien der platinblonde Erstklässler genauso verwirrt wie er. Mit gerunzelter Stirn blickte er von seinem Platz an der Seite des Gryffindors auf. „Godric Gryffindor!? Das hat Lord Slytherin nie erwähnt!"
Gut, vielleicht auch nicht. Der Erstklässler war genauso verrückt wie alle anderen.
„Lord Slytherin?", fragte Sirius nach. „Wie in Salazar Slytherin? Wovon zur Hölle redet ihr?"
„Es war nie Dumbledore, der nach den Horkruxen suchte", sagte Snape. „Das waren Sir Gryffindor und Lord Slytherin."
„Du willst mich verschaukeln!"
„Das ist deine Aufgabe, Sirius, nicht die meine."
„Ich soll dir ernsthaft glauben, dass die Gründer wieder quicklebendig in Hogwarts ein und ausgehen?!"
„Nicht alle Gründer, Mr. Black", erklärte das Gryffindor-Mädchen. „Nur Sir Gryffindor und Lord Slytherin."
Der rothaarige Junge neben ihr nickte gewichtig. „Hufflepuff und Ravenclaw sind uns im Traum erschienen."
Das wurde ja immer verrückter.
Der platinblonde Erstklässler blickte arrogant lächelnd von einem zum anderen. „Das muss man erst mal verdauen, nicht wahr? Das Harry Potter die Wiedergeburt von Salazar Slytherin ist?"
Sirius starrte den Jungen an. „Du machst Witze!"
Der Slytherin hob eine Augenbraue. „Sehe ich so aus?"
„Denk einmal in deinem Leben nach, Sirius", sagte Snape ungeduldig. „Es ist nicht möglich, dass ein einfacher Erstklässler ein solches Ritual vollführt. Und was Harry angeht...hat er auf dich wirklich gewirkt wie ein gewöhnlicher, elfjähriger Junge?"
„Er hat beinah geheult, als ich sein Haus nicht anerkannt habe!", brach es aus Sirius hervor. Und natürlich ist er nicht gewöhnlich! Er ist James Sohn!"
Snape rollte mit den Augen.
In dem Moment begann sich der dunkelblonde Gryffindor zu bewegen. Braune Augen öffneten sich zögernd und blickten von einem zum anderen.
Hermine umarmte ihn erleichtert, während Ron glücklich seine Schulter tätschelte. "Willkommen zurück unter den Lebenden, Kumpel."
„Wie fühlen Sie sich, Sir?", fragte Snape.
Der Junge lächelte. „Ging schon mal besser. Aber in Anbetracht der Umstände..."
„Was ist mit dem dunklen Lord?", fragte Ragnuk. „Kämpft er noch immer gegen Lord Slytherin?"
„Was?!", rief Sirius. „Ihr...ihr lasst Harry gegen diesen Wahnsinnigen kämpfen!? Ihr...ihr seid alle verrückt! Wo ist mein Patenkind!?"
„Im dritten Stock", antwortete der kleine Gryffindor ruhig. Sein Blick wirkte abwesend, als würde er auf etwas lauschen. Dann erschien ein Lächeln auf seinem rundlichen Gesicht. „Sie sollten ihn gerade nicht stören, Mr. Black. Er macht verlorene Zeit mit seinem Sohn wett."
„Es hat funktioniert?", fragte Snape ungläubig.
Die Stimme des Jungen war warm vor Freude. „Besser als wir alle dachten", flüsterte er.
Die Augen des Kobolds begannen zu funkeln, während die Kinder in Jubelschreie ausbrachen.
Sirius war das alles zu viel. Er war umgeben von Verrückten. Severus war endgültig durchgedreht! Und irgendwie hatte er Harry, die Kinder und diesen Kobold in die Sache mit hineingezogen! Eine andere Erklärung gab es nicht! Entschieden wandte er sich um und rannte aus der Kammer.
XXX
„Vater?"
Salazar konnte es kaum glauben, als er die heisere Stimme hörte. Voldemorts Augen waren nicht mehr rot. Hass und Mordlust waren aus ihnen verschwunden. Was er stattdessen darin sah, waren die Schatten unzähliger Erinnerungen.
„Savertin?", flüsterte er.
Er sah Erkennen in den dunklen Augen und sein Herz setzte einen Schlag aus. Mit der Läuterung seiner Horkruxe hatte auch sein Sohn für einen Moment in die Anderswelt geblickt. Und wie bei Salazar selbst, hatte es ausgereicht.
„Was ist passiert?", fragte der einstige dunkle Lord.
Salazar hob den Kopf des Mannes, bettete ihn auf seinen Schoß. „Woran erinnerst du dich?"
Dunkle Augen blickten gepeinigt in die Seinen. „Ich habe dich angegriffen. Ich habe versucht, dich zu töten..."
Salazar strich dem scheinbar älteren Mann durch das schwarze Haar. „Godric hat deine Horkruxe geläutert. Es geschah, was wir nicht zu hoffen gewagt hatten. Sie verbanden sich erneut mit deiner Seele und du bliebst dabei am Leben."
Der schwarzhaarige Zauberer schloss für einen Moment die Augen. „Da sind weitere Erinnerungen. Du bist auf dem Schlachtfeld gestorben. Ich habe versucht, dich zu rächen..."
„Sanguil hat mir davon erzählt", sagte Salazar traurig, während er fortfuhr, über die Haare seines einstiges Sohnes zu streichen. „Das hätte ich nie gewollt, Savertin."
Dunkle Augen wichen den Seinen aus. "Wenn ich gewusst hätte, dass der Hass auf Muggel, der mich nach deinem Tod überkam...den ich in diesem Leben nährte...dazu führen würde, dass ich eines Tages beabsichtigen würde, dich zu töten...niemals hätte ich..."
„Ich weiß", antwortete Salazar sacht. „Doch niemand kennt die Zukunft. Selbst die Seher wissen nicht alles. Alles was wir haben, sind unsere eigenen Taten und Entscheidungen."
Der einstige dunkle Lord senkte den Blick.
Sie schwiegen eine Weile, beobachten still, wie sich der Staub, den ihr Kampf aufgewirbelt hatte, langsam zu Boden senkte.
„Was wird jetzt mit mir passieren?", fragte Savertin irgendwann.
Salazars Stimme war sanft „Was denkst du?"
„Ich habe genug Schuld auf mich geladen, um den Kuss der Dementoren zu verdienen", flüsterte Savertin. „In nicht nur einem Leben, sondern in zwei."
„Ein Großteil der magischen Welt hält Voldemort für tot", flüsterte Salazar. „Es muss nicht so kommen, Savertin."
Dunkle Augen blickten ihn fragend an. „Du willst, dass ich ungestraft davon komme?"
„Ich will nicht, dass du dein Leben verlierst", korrigierte Salazar. „Du kannst es nutzen, um die Wunden zu heilen, die du geschlagen hast."
„Wie?", flüsterte Savertin. Seine Stimme klang bitter.
„Darüber machen wir uns Gedanken, wenn du dich erholt hast", sagte Salazar lächelnd. „Fürs Erste bin ich froh, dich bei mir zu wissen."
Fragend blickte Savertin zu ihm hoch. „Wie kannst du mir so einfach verzeihen?", flüsterte er.
„Du bist mein Sohn", antwortete Salazar schlicht. „Ich werde dich antreiben und dir keine Ruhe lassen, bis du ein Leben führst, dass die Fehler der Vergangenheit korrigiert, dort, wo es möglich ist. Aber nicht heute. Heute bin ich nur froh, dich wieder zu haben."
Savertin rutschte von seinem Schoß herunter und brachte sich unter sichtlicher Anstrengung in eine kniende Position.
„Nicht, du bist zu schwach", sagte Salazar sanft. Er sprang auf, bereit seinen Sohn zu stützen. Savertin umfasste die Hand seines Vaters und küsste die Stelle, an der er einst den Ring der Familie Slytherin getragen hatte.
„Danke, Vater", flüsterte Savertin. „Für Alles."
Das war der Moment, in dem Sirius die Tür öffnete. Was er sah, ließ ihn im Türrahmen erstarren. Ein schwarzhaariger Mann beugte sich vor, um Harry die Ringhand zu küssen. Die ganze Geste war voller Ehrfurcht und Dankbarkeit. Sein Patenkind stand in einer aufrechten Eleganz, die Sirius nie zuvor an ihm bemerkt hatte. Eine Hand stützte den Fremden, während die Augen voll Wärme auf dessen Gesicht ruhten.
Sirius musste sich im Türrahmen festhalten. Denn der Junge vor ihm glich nur äußerlich einem Elfjährigen. „Harry?", fragte er unsicher.
„Sirius", grüßte James Sohn und half dem Unbekannten dabei, sich aufzurichten.
Dann fiel Sirius wieder ein, weswegen er sich solche Sorgen gemacht hatte. Gehetzt blickte er sich im Raum um. „Wo ist Du-weißt-schon-wer?"
„Endgültig besiegt", antwortete Harry sacht und warf dem Zauberer an seiner Seite einen Blick zu. Dieser nickte kaum merklich.
„Wer ist das?", fragte Sirius noch immer unsicher und deutete auf den Fremden.
Der Zauberer neigte den Kopf. „Mein Name ist Savertin Slytherin."
Harry fing seinen Blick auf. Glück und Erleichterung leuchteten in seinen Augen. „Er ist mein Sohn."
Hilflos blickte Sirius zwischen dem Jungen und dem Mann hin und her.
Savertin Slytherin.
Er ist mein Sohn.
Bedeutete das etwa ...?
Erst jetzt fiel Sirius auf, dass der ältere Zauberer sehr mitgenommen wirkte. Schwer stützte er sich auf Harrys Schulter, als sich die beiden auf dem Weg zur Tür begaben.
Unwillkürlich trat Sirius zur Seite und ließ Harry und den Fremden passieren. In diesem Moment kam er sich seltsam verloren vor. Dann drehte sich Harry zu ihm um und lächelte. „Kommst du mit, Sirius?"
Die Frage war freundlich gestellt. Und doch lag eine natürliche Autorität in den Worten, die dafür sorgte, dass sich seine Füße wie von selbst bewegten.
Zahllose Schritte nahten heran. Die Erstklässler, Severus und der Kobold bildeten eine Gasse, sodass Harry mit Savertin durch den Korridor treten konnte.
„Ist er das?", fragte der blonde Slytherin nervös. „Ist das der Dunkle Lord?"
Snape legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter, aber Sirius notierte, dass er die Frage nicht beantwortete.
Der Dunkle Lord? Sirius erstarrte. Seine Augen verengten sich.
Der rothaarige Junge hatte die Augen weit aufgerissen, während das Mädchen eine Hand vor den Mund geschlagen hatte.
Die dunklen Augen des Fremden glitten über die Versammelten, verharrten kurz auf Snape, bevor sie sich auf den blonden Slytherin fixierten. „Du bist Draco, Lucius Sohn, nicht wahr?"
Der Erstklässler starrte ihn aus geweiteten grauen Augen an. Unter sichtlicher Mühe beugte er sich zu ihm herab. „Du kannst deinem Vater ausrichten, dass Voldemort niemals zurückkehren wird."
„Du glaubst nicht, wie sehr mich das freut", sagte eine weitere Stimme. Der blondhaarige Gryffindor eilte auf sie zu und fasste den scheinbar älteren Zauberer an den Händen. „Willkommen zurück, Savertin", flüsterte er mit erstickter Stimme.
Die Stirn des scheinbar älteren Zauberers legte sich in überraschte Falten. „Onkel Godric?"
Der kleine Gryffindor nickte.
Der ältere Zauberer machte erneut Anstalten, auf die Knie zu sinken, wurde aber von dem Jungen davon abgehalten, indem er ihn stattdessen in eine feste Umarmung zog.
„Wie geht es dir?", fragte er, als sie sich schließlich lösten.
Ein bitterer Zug erschien um Savertins Lippen „Besser als ich es verdiene."
„Noch", stellte Harry unheilverkündend fest. Und Sirius kam nicht umhin zu bemerken, dass der scheinbar ältere Zauberer bei diesen Worten schauderte.
Dann begegneten sich die Blicke der beiden Jungen. „ Ich danke dir für deine Hilfe, Bruder", sagte Harry. Die Verbundenheit eines ganzen Lebens sprach aus den wenigen Worten.
Lächelnd schüttelte der Gryffindor den Kopf und warf Savertin einen warmen Blick zu. „Du weißt, dass er mir fast ebenso ein Sohn war wie dir, Salazar. Und ohne die, die jetzt um uns stehen, hätte ich es nie geschafft."
Salazar
Snape fing Sirius Blick auf. Sirius wusste genau, was ihm die schwarzen Augen sagen wollten. „Habe ich es dir nicht gesagt?" Sirius schaute betont nicht mehr in seine Richtung.
Harry hatte sich den Versammelten zugewandt und blickte jedem von ihnen nacheinander in die Augen. „Dann danke ich euch allen", sagte er er ernst.
Das Gryffindor-Mädchen schniefte, während sich der rothaarige Junge neben ihr ein wenig aufrichtete. Auf die Lippen des Kobolds schlich sich ein leises Lächeln.
„Wie ist die Lage?", fragte Harry den Gryffindor.
Der blondhaarige Junge lächelte. „Keine Toten und kaum schwerere Verletzungen. Ich habe alle in der Großen Halle zusammen gerufen, damit ich mir einen Überblick verschaffen kann.
Suchend blickte sich Harry um. „Wo sind Sanguil und Helena? ... Sind sie auch schon in der Großen Halle?"
Könnte ein Mensch gleichzeitig glücklich und traurig aussehen? Der kleine Gryffindor schaffte es irgendwie. „Ich hatte nicht genug Magie, um das Ritual zu Ende zu führen. Sanguil und Helena haben ihre Existenz in dieser Welt geopfert. Sie haben ihren Frieden gefunden." Er schluckte. „Sanguil bat mich, dir das zu sagen."
Für einen Moment schloss Harry die Augen. „Ich verstehe."
Savertin zuckte bei den Worten zusammen und vergrub das Gesicht in den Händen.
"Sanguil? Helena?", fragte der rothaarige Junge unbeholfen. "Äh ... wer ist das?" Im stillen war Sirius ihm dankbar, dass er ihm die Frage abnahm.
Harry holte tief Luft. "Er ist ... war... mein Sohn. Und sie ... meine Nichte."
Das Gryffindor-Mädchen stürmte vor und schloss Harry in eine Umarmung. „Oh, das tut mir so leid, Harry."
Er nickte ihr zu. „Danke, Hermine. Aber...es ist gut so. Sie haben so lange darauf gewartet, endlich Frieden zu finden."
Savertin starrte wortlos ins Nichts. Sirius war sich nicht sicher, ob er Harrys Worte gehört hatte.
Eine kleine Schlange wand sich an Harrys Bein hinauf und zischte dabei vor sich hin. Harry strich ihr über den Kopf und zischte zurück. Er war also ein Parselmund. Wenn es noch irgendeines Beweises bedurft hätte, hier war er.
„Was sagt sie?", fragte der platinblonde Slytherin, von dem Sirius jetzt wusste, dass er ein Malfoy war. Harry - nein, Salazar Slytherin - schmunzelte. „Sie ist giftig. Und sie ist auf einem Basilisken geritten."
„Wow", sagte der rothaarige Junge und die Schlange reckte ihren kleinen Kopf noch ein wenig höher.
Harry wandte sich an Ragnuk. „Meinst du, es würde dir etwas ausmachen, den Stein der Weisen dorthin zurückzubringen, wo er hingehört?"
Die Lippen des Kobolds kräuselten sich zu einem Lächeln. „Ich würde mich geehrt fühlen, einen solchen Schatz in Händen halten zu dürfen, Lord Slytherin."
Harry warf Savertin einen auffordernden Blick zu.
Sirius beobachte mit sichtlichem Erstaunen, wie der einstige Dunkle Lord den Stein der Weisen in die Hände des Kobolds legte. Nicht der Schatten eines Zögerns war dabei auf seinem Gesicht zu sehen. Ragnuk betrachtete den Zauberer vor sich aufmerksam. Dann nickte er langsam. „Ich bin froh, Zeuge dieses Abends und dieses Geheimnisses geworden zu sein", sagte er leise. Dann wandte er sich ab und entschwand lautlos im Dämmerlicht eines Korridors.
Der blondhaarige Gryffindor wandte sich währenddessen an die anderen Erstklässler. „Was meint ihr? Möchtet ihr mich in die Große Halle begleiten?"
Kurzzeitig schienen die Kinder – zumindest hoffte Sirius, dass es sich um echte Kinder handelte – die Feindschaft ihrer Häuser zu vergessen. Denn sie tauschten einen kurzen Blick, um dann gemeinschaftlich zu nicken.
Die kleine Schlange auf Salazars Arm zischte. Mit einem Schmunzeln reichte er das Tier an Godric weiter. "Sie möchte mit dir kommen." Ohne Scheu nahm der Gründer Gryffindors die Schlange entgegen. Dann lächelte er den Verbliebenen zu. „Wir sehen uns später."
Dann waren er, Harry, Savertin und Severus allein. Harry - Der Gründer Slytherins - führte sie zurück in den Raum, den sie soeben verlassen hatten. Doch er hatte sich verändert. Anstatt der von Runen überzogenen Wände, erwartete sie ein Krankenzimmer mit mehreren Türen, die davon abgingen. Es gab mehrere Stühle um das Krankenbett, ein Bücherregal und eine gemütliche Sitzecke um einen Kamin. Harry half Savertin, der sichtlich Mühe hatte, sich aufrecht zu halten, zum Bett hinüber. Kaum hatte er die Matratze berührt, schlossen sich seine Augen. Salazar betrachtete ihn einen Augenblick lächelnd, bevor er sich an Sirius und Severus wandte. Grüne Augen begutachteten sie kritisch.
„Ihr seht erschöpft aus."
„Nichts, was mit etwas Schlaf nicht wieder zu richten wäre", entgegnete Snape neutral.
Grüne Augen verharrten kritisch auf seinem Gesicht und Sirius wurde bewusst, dass Salazar die Lüge durchschaute.
„Was ist passiert?", fragte er und deutete einladend zu der Sitzecke hinüber.
„Der Horkrux hat Ärger gemacht", sagte Sirius schließlich. „Aber es war nicht echt, also werden wir wohl darüber hinweg kommen."
„Was könnte echter sein als als eure eigenen Ängste und Zweifel?", fragte Salazar sanft .
Beide Männer schwiegen.
„Ihr habt heute Nacht nicht nur mein Leben und Savertins Seele gerettet, sondern auch das Schicksal der magischen Welt zum guten gewendet", sagte der Gründer Slytherins ernst. „ Ich bin mir sicher, Lily und James wären stolz auf euch."
Sirius und Severus wollten widersprechen, doch Salazar hob die Hand und die beiden Männer verstummten. Er wandte sich an Sirius. „Dein Plan, Peter zum Geheimniswahrer zu machen und alle Aufmerksamkeit auf dich zu lenken, war selbstlos und gut durchdacht. Du konntest nicht wissen, dass er ein Verräter war. Die Schuld liegt bei ihm, nicht bei dir." Natürlich hatte Sirius auch mit den Heilern von St. Mungo schon darüber geredet. Aber das hier war anders. Die mit ruhiger Entschiedenheit gesprochenen Worte führten dazu, dass sich seine Schultern entkrampften. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er mit Harry über das Thema gesprochen. Aber erst jetzt wurde ihm klar, wie sehr der Mann im Körper eines Jungen ihn schon damals verstanden hatte. Er schluckte geräuschvoll. Salazar wandte sich an Snape „Du hast einen Fehler begangen und geißelst dich seit Jahren dafür. Du hast Lily als jemanden beschrieben, der freundlich und voll Mitgefühl ist. Wenn du in dich gehst, glaubst du nicht, dass sie dir spätestens nach heute Nacht verzeihen würde?"
Ein verbittertes Lächeln huschte über Snapes Gesicht. „Sie? Natürlich hätte sie das. Ich bin es, der sich nicht verzeihen kann."
Salazar betrachtete ihn eingehend. „Glaubst du nicht, dass es, was das angeht, auf ihre Meinung ankommt?"
Snape blickte ihn an. Und dann weiteten sich seine Augen.
Salazar lächelte. „Wir sollten wohl alle etwas schlafen. Ihr werdet, wenn ihr es wünscht, in den angrenzen Räumen Schlafzimmer vorfinden. Aber natürlich steht es euch frei, in eure eigenen Räumlichkeiten zurückzukehren."
„Ich denke, ich bleibe hier", sagte Sirius. Im nächsten Moment fiel ihm auf, dass Snape zeitgleich dasselbe gesagt hatte. Ungläubig blickten sich beide Zauberer an.
Dann erhob sich Snape und schritt auf Salazar zu. Einen Moment rang er mit sich, dann fasste er, beinah unbeholfen, nach der Hand des Zauberers. „Gute Nacht...Vater. Und danke."
Grüne Augen strahlten, als sei ihnen ein unschätzbares Geschenk zuteil geworden.
Und Severus Snape verließ fluchtartig den Raum. Erst nach einer Weile fiel Sirius auf, dass er den Mund wieder zuklappen musste.
Ruhig blickte ihn Salazar an. „Ich nehme an, du hast viele Fragen?"
Sirius sprach das aus, was ihm als erstes in den Sinn kam. „War alles bisher eine Lüge?"
Grüne Augen hielten sie Seinen gefangen. „Ich bin nur äußerlich elf Jahre alt. Alles, was dazu gedient hat, dich und die Welt etwas anderes glauben zu lassen, war eine Lüge."
Sirius wollte sich schon abwenden, als Salazar fortfuhr. „Die Zuneigung zu dir war es nicht. Und ich bin sehr froh, dass ich Pettigrew gefunden und dir so mit Dumbledore ein Verfahren ermöglichen konnte."
Sirius holte Luft. „Deswegen hat er so seltsame Andeutungen in deine Richtungen gemacht."
Salazar nickte. „Ich nehme an, dass er es zu diesem Zeitpunkt bereits ahnte." Wache Augen blickten ihn an. „Eigentlich warte ich noch auf einen Wutanfall. Du warst die ganze Nacht über sehr ruhig. Das sieht dir nicht ähnlich."
„Es ist ein Kranker im Zimmer", antwortete Sirius kurz angebunden. Dann tat er es Snape nach und verließ fluchtartig den Raum, um eines dieser Schlafzimmer zu suchen. Dort lag er mit offenen Augen auf dem Bett und versuchte vergeblich, Klarheit in seine aufgepeitschten Gefühle zu bringen.
Nach einer Weile wurde ihm bewusst, dass er trauerte. Er trauerte um einen Jungen, den es nie gegeben hatte.
Salazar Slytherin war ein beeindruckender Mann. Er besaß eine solche Ausstrahlung, dass Sirius im Gespräch mit ihm immer wieder vergessen hatte, dass er ein Kind vor sich hatte. Salazar Slytherin - Harry - war ein Mann, der seine tiefsten Zweifel erkannt hatte und ihm dabei half, sie zu heilen. Ein Mann, der für ihn, den Rumtreiber und Heimatlosen, Verständnis und Wärme übrig hatte. Eigentlich hätte er voller Dankbarkeit sein sollen, irgendwie war er das auch, aber gleichzeitig war er den Tränen nah. Denn irgendwie fühlte es sich an, als wäre jetzt auch das letzte Stück von James gestorben. Mit einem Mal war es Sirius in dem kleinen Raum zu eng. Leise stand er auf und kehrte in das Krankenzimmer zurück.
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Harry Potter und die Rückkehr des Schlangenlords
FanficABGESCHLOSSEN In dem Moment, als der Todesfluch die Stirn von Harry Potter traf und eine Narbe in die Stirn des Kleinkindes ritzte, geschah noch etwas anderes. In jenem Moment, als die Grenze zwischen Leben und Tod verwischte und die Zeit keinen Nam...