Kapitel 44

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Auf der gegenüberliegenden Seite der Bühne war eine Leinwand aufgespannt. Dort stand, wie auch schon vorher, der Text des Liedes. Ich merkte Taddl an, dass er beim Rappen total nervös war. Sein Auftritt allerdings war unglaublich. Er hätte gewinnen sollen.
Jetzt kamen meine Parts. Ich musste singen, während er rappte. Diese Zweistimmigkeit. Es hörte sich bestimmt richtig schön an, doch für mich war es schon immer ein Problem gewesen, mit jemand anderem zusammen zu singen. Ich kam durcheinander, sang den falschen Text, traf die Töne nicht oder setzte ganz aus, weil ich verwirrt war. Aber jetzt klappte alles durch meine Höchstkonzentration.
Die erste Strophe und der erste Refrain waren hinter uns gebracht. Ich fiel in eine Art Rausch. Ich musste mir keine Mühe geben, die Töne zu treffen, die Welt um mich herum vergaß ich.
Die zweite Strophe begann. Taddl gab sein bestes. Es machte unbeschreiblich viel Spaß. Nicht ein einziges Mal versprach er sich beim komplizierten Text.
Refrain zwei. Alles klappte perfekt. Ein riesiges Glücksgefühl ergriff mich.
Eine Bridge kam. Ich legte sehr viel Gefühl in den Text und sang meines Erachtens noch besser, als bei meinem Solo.
Der Abspann lief, ich ließ das Mikrofon sinken, wartete auf Taddl, der sein Mikrofon gerade in den Halter steckte und lief dann auf ihn zu. Direkt in seine Arme. Er hob mich hoch und küsste mich. Die Menschen applaudierten. Der Rausch war plötzlich verschwunden. Er ging so schnell wie er gekommen war. Was waren das für komische 4 Minuten in meinem Leben? War es eine falsche Entscheidung?
"Danke für diese tolle Zugabe", moderierte George wieder. Wie mir diese Stimme langsam auf die Nerven ging... "Ihr könnt euch nun wieder auf eure Plätze setzen", meinte er zu uns und schob uns vorsichtig von der Bühne.
"Ich kann selber gehen", giftete ich George an und folgte Taddl zu unseren Plätzen.
"Zuschauer, der Karaoke-Abend ist nun beendet. Ihr könnt euch jetzt noch mit anderen Gästen unterhalten und ein paar Cocktails schlürfen!", rief er belustigt und hob sein Getränk in die Höhe. Die Menschen applaudierten ein letztes Mal, dann kehrte Ruhe ein. Einige verließen die Bar, andere setzten sich zu anderen und manche - zum Beispiel Rya und George - kamen zu Taddl und mir (wir standen nicht direkt bei den anderen) getorkelt. Ryas Augen glänzten vor Freude, Georges vor Glück. Es war so niedlich zu sehen, wie sie sich freuten. Na ja. Rya war niedlicher als George.
"Kann ich jetzt ein Foto mit und von euch machen?", fragte sie, nachdem sie von Taddl und den anderen, die sie inzwischen auch entdeckt hatte, Autogramme bekommen hatte.
"Mit gerne, aber wieso von?", lächelte Taddl.
"Ihr seid so ein süßes Paar!", rief Rya laut und grinste. Taddl und ich tauschten Blicke. Er lief ein bisschen rot an. Ich lächelte nur belustigt. Langsam drehte ich mich um, um die anderen zu holen, die wieder zu ihren Plätzen gegangen waren. Ich sah, dass Izzi mit Felix sprach. Felix sah sehr wütend aus. Verständlich. Nicht nur, dass Taddl und ich uns auf der Bühne geküsst hatten, Rya hatte auch noch laut herumgetönt, wie toll Taddl und ich zusammenpassen würden. Spätestens jetzt wäre ich an Eifersucht geplatzt. Doch ich hatte ihm damals eine Art Ultimatum gestellt. Eifersucht oder ich. Gerecht wäre es eigentlich nur, wenn ich ihm dieses Ultimatum erlassen oder Taddl ebenfalls eins stellen würde. Ich weiß nicht, wie lange Felix und Taddl diese Ungewissheit noch durchhalten werden.
"Felix, du bist doch ein Kämpfer. Wirst du sie jetzt wirklich so leicht aufgeben? Wegen einem einzigen Kuss?", hörte ich Izzi sagen.
"Izzi, es war doch nicht nur einer", seufzte Felix weinerlich. Felix tat mir leid und was ich getan hatte, tat mir auch leid. Was hatte ich schon wieder angestellt?
"Rya möchte noch ein Bild mit uns", sagte ich zu den anderen und drehte wieder um. Plötzlich legte jemand seine Hand auf meine Schulter. Schlagartig drehte ich mich um und sah, dass Ardy und Izzi hinter mir standen.
"Wir müssen reden", sagten sie gleichzeitig zu mir.
"Okay, aber... nicht jetzt."
"Komm nachher, wenn Felix und Taddl schlafen, zu uns ins Zimmer. Wir werden auf dich warten", schlug Izzi vor. Ich nickte und zog die beiden mit mir zu Taddl. Der Rest der Gruppe zog nach. Rya hatte schon tausende Bilder mit Taddl gemacht. So langsam schien er auch genervt zu sein.
"Ich bin müde, kannst du dich bitte beeilen, Rya?", versuchte ich das Ganze abzuwürgen. Taddl warf mir einen dankbaren Blick zu. Rya machte mit jedem von uns ein Bild (eigentlich ein paar mehr, als eins) und schließlich machten wir auch ein Gruppenbild.
"Taddl und Jessica, kann ich jetzt auch noch mal ein Bild von euch machen?", lächelte sie. Unauffällig rollte ich mit den Augen. Dann lächelte ich gespielt und sagte: "Klar, gerne." Taddl und ich stellten uns zusammen und sie knipste mehrere Bilder.
"Super, danke!", rief sie, umarmte Felix, Caty, Simon, Izzi, Ardy und mich und ging dann zu Taddl. Sie breitete ihre Arme aus und schloss ihn fest in ihre Arme. "Du bist toll", flüsterte sie ihm zu. Taddl verzog keine Miene, da er echt genervt war. Ich hätte ihm gerne geholfen, aber was hätte ich schon machen können. "Und du Jessica kannst dich glücklich schätzen, so einen wie ihn kennengelernt zu haben", sagte sie noch zu mir, dann verschwand sie. Taddl und ich waren nicht zusammen. Wann verstand Rya das?
"Na gut, lasst uns aufs Zimmer gehen, Jungs", sagte ich zu Felix und Taddl und ging schon mal vor. Taddl ging neben Ardy her und Felix neben mir.
"Schön gesungen", sagte Felix, der sich wohl wieder etwas beruhigt hatte, zu mir.
"Danke." Der restliche Weg zum Zimmer verlief stumm.

"Gute Nacht ihr beiden", sagte ich zu den beiden und ließ mich glücklich ins Bett fallen. Hätte ich doch nicht noch mal raus gemusst.
Nach vielen Minuten, die ich wach im Bett lag, schaute ich, ob die beiden schon schliefen. Taddl atmete ruhig in langsamen Zügen, doch Felix war irgendwie noch nicht ganz eingeschlafen. Ich blieb also noch mehrere Minuten liegen und schaute dann noch ein Mal. Jetzt war er wirklich eingeschlafen. Leise stieg ich auf dem Bett und verließ das Zimmer. Ich schlich über den Gang zum Zimmer von Ardy und Izzi. Fast überhörbar klopfte ich an der Tür. Ardy öffnete die Tür, zog mich ins Zimmer und machte dann die Tür wieder zu. "Hallo", begrüßte ich die beiden.
"Also, bevor wir mit dir reden, möchte ich dir kurz was geben", fing Ardy an und lief zum Schrank. Er öffnete diesen und kramte darin herum. Einige Sekunden später kam er mit etwas in der Hand zurück. Was war das?

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