Kapitel 25 [✔️]

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Ich fand mich in Felix' Küche wieder. Er stand vor mir. Sein Blick ruhte auf mir, aber er sah nicht glücklich aus. Vielmehr war er sehr wütend und schien, mir am liebsten den Hals umdrehen zu wollen.
"Ich tue alles für dich, mach alles für dich, kümmere mich um dich...", schrie er mich an.
"Felix, bitte", rief ich ihm dazwischen.
"Hast mich schamlos ausgenutzt, ja? Wie hässlich kann dein Charakter nur sein, wie dumm, wie naiv!", keifte er. Er rannte zum Messerblock und zog ein Messer heraus. "Mich siehst du nie wieder in deinem Leben!"
"Felix, beruhig dich bitte", schrie ich mit Tränen in den Augen.
"Nein! Nichts, Schluss, aus, Ende! Punkt, Schlussstrich!" Er kam auf mich zu. Er wollte mich töten. Vielleicht hatte er sich auch kurz vor meinen Füßen umbringen wollen, sodass seine Leiche in meine Arme fiel. Doch ich konnte ihm das Messer aus der Hand schlagen. Mit einem lauten Krach fiel es zu Boden. "Ich hätte alles für dich gemacht, alles, aber du verarschst mich von A-Z, du spielst mit meinen Gefühlen!", brüllte er und klatsche mir eine.
"Felix, du bist mir wichtig", weinte ich und hielt mir meine schmerzende Wange. Ich konnte mich wegen des zu großen Schocks keinen Zentimeter bewegen. Er hätte mich niemals geschlagen, das konnte nicht wahr sein. Es durfte nicht wahr sein.
"Weißt du, was wichtig wäre? Wenn du mich von Anfang an nicht belogen hättest!", rief er, hob das Messer, schneller als meine Augen seiner Hand folgen konnten vom Boden auf und rammte es mir ins Bein. Ich riss meinen Mund auf, aber es folgte kein Schrei. Ich konnte niemanden rufen, der mir helfen konnte. Ich war meinem Schicksal unumgänglich ausgesetzt. Felix verpasste mir noch eine und lief stark weinend aus dem Raum. Er hatte wohl sehr viel Alkohol getrunken. Bestimmt hatte er das. Felix hätte sowas nicht getan, wenn er nüchtern gewesen wäre. Aber für gewöhnlich trank Felix nie Alkohol. Das Ganze erschien mir sehr komisch. Es konnte einfach nicht wahr sein.
Der pochende Schmerz im Bein wanderte schnell hoch. Erst schmerzte mein Bauch und dann mein ganzer Oberkörper. Der Schmerz wanderte gezielt zu meinem Herzen. Ich weinte unaufhörlich. Meine Augen schmerzten schon. Die Tränen waren nicht nur jene des Schmerzes, sondern auch der Enttäuschung. Ich liebte ihn doch! Ich rollte mich zusammen, hielt mein blutendes Bein und weinte noch heftiger. Wenn ich den Krankenwagen nicht rufen würde, würde ich bald verbluten. Doch war das nicht das, was Felix gewollt gatte? Und wenn nicht, was wollte er dann erreichen?
Ich hatte ihn betrogen und alles ging zu Bruch. Ich stand alleine da. Plötzlich wurde alles schwarz.

Krankenhausgeruch stieg mir in die Nase. Jemand neben mir schluchzte heftig. Ich öffnete meine Augen, drehte den Kopf zum Geräusch hin und blickte einem verheulten Felix in die Augen. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Ich war überfordert.
"Du lebst", weinte er überglücklich und streichelte meine Hand, die, wahrscheinlich seinetwegen, völlig nass war. Ich knurrte ihn nur an. Verzeihen konnte ich ihm die Tat vielleicht, vergessen konnte das Geschehen wohl nie. Ich zog die Decke hoch und schaute die Stelle an meinem Bein an. Es war eine große, klaffende Wunde, die durch den Verband schien. Wütend und verzweifelt zugleich schaute ich Felix an. "Ehrlich, ich wollte dir nie wehtun. Weder äußerlich, noch innerlich", flüsterte er und strich sich die Tränen aus den Augen.
"Egal, ob du es wolltest oder nicht, letzten Endes tut es verdammt weh." Dann wurde wieder alles schwarz.

Vor mir lag Felix, der, in einem Krankenhausbett liegend, an einem Tropf hing. Er hatte blutige Gewänder an. Von der Kante des Bettes tropfte immer wieder Blut auf den Boden, auf dem schon eine große Pfütze war. Über seinem Bett hing ein Schild, auf dem mit Blut geschrieben stand: Selbstmordversuch.
Er hatte versucht, sich meinetwegen umzubringen. Felix hatte den Selbstmordversuch zwar knapp überlebt, aber er schwebte noch in Lebensgefahr. Ich kniete mich neben das Bett in die Blutpfütze und streichelte seinen Kopf.
"Du musst überleben", flüsterte ich und weinte. Er konnte nicht sterben, wenn wir unseren Konflikt noch nicht geklärt hatten. Ein paar Tränen wuschen ihm das Blut aus dem Gesicht. Es sah schrecklich aus, wie er da lag. Eine Ärztin kam in den Raum und ich erkannte, dass es Mary war. Sie war nicht viel älter geworden. Der Vorfall schien also erst neulich passiert zu sein.
"Wenn er heute Nacht nicht aufwacht, stellen wir die Geräte ab. Es besteht dann nämlich keine Chance mehr, dass er es überlebt." Da saß ich nun. Die ganze Nacht saß ich an diesem verdammten Bett, das jenes sein sollte, in dem er seine letzte Ruhe vor dem Tod fand.
"Felix, wach auf", betete ich leise. Doch er regte sich nicht. Und er tat es auch nicht bis zum nächsten Morgen. Schweren Herzens stellte Mary die Geräte aus. Das Spektakel verschwamm vor meinen Augen, vielleicht durch meine Tränen, und schließlich war wieder alles schwarz.

"Du musst ihn loslassen. Er wird nie wieder kommen", meinte nun Taddl, als ich wieder etwas sehen konnte. Arm in Arm standen wir an Felix Grab.
"Ihn loszulassen ist verdammt schwierig", murmelte ich und streifte mein schwarzes Kleid glatt. Die Beerdigung war wohl an diesem Tag gewesen.  Ich brach erneut in Tränen aus. Taddl streichelte meinen Rücken tröstend. Dann fiel ich auf den Boden. Meine Sicht verschwamm und erneut wurde alles schwarz.

Panisch wachte ich auf.
"Felix?", schrie ich. Meine Haare klebten in meinem Gesicht, meine Wangen waren nass geweint, sowie das Kissen, auf dem ich geschlafen hatte. Ich war nass geschwitzt und meine Augen taten wegen der ganzen Tränen weh.
"Was ist?", rief er und stand sofort neben mir.
"Du lebst!", weinte ich und stand auf. Ich umarmte ihn und küsste ihn erleichtert.
"Hattest du einen Albtraum?", fragte er und streichelte meinen Rücken.
"Den schlimmsten aller Zeiten", murmelte ich und drückte ihn fester denn je an mich. "Bin ich froh, dass das nur ein Traum war", fügte ich hinzu und schluchzte.
"Beruhig dich, ich bin doch da." Jedes Wort, das er sagte, löste ein Kribbeln in mir aus. "Geh wieder schlafen. Ich werde deine Hand halten, bis du wieder aufwachst", sagte er und küsste meine Wange.
"O-Okay", stotterte ich und legte mich wieder ins Bett. Er hielt meine Hand, bis ich wieder schlief. Die restliche Nacht verbrachte ich unruhig aber traumlos.

Zeit zu gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt