Kapitel 19 [✔️]

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Komischerweise schlief ich mal wieder eine Nacht
durch, wobei man das, was ich von der Nacht hatte, eigentlich nicht mehr als diese bezeichnen konnte. Wenige Sekunden nach meinem Erwachen bemerkte ich Felix im Schlafzimmer. Er war wohl auch gerade erst wach geworden und ins Schlafzimmer gekommen.
"Hi", sagte er und rieb sich müde die Augen.
"Hallo", gähnte ich und gab ihm einen Kuss.
"Oh, ist heute etwas Besonderes?", fragte er sofort überrascht.
"Wieso?", fragte ich ängstlich zögernd.
"Weil du mir nach länger Zeit wieder einen Kuss gegeben hast!" Verwirrt schaute ich ihn an. "Ach egal. Vergiss es", seufzte er. "Ich gehe wieder ins Wohnzimmer", verkündete er und schlurfte los. Ich ging an seinen Schrank, holte ein paar meiner Klamotten heraus und begab mich ins Bad. Dort duschte ich und zog mich an. Kurz nachdem ich fertig war, rief Felix mich mit sehr ernster Stimme: "Jess? Kommst du mal bitte?" Ich eilte zu ihm. An seinem Blick konnte ich erahnen, was los war: er hatte das Video von mir gefunden.
"Ähm...Was ist?", fragte ich und lächelte lieblich. Er schaute mich sehr wütend an, doch ich wusste, dass das nur gespielt war. Er fing sofort an zu lachen, nachdem ich eine Grimasse zog.
"Warum hast du mir nie erzählt, dass du so viel Talent hast?"
"Talent? Wozu?", fragte ich scherzend.
"Videos zu drehen! Du könntest selbst Youtube Videos machen!"
"Ach Felix, hör doch auf. Das war nur so ein komisches Spaß-Video, weil ich nicht schlafen konnte. Außerdem würde mich sowieso niemand abonnieren!"
"Natürlich würde das jemand machen ... Viele meiner Fans", murmelte er. "Und warum konntest du nicht mehr schlafen?"
"Keine Ahnung", entgegnete ich. Ich wollte ihm die Wahrheit nicht sagen.
"Du hast das Video gegen 5 Uhr gedreht und auf meinen Laptop gezogen."
"Kann sein", nuschelte ich und schlich langsam rückwärts wieder aus dem Wohnzimmer, weil ich in die Küche flüchten wollte.
"Jessica", rief er mahnend. "Was hast du da gemacht?"
"Ein Video!"
"Ich meinte vor 5 Uhr!"
"Geschlafen!", verbesserte ich mich.
"Ah ja. Bestimmt", meinte er genervt. Er stand auf und ging an mir vorbei. Wo wollte er denn jetzt hin? Felix lief aus der Wohnung, die Treppen herunter und kam mit einem Umschlag in der Hand wieder zurück. Ich wusste nicht, was das für ein Umschlag war, aber ich hatte Angst, dass ich Felix jetzt schon alles beichten musste.
"Die Wahrheit!", rief er wütend, als er die Wohnungstür zugeschmissen hatte. Was wollte er denn von mir hören? Jetzt wurde er richtig sauer. "JETZT!"
"Das...", stotterte ich, "...ist die Wahrheit!"
"Was ist das für ein Umschlag?", fragte er und wedelte mit dem Umschlag vor meiner Nase herum.
"Ich weiß es nicht verdammt", wurde ich nun auch lauter. Felix war angsteinflößend, wenn er wütend wurde. Ich wusste, dass er mich niemals schlagen würde, aber es trieb mir immer die Tränen in die Augen, wenn er so wütend wurde. "Felix, komm' mal runter, bitte!"
"Ich komm' runter, wenn ich die Wahrheit weiß!"
"Du machst mich ja ganz wuschig!"
"Na gut", seufzte er und ließ sich immer noch wütend aufs Sofa fallen. Dann reichte er mir den Umschlag, da er wohl akzeptiert hatte, dass ich wirklich nicht wusste, was das für ein Umschlag war. Ich öffnete diesen und holte zwei Flugtickets heraus.
"Flugtickets nach Miami", flüsterte ich.
"Was?", fragte er ungläubig und sprang auf.
"Flugtickets nach Miami!", rief ich lauter.
"FLUGTICKETS NACH MIAMI?", schrie er ungläubig.
"Ja!", bestätigte ich und lachte. Glücklich umarmten wir uns. Das war zwar eine komische, aber immerhin gelungene Versöhnung. Mir war bewusst, dass Ardy dahinter steckte. Was mich bei der ganzen Sache allerdings wunderte, war, dass er die Tickets so schnell für uns alle bekommen hatte. Außerdem: Wer war nun die weibliche Begleitung außer mir? Ich hatte ihm ja mehr oder weniger vermittelt, dass mich ohne eine weitere weibliche Person keine zehn Pferde woanders hinbekommen würden.
"Du, Felix?", fragte ich nach meiner Pause des Denkens.
"Ja?"
"Izzi hat doch bestimmt eine Freundin, oder?"
"Warum willst du das wissen?", erkundigte er sich mit einem Schwall Eifersucht und zog mich in die Küche.
"Erzähl ich dir gleich. Hat er oder nicht?"
"Nein, er hat keine Freundin. Niemand in diesem Haus hat eine Freundin!" Das musste heißen, Ardy hatte jemand anderen gefunden, der uns begleitete.
Wir setzten uns an den Küchentisch und aßen Frühstücksmüsli. Keiner sprach ein Wort. Die Situation war irgendwie sehr bedrückend. Ich mochte es noch nie an Felix, dass er immer so eifersüchtig war. Auch, als wir noch Freunde waren, war die Eifersucht immer groß, wenn ich mir für andere Leute Zeit genommen hatte.
"So, und warum hast du nun gefragt?", fragte Felix, als er seine Schüssel abwusch.
"Weil du und ich nicht die Einzigen sein werden, die nach Miami fliegen", antwortete ich und mied seine Augen.
"Wie meinst du das?"
"Also das war so...", begann ich. "Ardy und ich hatten vor ein paar Tagen darüber geredet, wie es wäre, wenn wir uns alle nicht mal vom Alltagsstress erholen könnten und dann kam er auf die Idee, dass ein Urlaub der perfekte Plan wäre", erzählte ich. Davon war immerhin nicht alles gelogen, weshalb ich halbwegs damit leben konnte.
"Ardy kommt auf Ideen", lachte Felix. Es schien, als vertraute er mir auf einmal voll und ganz - und das zerstörte mich innerlich irgendwie. "Wer kommt denn noch mit?", wollte er wissen.
"Taddl, Izzi und Simon, jetzt mal abgesehen von Ardy, dir und mir", meinte ich.
"Du als einziges Mädchen?"
"Deshalb hab ich gefragt, ob Izzi eine Freundin hat. Von Taddl, dir, Simon und Ardy wusste ich das nämlich schon, nur bei Izzi war ich mir nicht sicher."
"Ja okay...", meinte er. "Ardy hat bestimmt jemanden gefunden. Wann geht's denn los?"
"In 3 Tagen", antwortete ich erstaunt, nachdem ich auf das Flugticket schaute. Bald würde mein Leben sich gewaltig ändern ...

Zeit zu gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt