Kapitel 37

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"Du warst auf ein Mal weg", schluchzte er.
"Taddl, pscht", machte ich und legte beruhigend meinen Finger auf seine Lippen. "Mir geht's doch gut", flüsterte ich.
"Der Typ wollte dich töten", weinte er. "Wenn ich könnte, würde ich ihn genauso misshandeln, wie er es mit dir vorhatte!"
"Es ist doch jetzt alles gut...", flüsterte ich und streichelte beruhigend seine Wange. Eigentlich müsste ich an seiner Stelle so bitterlich weinen. "Hör bitte auf zu weinen, mir geht's wirklich gut." Sirenen heulten auf und die Polizei kam auf uns zu, allerdings widmeten sie sich erst dem Mann. Jetzt liefen auch die anderen aus der Gruppe zu uns.
"Jessica!", riefen sie durcheinander. Die Polizei nahm gerade den Mann fest. Einer der Polizisten kam zu mir, ein anderer hielt meine Freunde erst einmal zurück.
"Sie haben wirklich Glück gehabt. Dieser Mann ist wohl der meistgesuchte Floridas. Er heißt Jeffrey Green und seine Anwesenheit hat schon viele Mädchen wie Sie das Leben gekostet", sagte er zu mir. "Danken Sie diesem jungen Mann, denn an ihm liegt es, dass Sie noch Leben. Jeffrey macht vor nichts halt!", erklärte er mir, zeigte auf Taddl und sagte dann zu allen: "So und nun ab nach Hause! Der letzte Bus fährt gleich ab!" Felix half mir hoch, Taddl wurde von Ardy hoch geholfen. Ich drehte mich um, da Taddl hinter mir stand und schloss ihn fest in meine Arme. Am liebsten hätte ich ihn nie wieder losgelassen.

"Wir sind da", murmelte Ardy und wir stiegen aus. Als ich in unserem Zimmer war, ließ ich mich mit einem lauten Seufzer aufs Bett fallen.
"Ich verstehe das nicht", murmelte Felix. Mit einem fragenden Blick schaute ich in an. "Im einen Moment warst du da und im anderen plötzlich weg."
"Mich wundert es eher, dass erstens niemand von euch gehört hat, dass ich meinen Schuh zumachen wollte, zweitens keiner sofort bemerkt hat, dass ich weg war und drittens nur Taddl gekommen ist. Ihr habt ihn und mich total im Stich gelassen", entgegnete ich mit einem kaum hörbaren wütenden Unterton.
"Erstens: Du hast es anscheinend so leise gesagt, dass nicht mal Taddl, der neben dir gegangen ist, das mitbekommen hat! Zweitens: Mir und einigen anderen ist es schon früher aufgefallen, aber Simon wollte uns erst glauben, als er dann einige Minuten selbst nachgeschaut hat. Er war so mit diesem Sightseeing beschäftigt, dass er schon fast besessen war! Drittens: Taddl hatte sich schon vor uns entschlossen zu gehen und war deshalb in deiner Nähe. Wir haben die Polizei gerufen und sind ihm dann gefolgt", erzählte Felix und schaute mich an. Ich konnte seinen Blick nicht deuten. Mein Blick schweifte kurz zu Taddl. Dieser lag in seinem Bett und schlief bereits. Er saß wirklich süß aus, wenn er schlief.
"Woher wusste die Polizei, wo ich war?", wollte ich wissen.
"Jeffrey bringt seine Opfer meistens in dieser Gasse um."
"Wer hat das gesagt?"
"Ein Polizist", antwortete er. Ich nickte bestimmt und zog mich im Schlafzimmer um, weil ich zu faul war, um ins Badezimmer zu gehen. Felix schaute mich mit großen Augen an. "Was? Hast du mich noch nie halbnackt gesehen?", fragte ich müde und streifte mir mein Schlafoberteil über. Hastig schüttelte Felix den Kopf und lächelte mich schief an. Er zog mich zu sich ran und fing an mich zu küssen. Enden tat der Kuss, indem ich in einen tiefen Schlaf fiel.

Mitten in der Nacht wachte ich auf. Anscheinend hatte ich einen Albtraum gehabt. Ich hasste Albträume. Ich drehte mich um und sah Felix neben mir liegen. Er lächelte im Schlaf. Dann bemerkte ich, dass er einen Arm um mich gelegt hatte. Vorsichtig, um ihn nicht aufzuwecken, befreite ich mich und stand langsam auf. Das Bett quietschte leise, doch Felix schlief weiter. Ich schlich zu Taddl und setzte mich auf die Bettkante. Danach beobachtete ich ihn im Schlaf. Er lächelte, genau wie Felix. Doch sein Lächeln war glücklicher, als das von Felix. Plötzlich verschwand sein Lächeln und er fing an, schneller zu atmen. Er wälzte sich im Bett herum und nuschelte unverständliche Dinge. Ich nahm seine Hand in meine. Sofort wurde er ruhig und lächelte wieder. Ich wurde langsam wieder müde, doch mir war zu warm, um jetzt schlafen zu können. Also schlich ich zum Balkon und trat in die lauwarme, leicht frische Nachtbriese. Ich lehnte die Balkontür an und ging auf dem Balkon herum. Ich kam mir so unfähig vor. Immer passierte mir etwas. Taddl hatte Recht, ich war ständig im Krankenhaus, verletzte mich so gut wie jede Minute und bekam auch ansonsten nichts hin. Ich war wirklich auf gut Deutsch zu dumm für alles, oder nicht? Langsam ging ich zur Sitzecke auf dem Balkon, da ich etwas auf dem Tisch liegen sah. Hätte ich mich von Jeffrey umbringen lassen sollen? Dann hätten Felix und Taddl jetzt keine Probleme und ich...auch nicht mehr. Während ich auf den Tisch zuging erkannte ich, dass dort ein Zettel lag. Aus Neugierde ging ich schneller und las den Zettel sofort, als ich ihn in meine Finger bekam.

›I⃚c⃚h⃚ w⃚e⃚r⃚d⃚e⃚ w⃚i⃚e⃚d⃚e⃚r⃚k⃚o⃚m⃚m⃚e⃚n⃚...⃚
J⃚e⃚f⃚f⃚r⃚e⃚y⃚

Geschockt ließ ich den Zettel fallen und schaute auf.
"Was ist?", fragte eine Stimme hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und wollte losschreien, doch ich hielt Inne.
"Taddl", jauchzte ich leise und fiel ihm glücklich um den Hals.
"Was ist das für ein Zettel?", fragte er noch einmal. Ich hob den Zettel auf und reichte Taddl ihn. "Er kommt wieder... Wie kommt der Zettel hierher?"
"Ich weiß nicht", seufzte ich. "Ich hab Angst", flüsterte ich und kuschelte mich an Taddl.
"Wir fliegen doch bald zurück. Davon wird Jeffrey nichts mitbekommen und in Köln sind wir in Sicherheit", erwiderte er und strich mir über die Haare. Als er Jeffrey erwähnte, zuckte ich jedoch etwas zusammen.
"Taddl?", fragte ich und nahm sein Gesicht in meine Hände.
"Ja?"
"Ich bin dir was schuldig", stellte ich fest. Dann fiel mir ein, dass ich Felix eigentlich auch etwas schuldig war.
"Nein, wieso solltest du mir etwas schuldig sein?"
"Du hast mein Leben gerettet", erinnerte ich ihn und zog ihn ein bisschen zu mir herunter, da er ein kleines Stück größer war, als ich.
"Ich würd es immer wieder tun", lachte er. "Wenn du meinst, mir etwas schuldig zu sein, dann überleg dir was", flüsterte er. Ich zog Taddl endgültig an mich heran und küsste ihn sanft. In meinem Bauch kribbelte es. Komischerweise nur bei diesem Kuss. Ansonsten hatte ich nie dieses Gefühl. Dieses Gefühl hatte ich nur bei ihm.

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