Kapitel 17 [✔️]

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Auf einmal hielt Ardy an. Ich hatte damit nicht gerechnet, sodass ich fast in ihn reinfuhr; ich konnte gerade so bremsen.
"Ardy", meckerte ich gleich. Ich war unausstehlich, wenn ich müde war.
"Ist dir kalt?", wollte er bloß wissen. Ihm war wohl aufgefallen, dass meine Stimme bei jeder der Fragen, auf die er immer noch nicht antwortete, zittriger wurde.
"Ja", meinte ich, als sei es eine Selbstverständlichkeit, dass es kalt war.
"Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich warm anziehen", entgegnete er lächelnd. Durch das fahle Mondlicht und die geringe Helligkeit, die die spärlich verteilten Straßenlampen ausstrahlten, konnte ich sein Lächeln kaum erkennen, aber ich hatte es irgendwie an seiner Stimme hören können. Er zog seine Jacke aus, unter der er noch eine weitere trug, und reichte sie mir. "Hier. Die gehört sowieso Taddl."
"Danke!", stotterte ich bloß, zog mir die Jacke an und zog den Reißverschluss bis zum Anschlag hoch.
"Lass uns weiterfahren!"
"Wie weit denn noch?", jammerte ich und boxte seinen Arm.
"Wir sind fast da." Wir fuhren also weiter und irgendwann hielt er erneut an. Vor uns lag der Rhein. In seinem Wasser spiegelte sich der sichelförmige Mond. "Setzen wir uns hin", schlug Ardy vor. Sofort setzte ich mich auf das Longboard.
"Warum sind wir jetzt hier?"
"Ich wollte mit dir reden", sagte er. Die Aussage hat mich ja so viel weitergebracht ... - Soweit war ich vorher auch schon!, dachte ich.
"Dann rede", forderte ich ihn also auf. Ich schüttelte mich bei der Kälte und war, wie so oft wenn ich bei Kälte draußen war, froh, dass ich keine Obdachlose war.
"Komm her", meinte er und streckte seinen rechten Arm zur Seite aus.
"Ich verstehe nicht..." Er zog das Longboard, auf dem ich saß, zu seinem und legte seinen Arm dann um mich.
"Wir sind ja jetzt irgendwie beste Freunde", flüsterte er.
"Jetzt rede bitte ... Ich möchte zurück nach Hause und außerdem halte ich die Neugier fast nicht mehr aus!"
"Wie war's vorgestern mit Taddl?"
"Schön", gab ich wieder.
"Erzähl mir ein paar Details!", wurde er hibbelig.
"Wir haben geredet", erzählte ich, "YouTube Videos geschaut..."
"Und?", fragte er erwartungsvoll.
"Was ›Und‹?"
"Kein Kuss?"
"Nein!", meinte ich bloß, da ich ihn ärgern wollte. Ich wusste genau, dass er die Romantik zwischen Taddl und mir wahrscheinlich mehr wollte als wir beide. 
"Was?", fragte er verstört.
"Ardy! Natürlich haben wir uns geküsst!", lachte ich und legte meinen Kopf auf seine Schulter.
"Ich dachte schon! Jetzt kann ich ihn ärgern", meinte er und grinste hämisch. "Wie war es denn?"
"Unbeschreiblich", seufzte ich irgendwie verliebt.
"Versuch es!"
"Wunderschön...", ich zögerte, "Da war dieses Kribbeln..."
"Ach ja, die junge Liebe!", trällerte er begeistert.
"Oh man, Junge", fasste ich mir bloß beschämt an den Kopf. "Wie war denn dein Tag? Du hattest ja auch noch eine Verabredung", fragte ich.
"Es war keine Verabredung. Ich hab mich nur mit den Apes getroffen", erzählte er.
"Oh mein Gott, mit den Apes? Du bist mit denen befreundet? Kannst du mir bitte einen Autogramm von denen besorgen?", platzte das Fangirl aus mir heraus. Es war mir immer schon eine Ehre gewesen, Felix, Simon und dann seit kurzem auch noch Taddl und Ardy kennen zu dürfen, aber wenn es um die Youtuber ging, die ich nicht persönlich kannte aber gut leiden konnte, konnte ich meine Begeisterung kaum mehr zurückhalten. Ich liebte die Jungs von Apecrime unbeschreiblich; aber natürlich nicht auf der romantischen Ebene. Sie wirkten einfach immer glücklich und hatten immer gute Witze parat. Das mochte ich bei anderen Menschen sehr gerne; vor allem weil ich wusste, dass ich Leute, die mich gut zum Lachen bringen konnten, im Leben brauchte. Ardy lachte nur über meine Hysterie.
"Wenn du willst, kannst du sogar mal mitkommen", brachte er zwischen dem Lachen heraus, "Ich müsste sie nur fragen."
"Ja, bitte!", rief ich.
"Beruhig dich", lachte er. "Du bist echt komisch - Du wohnst mit einem YouTuber zusammen, der über 1.000.000 Abonnenten hat, und in dem restlichen Haus wohnt einer, der hat genauso viel, ein anderer, der fast soviel hat, noch einer, der 330.000 Abonnenten hat und..."
"Komm zum Punkt", befahl ich ihm.
"Du bist von YouTubern umzingelt und freust dich so sehr über drei weitere!"
"Ja, tut mir leid", entschuldigte ich mich mehr oder weniger ernst gemeint und zog eine Schnute. Er kannte meine Denkweise über diese Angelegenheit nicht, aber ich hatte auch nicht vor, sie ihm nun zu schildern.
"Ich frag sie mal", entgegnete er.
"Warum sind wir nochmal hier?"
"Wir wollten reden!"
"Du wolltest mit mir reden", verbesserte ich ihn.
"Na gut, dann eben so."
"Fang an!", bat ich ihn. Dann fing er an, mich auszufragen.

Zeit zu gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt