Kapitel 21 [✔️]

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"Hätten wir nicht noch Zeit gehabt, einen Regenschirm mitzunehmen?", wollte Taddl nach einer Zeit griesgrämig wissen und zog seine Kapuze zurecht.
"Zeit schon, aber wozu einen Regenschirm? Regen ist doch toll!", erwiderte ich mit einem sarkastischen Unterton und blieb stehen, da meine Schnürsenkel aufgegangen waren und ich eben schon beinahe darüber gestolpert war. Außerdem musste ich sie ja nicht unbedingt die ganze Zeit durch die Pfützen und den Schlamm ziehen.
"Ist was?", sorgte Taddl sich sofort. Ich schilderte ihm die Lage und hockte mich auf den Boden, um die bereits verdreckten Schnürsenkel zuzumachen. In der Zwischenzeit hörte ich zwei Mädchen kreischen.
"Oh mein Gott, da ist Taddl!" Die beiden kamen angelaufen und brachen in Tränen aus, was trotz des Regens erkennbar war, da ihr Kajal etwas verlief. Zumindest dachte ich, dass es daran lag, dass sie heulten, und nicht daran, dass es regnete.
"Können wir einen Autogramm haben und ein Bild machen?", stotterte die Eine, die schwarze Haare hatte.
"Bitte. So viel Zeit muss sein", korrigierte ich sie leise, was sie durch ihre Aufregung wohl nicht mitbekam. Vielleicht ignorierte sie es auch einfach gekonnt, weil sie nicht wusste, ob ich zu ihm gehörte. Taddl schien ein wenig überfordert zu sein.
"Und wer bist du?", fragte die Andere mich sehr abfällig, als ich mit dem Zuschnüren fertig war und mich wieder größer machte. Sie hatte rötliche Haare, die wahrscheinlich gefärbt waren, da es mich wirklich sehr gewundert hätte, wenn man so eine Intensität von Natur aus haben konnte. Es wirkte, als sei sie die beste Freundin der Schwarzhaarigen.
"Hey! Rede nicht in so einem Ton mit meiner Freundin, ja? Sonst bekommst du gar nichts!", verteidigte Taddl mich gegenüber der Rothaarigen. Ich warf ihm einen leicht dankenden Blick zu. Auch wenn sein Einwand etwas lächerlich war. Ein Autogramm würde doch nicht so viel ausmachen.
"Okay, tut mir leid, war nicht so gemeint", entschuldigte diese sich schnell. "Also, wer bist du?", wiederholte sie viel freundlicher, als vorher.
"Eine Freundin von Taddl", antwortete ich. Durch dieses ›Eine‹ hoffte ich, dass sie nicht das Gerücht verbreiteten, wir seien zusammen oder sowas. Dadurch würden wir nur unnötig Stress bekommen. Jedenfalls solange wir noch nicht wirklich zusammen waren. Taddl unterschrieb währenddessen die Handyhülle der Schwarzhaarigen, die ihm die Hülle gleich in die Hand gedrückt hatte. Dann machte sie ein Foto mit Taddl und freute sich wie ein Kleinkind.
"Seid ihr zusamm'?", wollte die Schwarzhaarige mit wissen. Sie zog dabei das 'a' in 'zusammen' so lang, dass ich mir vorstellen musste, dass sie beim Reden ein Kaugummi auseinander zog. Taddl und ich blickten uns an. Er wollte mit mir zusammen sein; und ich war mir sicher, dass er sich sagen würde, wir seien zusammen, da wir uns geküsst hatten und auch sonst nicht gerade wie normale Freunde miteinander umgingen. Ich hoffte nur tunlichst, dass er ihnen nicht sagte, dass wir zusammen waren, weil ich mich mit einem Gedanken dieser Art noch nicht anfreunden konnte. Schließlich gab es noch Felix.
Ardy hatte recht. Ich musste mich bald entscheiden, damit die Situation nicht noch mehr eskalierte. Ich holte gerade Luft, um zu antworten, doch Taddl ergriff vor mir das Wort.
"Nein", antwortete Taddl knapp und lächelte oberflächlich. Ich atmete leise auf und war erleichtert. Wenigstens würden jetzt keine Gerüchte kursieren.
"Kannst du bitte hier unterschreiben?", fragte die Rothaarige, dabei betonte sie das 'Bitte' extra, wobei sie auch arrogant lächelnd zu mir schaute, und reichte ihm dann ihre Handyhülle. Taddl unterschrieb und gab ihr die Hülle zurück. Sie machte noch ein Foto mit ihm, aber dann, als Taddl und ich weitergehen wollten, fragte die Schwarzhaarige mich, ob sie auch von mir einen Autogramm haben könnte.
"Warum das denn?", fragte ich konfus.
"Wenn du durch die Freundschaft eventuell auch berühmt wirst, hab ich schon einen Autogramm", meinte sie und lächelte mich an. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte und wie ich diese Erklärung fand, aber ich nickte einfach. Hoffentlich würden sie dann endlich verschwinden. Sie streckte mir ihre Handyhülle hin und ich unterschrieb etwas verzweifelt. Dann zischten die beiden endlich ab.
"So eine Famebitch", murmelte Taddl stirnrunzelnd.
"Läuft das immer so ab?", ignorierte ich seine Anmerkung.
"Nein. Die meisten bedanken sich von sich aus und sind super höflich, aber manchmal läuft alles noch viel ungeordneter ab. Es kommt auch vor, dass mehr Leute auf mich aufmerksam werden, wenn ein paar um mich herumstehen und nach Autogrammen fragen", meinte er. "Gehen wir weiter?"
"Ja, gerne", meinte ich bloß und ging los.
Der Regen wurde immer stärker und wir stellten uns bei einem Pavillon unter, um nicht völlig durchnässt zu werden.
"Ich habe meine Meinung geändert - Regen ist scheiße", knurrte ich und wrang meine klitschnassen Haare aus. Taddl umarmte mich von hinten und legte seinen Kopf auf meine Schulter.
"Wir müssen reden", raunte er mir zu.
"Ich weiß. Aber ich möchte das Gespräch doch lieber auf drei Tage verschieben. Ich muss erst mal ein paar Nächte darüber schlafen und mir überlegen, wie ich das Gespräch am besten beginne."
"Frag mich was", forderte er mich auf.
"Findest du, dass verschweigen lügen ist?"
"Bis zu einem gewissen Grad nicht."
"Und wann springt der Grad von Verschweigen-verschweigen zu verschweigen-lügen um?", fragte ich ihn sofort und drehte mich um, um ihm in die Augen schauen zu können.
"Weil ich weiß, dass du mich nie anlügen würdest, fängt der Grad da an, wo deine Möglichkeiten aufhören."
"Das verstehe ich nicht", flüsterte ich und schaute auf den Boden.
"Das musst du auch nicht. Wenn wir in Miami sind, kannst du mir alles erzählen." Ich schwieg. Ehrlich gesagt wollte ich ihm die Sache mit Felix nicht erzählen und Felix schon gar nicht die Sache mit Taddl, aber bevor alles außer Kontrolle geriet, wollte ich es doch lieber beiden beichten. Vielleicht wurde einer der beiden so wütend, dass er freiwillig alles hinschmiss und meine Entscheidung so auf den anderen fiel. "Versprichst du mir was, Jess?", fragte er plötzlich und nahm meine Hände in seine.
"Was denn?"
"Verlass mich bitte nie, egal, was passiert."
Diese Aussage machte die Entscheidung noch viel schwerer, als sie eh schon war. Taddl zog mich zu sich und küsste mich sanft.

Zeit zu gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt