Kapitel 32

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Letztendlich stand ich auf und ging in Richtung Strand. Felix kam mir entgegengelaufen.
"Tut mir echt leid", sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Ich hab den Weg nicht gefunden", flüsterte er. Leicht wütend schaute ich ihn an.
"Lass uns fahren", murmelte ich, gab Felix sein Longboard und legte meins auf den Asphalt. Dann setzte ich einen Fuß drauf und fuhr los. Felix holte mich schnell ein und nahm meine Hand. Wir fuhren ein bisschen durch die Gegend und unterhielten uns.
"Ich bin froh, dass ich dich habe", sagte er und stoppte plötzlich sein Longboard. Da er meine Hand hielt, wurde ich gebremst, das Longboard aber nicht. Ich rutschte weg und landete knapp neben seinen Armen, die mich eigentlich auffangen wollten. Das Longboard fuhr einige Meter weiter, bis es zum Stehen kam.
"Felix!", rief ich erschrocken. "Du kannst doch nicht so einfach anhalten!" Entgeistert schauten die Leute um uns herum uns an.
"Das tut mir leid... Entschuldigung, ich habe überhaupt nicht nachgedacht", entgegnete er und half mir hoch. "Hast du dich verletzt?"
"Nein, hab ich nicht", sagte ich und ging zu meinen Longboard. Mir musste es nun wirklich nicht peinlich sein. Die Leute hatten ja wohl gesehen, dass es seine Schuld gewesen war. Auch wenn ich ihn liebte und normalerweise mir die Schuld für alles gab, dieses Mal hatte ich eindeutig nicht die Schuld.
Die Leute hörten auf, uns anzustarren und gingen weiter. "Kommst du?", fragte ich.
"Ja, bin schon da", nuschelte er und fuhr mir seinem Longboard neben mich. Ich stieg wieder auf und fuhr weiter.
Als die Sonne langsam begann unterzugehen, drehten wir um und fuhren zurück. Zwischendurch machten wir nochmal halt am Strand, da wir uns anschauen wollten, wie die Sonne den blauen, strahlenden Himmel in einen rosa-roten, seichten verwandelte.
"Das ist so schön", murmelte ich. Felix zog mich an sich heran und umarmte mich.
"Noch schöner ist es, dass ich diesen Moment mit dir verbringen kann", entgegnete er und küsste mir auf die Stirn. "Ich liebe dich", flüsterte er kaum hörbar.
"Ich liebe dich auch", flüsterte ich noch leiser. Wir blieben noch eine Zeit so stehen, bis die Sonne sich fast hinter dem Meer versteckte.
"Jetzt sollten wir wirklich zurück", meinte ich.
"Lass uns aber bitte am Strand gehen", sagte Felix, nahm meine Hand und spazierte los.
"Wieso?", fragte ich noch kurz, obwohl ich wusste, dass er so viel Zeit wie möglich mit mir verbringen wollte. Er wollte schließlich mein ganzes Herz für sich haben.
"Das ist romantischer", murmelte er lachend.
"Spinner", flüsterte ich und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Langsam und gemächlich gingen wir am Meer entlang zum Hotel.
"Jessica, ich will dich was fragen", meinte er plötzlich. Jetzt hatte ich keine Lust auf Fragen - und das sollte ich ihm sagen!
"Felix, ich...", doch weiter kam ich nicht. Ich knickte um, ließ das Longboard aus Reflex los, um mich, allerdings ohne Erfolg, abzustützen und fiel mit dem Knie halb auf einen sehr spitzen Stein und halb ins salzige Meerwasser. Das Salz brannte sich sofort in meine Haut und in die klaffende Wunde. Ich schrie schmerzvoll auf.
"Jessica!" Schnell ließ Felix sein Board fallen und hob mich hoch. "Ist alles okay?" Mit schmerzverzogenem Gesicht schüttelte ich den Kopf. "Mist", murmelte er und setzte mich ein paar Meter vom Wasser entfernt auf den Boden. Er zog sein T-Shirt aus und wickelte es um mein Knie. "Und jetzt? Ich kann nicht dich UND die Longboards tragen. Dafür bräuchte ich mehr Hände." Ich zuckte mit den Schultern.
"Vielleicht kann ich versuchen die Longboards zu nehmen, während du mich trägst", schlug ich vor. Das Shirt war schon halb durchgeblutet. "Hauptsache wir kommen schnell zu einem Krankenhaus", fügte ich hinzu und deutete auf mein Knie. Felix gab mir vorsichtig die Longboards und hob mich, nachdem ich sie fest in meinen Armen platziert hatte, hoch.
"Ich beeile mich, versprochen", sagte er und rannte los. Obwohl der Sand ihm Schwierigkeiten beim Laufen bereitete, rannte er fast um sein Leben. Besser gesagt um mein Leben.
Der Weg zum nächsten Krankenhaus war weit und mir wurde schon langsam schwindelig. Von dem einst dunkelblauen T-Shirt war nur noch ein in blutgetränktes, fast schwarzes Oberteil übrig.
"Halte durch", flüsterte er und rannte noch schneller. Er war schon fast außer Atem, rannte aber trotzdem weiter.

"Wir sind da", sagte er gefühlte Stunden später.
"Felix", stöhnte ich schmerzerfüllt.
"Der Arzt kommt gleich", flüsterte er und küsste meine Stirn. Dann war alles schwarz.

"Ich denke, die Stelle verheilt auf jeden Fall. Sie haben ja fürsorglich gehandelt und die Stelle erst mal verbunden. Das war sehr gut von Ihnen. Tragen Sie Ihre ...", sagte jemand und hielt plötzlich inne. Ich öffnete schwermütig die Augen und sah einen Arzt und Felix.
"Freundin", half Felix ihm auf die Sprünge.
"...Freundin erst mal. Ich denke, wir sind fertig." Felix trat neben mich und schaute mich besorgt an. Der Arzt verschwand.
"Seit wann bist du wach?"
"Seit eben. Was hat er gemacht?"
"Die Stelle desinfiziert... Sie verbunden", erzählte er. Jetzt fiel mir auf, dass er immer noch oberkörperfrei herumlief.
"Oh man Felix, das tut mir alles so leid, wie kann ich dir nur danken?"
"Mit deiner Anwesenheit dankst du mir genug", winkte er ab und hob holte sein Handy aus der Hosentasche.
"Was machst du?"
"Ich schreibe Taddl eine SMS, damit er uns abholt", meinte er und tippte einen Text.
"Moment. Kannst du nicht Izzi fragen? Wenn Taddl dich so oberkörperfrei in meiner Anwesenheit sieht, bekommt er einen Anfall", meinte ich, obwohl mir der Anblick eines oberkörperfreien Felix gut gefiel. Schadenfroh lächelte Felix mich an. "Felix", mahnte ich ihn und schaute ihn ernst an.
"Na gut", sagte er und wechselte offensichtlich den Chat. Ein paar Sekunden später schaute er mich an. "Izzi kommt sofort", verkündete er.
"Gut. Findet er uns?"
"Wohl eher nicht. Izzi hat's nicht so mit Orientierung", lachte Felix. "Ist es okay, wenn ich mit den Longboards vor dem Krankenhaus auf Izzi warte und dich dann hole?"
"Ja...", murmelte ich. Diesen Tag hatte ich mir wirklich anders vorgestellt. Hoffentlich werde ich morgen mit zur Sightseeing-Tour kommen können!
Felix verschwand und kam einige Minuten später wieder. Er hob mich hoch und trug mich durch die Gänge nach draußen, wo Izzi schon wartete. Felix setzte mich auf die Rückbank und setzte sich selber nach vorne.
"Ach du heilige, Jessica, dich hat's echt erwischt. Du Arme", bemerkte Izzi und fuhr los. Vielleicht war er doch gar nicht so doof, wie ich bisher dachte. Immerhin hatte er Mitleid mit mir. "Und dass du es aushältst, Felix so oberkörperfrei zu widerstehen, ist unnormal", fügte er ganz leise hinzu. Felix hatte es anscheinend nicht gehört, ich dafür umso mehr. Ich entgegnete nichts und hoffte einfach, bald in meinem Bett zu liegen und zu schlafen.

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Zeit zu gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt