Kapitel 35

174 9 6
                                    

"...du kannst doch nicht über ihr Leben bestimmen", flüsterte jemand wütend.
"Wer kann nicht über wessen Leben bestimmen?", fragte ich schlaftrunken und setzte mich hin. Taddl und Felix standen sich gegenüber und diskutierten anscheinend.
"Ach nichts", winkte Felix ab und trat ein paar Schritte von Taddl weg.
"Machst du dich bitte fertig? Wir müssen gleich frühstücken", sagte Taddl und ging auf den Balkon. Die Scherben waren inzwischen weggeräumt, wahrscheinlich von Felix. Mürrisch stand ich auf, kramte ein paar frische Sachen aus meinem Koffer und zog mich im Badezimmer um, nachdem ich geduscht und Haare gewaschen hatte. Ich schminkte mich ein bisschen und trat dann mit nassen Haaren aus dem Badezimmer. Felix und Taddl, der so eben vom Balkon gekommen war, schauten mich gleichzeitig an. Ich lächelte und machte die Zimmertür auf.
"Kommt nur", grinste ich und verließ das Zimmer. Taddl und Felix liefen mir hinterher.
"Jess, warte mal!", rief Taddl. Sofort blieb ich stehen und drehte mich um.
"Was ist?"
"Deine Wunde... sie ist schon wieder fast verheilt! Aber das kann doch gar nicht sein... es war doch...", sagte Taddl.
"Eine tiefe Fleischwunde, ja. Das ist unerklärlich, wie die so schnell verheilen konnte...", unterbrach Felix ihn.
"Jungs", lachte ich. "Ich weiß auch nicht wieso, aber seid doch froh! Ihr müsst mich nicht mehr tragen und ich kann mit auf den Ausflug!" Beide lächelten und kamen auf mich zu. Taddl hakte sich links und Felix rechts ein.

Als wir den Raum betraten, schauten uns die anderen an. Izzi ließ seinen Löffel fallen, Ardy verschluckte sich fast an seinem Brötchen, Simon fiel fast vom Stuhl und Caty riss ihre Augen auf.
"Was ist?", fragte ich lässig, als ich mich an den Tisch setzte.
"Du siehst so anders aus", murmelte Izzi und lächelte beeindruckt.
"Was hat dich denn geritten, heute besonders gut auszusehen?", fragte Ardy. Ich zog grinsend eine Augenbraue hoch und zwinkerte ihm zu.
Ich aß Müsli, mehr nicht, denn zu mehr hatte ich keinen Hunger. Ich stand auf, räumte die Schüssel weg und setzte mich wieder auf den Stuhl.
"Also...", räusperte sich Ardy nach einer Weile. "Da Jess ja anscheinend wieder gehen kann, würde ich sagen, wir können den Ausflug mit der Ocean-Drive-Tour ausführen. Dann wäre noch die Hafenrundfahrt und Miami Downtown offen. In welcher Reihenfolge wollen wir die Sachen abarbeiten?", fragte er etwas lauter und guckte in die Runde.
"Hafenrundfahrt, Ocean-Drive und dann Miami Downtown", schlug Simon vor. Wir stimmten zu und standen auf. Felix und Izzi brachten das Geschirr weg, die anderen gingen schon zu ihren Zimmern. Taddl und ich warteten auf Felix.
"Was hast du eigentlich gestern mit Felix am Strand besprochen?", wollte ich nebenbei wissen.
"Ich meinte zu ihm, dass... er nicht über dich bestimmen kann. Und dass er nicht so eifersüchtig sein soll, weil das echt stresst."
"Ah ja", meinte ich nur und lächelte. "Da ist noch was", bemerkte ich und piekste ihm in die Seite.
"Hm...", seufzte er. "Dann war er so wütend, dass er mit einem Stein nach mir geworfen hat", lachte er und legte einen Arm um mich.
"Was?", kicherte ich ungläubig.
"Was gibt's zu lachen?", fragte Felix, der gerade zu uns gestoßen war.
"Ach nichts", log Taddl.
"Nur die dicke Frau dahinten", redete ich Taddl und mich raus.
"Wieso, was ist mit der?", wollte Felix wissen und beobachtete die Frau.
"Ähm...Die ist eben...", stotterte ich.
"Sie hat eben mit ihrem Bauch fast den Tisch umgeschmissen", antwortete Taddl gelassen.
"Bestimmt", murmelte Felix. "Kommt, lasst uns die Longboards holen, wir treffen uns gleich mit den anderen in der Lobby", fügte er hinzu und zog Taddl und mich mit sich.

"Los Leute, ab zum Pier!", rief Simon und raste als erstes mit seinem Longboard los. Lachend rasten wir ihm hinterher.

Nach einer Weile waren wir beim Pier angekommen. Ardy bezahlte die Karten und winkte uns zu. Wir gingen zu ihm und folgten ihm zu einem großen Schiff.
"Wir dürfen uns unten hinsetzen", verkündete er und nahm an einem Fenster Platz. Taddl und Felix folgten mir auf Schritt und Tritt und setzten sich neben mich. Taddl saß rechts neben mir, Felix links.

Das Schiff fuhr los. Eine alte Dame, die den Job wohl schon länger hatte, erklärte die Dinge, die an uns vorbeizogen.
"That's the island of the rich people from Miami. You can see the island, but you can't visit it. And if you want to live there, you need very much money!", lachte die Dame. Taddl lehnte sich zu mir und flüsterte:
"Bald werden wir auf dieser Insel leben." Ich lächelte ihn an.
"Hast du nicht zugehört? Wir wissen gar nicht wie's da aussieht, weil wir die Insel nicht besuchen können. Vielleicht sind da überall Kakerlaken", grinste ich, "Außerdem, hast du so viel Geld, dass..."
"Ja hab ich", lachte er leise und nahm meine Hand. Das gefiel Felix gar nicht. Doch er tat nichts. Er zeigte seine Eifersucht nicht. Er tat das, was ich wollte, obwohl er selbst daran Schaden nahm. Das war nicht meine Absicht. Ich nahm seine Hand in meine, um ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Sofort lächelte Felix mich an. Die restliche Fahrt wechselten wir kein Wort.

"Okay Leute. Als nächstes geht's zum Ocean-Drive", jauchzte Simon kurz nachdem wir das Schiff verlassen hatten. Er stieg auf sein Longboard und fuhr los. Schnell fuhren wir ihm hinterher.
"Warum fährt er eigentlich so schnell?", wollte ich wissen. Ich war schon halbwegs aus der Puste.
"Er möchte unbedingt noch nach Miami Downtown", antwortete Caty, die auf einmal neben mir fuhr.
"Na und? Es ist doch erst 16 Uhr", murmelte ich.
"Nach 18 Uhr sollte man nicht mehr nach Miami Downtown. Das ist gefährlich", sagte sie.
"Ach na dann..." Ich fuhr trotzdem langsamer und ließ mich zurück fallen. So müssten sie irgendwann eh auf mich warten.
"Alles okay?", fragte Felix, der meinetwegen ebenfalls langsamer fuhr.
"Ja, hab' nur keine Lust so schnell zu fahren", antwortete ich genervt und fuhr schneller, weil ich keine Lust hatte, mit ihm zu reden.
"Was hast du gegen mich?", fragte er wütend und fuhr neben mir her. Ich stoppte mein Longboard und schaute ihn verwahrlost an.
"Felix, du weißt doch, dass ich dich liebe... Wieso fragst du mich, was ich gegen dich habe?"
"Du... Liebst mich also noch? Dann lass dich nicht von mir stören", murmelte er und fuhr schnell weiter. Toll gemacht, Jessica.

"Lasst uns den Ocean-Drive runterfahren!", schlug Simon vor, als wir die ›Straße‹ gekreuzt hatten. Es war inzwischen 16:30 Uhr. Wir hatten also meiner Meinung nach noch genug Zeit und hätten uns nicht abhetzen müssen.
Wir fuhren die ›Straße‹ entlang und hielten vor einem Club.
"Wollt ihr was trinken?", fragte Caty, die sich anscheinend mit Simon abgesprochen hatte. Wir nickten und betraten den Club. Wir setzten uns an die Bar und tranken unsere Getränke. Ich hatte es wirklich nötig gehabt und merkte erst in diesem Moment, wie durstig ich eigentlich war.

Als wir die Ocean-Drive-Road fertig befahren hatten, setzten wir uns in einen Bus nach Miami Downtown, obwohl es schon 17:40 Uhr war. Ich hatte versucht, Simon zu überreden, aber er meinte, ihm würde egal sein, dass es um diese Uhrzeit gefährlich dort war.

"Bitte Jess, gerade weil es jetzt schon gefährlich dort ist, möchte ich, dass du immer bei mir bleibst und wenn wir uns verlieren oder du in Schwierigkeiten steckst, meinen Namen rufst, okay?", bat mich Taddl und schaute mich übermäßig besorgt an.
"Mir passiert schon nichts", entgegnete ich. Und selbst wenn ich die Gruppe verlieren würde, würde ich nicht gleich seinen Namen rufen.
Kurze Zeit später stiegen wir aus dem Bus aus, da wir angekommen waren.
"Das sagst du immer. Und im nächsten Moment liegst du im Krankenhaus." Enttäuscht über diese Aussage schaute ich ihn an. "Ich mach mir doch nur Sorgen um dich", flüsterte er und umarmte mich. Dann gingen wir als große Gruppe los.
"Immer zusammen bleiben Kinderchen, dann passiert euch auch nichts", rief Simon. Er hatte wohl den ein oder anderen Cocktail zu viel getrunken.
"Ich mach kurz meinen Schuh zu", murmelte ich, doch die anderen hörten es nicht und gingen schnellen Schrittes weiter. Ich dachte mir, ich würde sie gleich noch sehen, weil sie ja nicht so schnell weg sein könnten, aber ich hatte mich getäuscht. "Leute?", rief ich. Ich irrte durch die Straßen von Miami Downtown, doch fand sie nicht. Würden sie nicht mal bemerken, dass ich fehlte?
Als ich in eine Sackgasse lief und gerade umdrehen wollte, spürte ich plötzlich kühles Metall an meinem Hals. War das ein Messer?

---------------------------

Nächstes Kapitel gibt's bei 8 Likes. 👀❤️

Zeit zu gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt