Mit dem schweren Koffer hastete ich die Treppen hoch. Was war da gerade passiert?
Ich war oben vor Felix' Wohnung angekommen. So schnell war ich noch nie irgendeine Treppe hochgerannt! Ich klingelte sehr oft, in der Hoffnung, dass die Tür dadurch schneller geöffnet würde. Das konnte doch nicht so lange dauern!, fluchte ich in Gedanken. Ich konnte im Augenwinkel Simon erblicken, der aufgeregt die Treppen hochsprintete. Ich klingelte erneut und hoffte, dass Felix nun endlich mal die Tür aufmachen würde. Als Simon schon dicht hinter mir war, machte Felix die Tür endlich auf. Ich sprang sofort mit dem Koffer in der Hand in die Wohnung, rempelte Felix dabei fast um und knallte die Tür zu.
"Tut mir leid", seufzte ich und drängelte mich an ihm vorbei. Ich betrat das Schlafzimmer und schloss die Tür ab.
"Alles gut?", fragte Felix verwirrt und besorgt zugleich.
"Lass mich bitte in Ruhe! Ich bin gar nicht hier!", antwortete ich. Ich schaute in den Spiegel. Meine Wangen waren nass geweint und ich sah einfach schrecklich aus.
"Jessica, willst du reden?", erkundigte er sich ernsthaft besorgt.
"Nein, Felix. Lass mich bitte kurz allein", stotterte ich und versuchte krampfhaft, einen lauten Schluchzer zu unterdrücken.
"Na gut", entgegnete er seufzend, und ich wusste, dass er mich nur ungern allein lassen wollte. Dann hörte ich, wie er mit leisen Schritten verschwand. Schwach stand ich auf und begab mich zu seinem Kleiderschrank. Ich schaute hinein und räumte einige seiner Sachen zusammen. Beim Einräumen der Klamotten summte ich leise ein Lied.
'Goodbye my almost lover, goodbye my hopeless dream. I'm trying not to think about you...'
Während des Summens würde ich sehr emotional, und ein paar Tränen rollten über meine Wangen. Warum stellte ich mich eigentlich so an? Ich hatte doch alles was ich brauchte....
Felix, einen wunderbaren Menschen.
Einen Lebensstandard, um den andere mich beneiden würden.
Freunde, die mich unterstützen... Na ja wobei 'unterstützen' ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich meine, jemandem beim Küssen zu unterbrechen, war nicht wirklich mit 'Unterstützung' zu bezeichnen.
Und was hatte ich nicht? Eine Familie. Fähigkeiten und Persönlichkeiten, die man sich normalerweise wünschte.
Stattdessen hatte ich nur Stress, Ärger und Hass. Hass der auf mich bezogen war - von mir und von anderen. Konnte nicht einmal was gut laufen?Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber ich glaubte, mich in Taddl verliebt zu haben. Allerdings würde er niemals wieder etwas von mir wollen, vor allem nicht, wenn da noch Felix war. Wollte ich überhaupt irgendwas, wenn ich Felix hatte? Was war mit mir falsch?
Ich rollte mich auf dem Bett zusammen und weinte. Ich weinte lange und viel. Manchmal war es gut zu weinen, damit man wieder klar sehen konnte.
Irgendwann klopfte Felix erneut an der Tür.
"Jess, ich will dich nicht stören, aber hier ist jemand, der unbedingt mit dir reden will", fing er an. Ich entgegnete nichts, stand aber auf und schlich zur Tür. Ich schaute durch das Schlüsselloch, wer da neben ihm stand. Es war nicht Simon und es war nicht Taddl. Leise atmete ich erleichtert auf. Es war nur Ardy. Schnell eilte ich zum Spiegel und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich versuchte mein verheultes Gesicht irgendwie zu retten, aber ich sah so oder so richtig schlimm aus, und man könnte mir ohne Weiteres ansehen, dass ich geweint hatte. Danach ging ich zur Tür, schloss sie auf, öffnete sie und tat überrascht.
"Ardy", wunderte ich mich und schaute ihn an.
"Wir müssen reden", entgegnete er nur ernst.
"Darf ich zuhören?", fragte Felix und zog eine süße Schute. Anscheinend war er über mein Verhalten nicht wütend. Glücklicherweise durchbohrte er mich auch nicht mit irgendwelchen Blicken, die mich nur weiter verunsichert hätten. Da mir allerdings schon blühte, was Ardy mit mir bespreche wollte, sagte ich:
"Nein, besser nicht." Felix schaute mich enttäuscht an und verzog sich ins Wohnzimmer.
"Was gibt's denn, Ardy?", fragte ich, obwohl ich eigentlich schon genau wusste, was er wollte.
"Denk doch mal nach", erwiderte er. Ich war mir sicher, dass Ardy auf diese bestimmte Sache anspielte, tat aber unwissend. "Taddl ist eben ziemlich wütend in die Wohnung gekommen, und als ich ihn gefragt habe, was los sei, meinte er nur, dass es mit dir zu tun habe", erklärte er und schaute mich streng an. Ich zitterte vor Nervosität am ganzen Körper. "Ist dir kalt?", fragte er.
"Nein, ich bin nur irgendwie ein bisschen nervös", entgegnete ich.
"Hast du Angst vor mir?", fragte er verunsichert und schaute mich traurig an.
"Das nicht", antwortete ich und schaute weg.
"Aber?"
"Ich hasse es, mit einem Jungen über Gefühle zu reden", beichtete ich ihm.
"Gefühle also", seufzte er.
"Ja, Gefühle", flüsterte ich.
"Fangen wir am besten bei Null an. Du erzählst mir alles von Anfang an", schlug er vor. Und dann begann ich zu erzählen.
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Zeit zu gehen
RomanceJessica hat kein leichtes Leben. Sie ist schon seit längerer Zeit mit ein paar Youtubern befreundet, aber bisher hatte sie immer versucht, nicht in den Videos aufzutreten und bekannt zu werden. Allerdings verändert sich ihr ganzes Leben, als jemand...