Kapitel 33

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"Wir sind da", murmelte Izzi nach einer halben Ewigkeit. "Ich nehme die Longboards, Felix, du trägst sie." Izzi stieg aus und holte die Boards aus dem Kofferraum, während Felix mich aus dem Sitz hob und dann anstarrte.
"Ist was?"
"Nein...", nuschelte er und schaute schnell weg. Er ging los, nachdem Izzi das Auto abgeschlossen und zu ihm gelaufen war.
"Darf man fragen, wie's passiert ist?", fragte Izzi, als wir ins Hotel stürzten.
"Ich bin umgeknickt und dann..."
"Jessica!", rief Taddl und rannte auf mich zu. Felix blieb abrupt stehen, sodass ich fast aus seinen Armen fiel. "Jessica, ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht, was ist passiert?", redete Taddl gleich los, als er angekommen war. Nun sah ich auch Ardy, der auf uns zulief. Die Leute, die hier in der Lobby herumspazierten, gafften uns mit großen Augen an.
"Können wir bitte aufs Zimmer? Das ist ja peinlich, wenn wir hier alle stehen", warf ich ein. Felix ging sofort los, die anderen zogen nach. Kurze Zeit später waren wir auf dem Zimmer. Felix legte mich aufs Bett und setzte sich auf seine Seite, während Taddl sich auf der Bettkante niederließ und mich erwartungsvoll anblickte. Ardy und Izzi standen neben dem Bett. "Also...", fing ich an, "...Ich bin mit Felix am Strand entlang spaziert. Dann bin ich umgeknickt und mit meinem Knie...", ich deutete auf mein Knie, welches verbunden war, "...auf einen spitzen Stein und ins Meerwasser gefallen. Felix hat mir sein T-Shirt umgebunden und...", ich wartete eine Sekunde und beobachtete Taddls Mimik. Er schaute zu Felix rüber und sah nun das, was ich eigentlich verhindern wollte. Er sah, dass Felix in meiner Anwesenheit so herumlief. Sein Blick verfinsterte sich und seine Lippen zitterten leicht. Mich wunderte es allerdings trotzdem, dass es ihm erst jetzt auffiel. "Auf jeden Fall hat er mich ins Krankenhaus gebracht und somit vermutlich mein Leben gerettet", brachte ich die Geschichte zu Ende. Alle starrten mich an, außer Felix. Er schaute an mir vorbei. Ich räusperte mich und sagte: "Ihr könnt jetzt ruhig was sagen."
"Ich bin sprachlos", meinte Ardy. Dann herrschte Stille. Mein Magenknurren durchbrach diese aber sogleich.
"Ich glaube, ich bin hungrig", lachte ich.
"Lasst uns doch essen gehen", schlug Izzi vor und ging los, bis er bemerkte, dass ihm niemand folgte.
"Was ist mit Jess?", fragte Ardy ihn.
"Ich denke, sie kann nicht gehen", meinte Felix.
"Ich probier's", rief ich eifrig und sprang aus dem Bett, knickte aber sofort um, als meine Füße den Boden berührten und saß kurzerhand auf dem Boden. Ardy half mir hoch und stützte mich beim Gehen, doch weit kam ich nicht. Die Schmerzen waren einfach viel zu groß. "Geht ohne mich", meinte ich.
"Ich kann dir was mitbringen, wenn du willst", sagte Felix und zog sich schnell ein Oberteil an.
"Wäre nett", meinte ich und lächelte. Ich setzte mich auf den Boden.
"Pizza?", fragte er.
"Pizza", antwortete ich grinsend.
"Okay, ein Mal Pizza für die Dame", lachte Felix. Nun gingen Izzi, Ardy und er los, doch Taddl blieb auf der Bettkante sitzen.
"Taddl, kommst du?", fragte Ardy, der anscheinend zurückgekommen war.
"Ich hab keinen Hunger. Aber sag den anderen, ich habe schon gegessen", meinte Taddl.
"Taddl, du musst doch was essen!", sagte ich.
"Jess, irgendjemand muss doch bei dir bleiben. Und wie gesagt, ich habe keinen Hunger. Geh, Ardy", sagte Taddl und lächelte. Ardy zwinkerte mir zu und verschwand.
"Taddl, das hätte nun nicht Not getan", warf ich ein.
"Komm, sei ehrlich, du freust dich doch sogar ein bisschen, dass ich geblieben bin", lachte Taddl, kam zu mir und setzte sich neben mir auf den Boden.
"Ja gut, ich bin ehrlich: Ich freue mich sogar sehr, dass du bleibst", gestand ich ihm und lehnte meinen Kopf an seine Schulter.
"Warst du schon auf dem Balkon?", fragte er.
"Nein, wieso?"
"Dann wird's aber mal Zeit", sagte er und stand auf. Keine Sekunde später saß ich auf seinen Armen und wurde von ihm nach draußen auf den riesengroßen Balkon getragen.
Von dort hatte ich einen Ausblick auf den Strand, an dem Izzi, Simon, Felix und ich heute gebadet hatten. Die Sonne war nun fast hinter dem Meer verschwunden, am rosa-blauen, fast violetten Himmel funkelten schon einzelne Sterne und kleine Wölkchen machten sich breit. Die Palmen wogen sich sanft im Wind.
"Gefällt's dir?", wollte er wissen und drückte mich an sich.
"Taddl, das ist wunderschön", antwortete ich. "Ich liebe es!"
"Das freut mich. Dann haben wir heute also auch einen schönen Moment zusammen?"
"Wenn ich dich sehe, Taddl, dann hatte ich schon einen schönen Moment am Tag", entgegnete ich. "Kannst du alleine stehen?", fragte er mich.
"Ja." Taddl stellte mich vorsichtig auf den Boden.
"Geht's?" Ich nickte. "Gut. Schau mich an." Ich schaute ihn an und musste sofort lächeln. Er kam einen Schritt auf mich zu. Dann packte er mich an den Hüften und wirbelte mich herum. Als ich wieder Boden unter den Füßen hatte, zog ich ihn an mich heran und küsste ihn zärtlich. Er erwiderte sofort und eine Zeit lang standen wir da und küssten uns. Bevor ich mich löste, fuhr ich durch seine und er durch meine Haare. Dieser Kuss war unbeschreiblich.
Taddl umarmte mich und streichelte meine Wange.
"Taddl, du küsst echt gut", bemerkte ich lächelnd.
"Küsst Felix auch so gut?"
"Warum interessiert dich das?"
"Er ist meine Konkurrenz", antwortete er und küsste meine Haare.
"Als Konkurrent würde ich ihn nicht beschreiben. Die Entscheidung liegt ja bei mir, nicht bei euch", meinte ich und lehnte meinen Kopf an seiner Brust an. Plötzlich hörten wir ein aufdringliches Räuspern und kurz darauf ein lautes Klirren und
Scheppern. Erschrocken drehten wir uns um. Felix stand mit wütendem Blick in der Tür. Ich biss mir auf die Unterlippe und schaute auf den Boden. Dort lag ein zersplitterter Teller.
"Felix, es...", ich stockte.
"Was? ...ist nicht so wie es aussieht oder was? Natürlich ist es das!", rief er wütend und lief wutentbrannt aus dem Zimmer. Ich rannte los, da ich vergessen hatte, eingeschränkt zu sein, und fiel sofort hin. Es kam, wie es kommen musste - direkt in die Scherben.
"Jess!", rief Taddl. "Du hast's heut so mit dem Hinfallen, was?" Er hob mich auf und legte mich aufs Bett. "Ich kläre das sofort mit ihm, ich sag nur Izzi noch bescheid, dass er auf dich aufpassen soll", murmelte er und wollte wütend losstürmen, doch ich konnte gerade noch sein T-Shirt mit meinen blutverschmierten Händen greifen.
"Halt", sagte ich. "Sei bitte vorsichtig, Felix wird gerade sehr wütend sein... Oder lass es am besten, sonst verletzt du dich noch", sagte ich mit Tränen in den Augen.
"Ich schicke extra Izzi zu dir, damit Ardy mir helfen kann, Felix zu besänftigen", meinte Taddl und riss sich los.
"Aber Izzi ist Felix' bester Freund!", rief ich ihm noch hinterher, doch er schien es nicht mehr zu hören. Langsam kamen mir die Tränen. Ich hatte mal wieder alles verbockt!

Minuten später kam Izzi ins Zimmer und als er mich weinen sah, stürzte er auf mich zu.
"Hey, Hey... Pscht, nicht weinen", flüsterte er und wischte mit seinem Daumen meine Tränen weg. Sofort baute ich Vertrauen zu ihm auf und die ganze Gleichgültigkeit verschwand. "Komm' mal mit ins Badezimmer, wir entfernen die Scherben", sagte er nach einem Blick auf meine Hände. Er half mir vom Bett hoch und stützte mich beim Gehen. Als wir im Badezimmer waren entfernte er die Scherben und spülte die Wunden aus. "Du hast heute echt Glück", bemerkte er.
"Das fällt dir ja früh auf. Und hör mal zu, so ist es nämlich ungefähr jeden Tag!"
"Okay, lass uns das Thema wechseln", schlug er vor und zog die letzte Scherbe heraus. "Magst du wissen, was wir morgen machen?" Ich nickte. Er half mir erneut, zurück zum Bett zu gehen und setzte sich dann neben mich. "Wir wollen nach Miami Downtown, dann wollen wir eine Hafenrundfahrt machen und wenn dann noch Zeit ist fahren wir die Ocean-Drive-Street lang. Da sind viele Clubs und so... Aber das können wir ja eh nur machen, wenn du morgen fahren kannst", erzählte er und lächelte. Ich lächelte zaghaft zurück. "Und mach dir keinen Kopf wegen Felix, du weißt doch, dass er manchmal etwas temperamentvoll ist", sagte Izzi und legte einen Arm um meine Schulter.
"Ich hab aber Angst", murmelte ich.
"Wovor hast du Angst?"
"Will nicht darüber reden", meinte ich.
"Willst du nicht darüber reden, weil du mir nicht vertraust oder willst du schon drüber reden, aber weißt nicht, wie?"
"Letzteres."
"Sag einfach, wie es ist", sagte er.
"Ich habe Angst zu verlieren, was ich liebe. Angst, dass alles kaputt geht und ich das Spiel des Lebens verliere. Dass ich versage, obwohl ich mich anstrenge, es nicht zu tun", erzählte ich mit Tränen in den Augen.
"Jess", seufzte er, "Eines Tages bekommst du das schon hin. Nur...Heute halt nicht." Dann schwiegen wir eine Weile. Ich hatte in diesem Moment nicht nur Angst um Taddl, sondern auch um Felix. Wenn er so wütend war, wusste er nicht immer, was er tat. "Hilft es dir vielleicht, wenn du über deine Gefühle redest?"
"Izzi, bevor ich über meine Gefühle reden kann, muss ich sie erst mal selbst verstehen", flüsterte ich, "Im Moment habe ich einfach nur Angst."
"Du scheinst ziemlich traurig zu sein, vielleicht ist es eine Depression. Ich denke es ist besser, wenn du jetzt schläfst", meinte Izzi und wollte aufstehen, doch ich hielt ihn fest und zerrte ihn zurück aufs Bett.
"Ich denke nicht, dass ich depressiv bin. Ich meine, tagsüber kann ich alles perfekt verdrängen, glücklich sein und Spaß haben, aber abends und nachts, sowie zum Beispiel jetzt, weiß ich einfach nicht mehr, wie man glücklich ist. Und wenn ich versuche zu lächeln, muss ich weinen. Die Glücksgefühle nachts zu behalten, ist für mich fast unmöglich...", erzählte ich ihm. Mit großen Augen schaute er mich an.
"Jetzt versteh' ich, warum die beiden dich lieben."
"Das verstehe ich nicht..."
"Du kannst deine Gefühle so perfekt beschreiben, Dinge sagen, die ich für unmöglich halte und... Du bist einfach unglaublich", meinte er.
"Danke", murmelte ich. "Jetzt möchte ich wirklich schlafen", fügte ich hinzu, um tiefere Gespräche zu vermeiden. "Und vielleicht kannst du ja noch mal mit Felix reden."
"Ich überleg's mir, bis morgen", sagte Izzi und weg war er. Irgendetwas an letzen Teil des Gespräches gefiel mir gar nicht.
Ich wollte zurück auf den Balkon. Eigenhändig versuchte ich aufzustehen. Ich schaffte es. Vorsichtig humpelte ich zur Tür, trat über den Scherbenhaufen und schaute mir erneut die Landschaft an. Ich ließ noch ein Mal den ganzen Tag Revue passieren. Dann ging ich, mit leerem Magen, Tränen in den Augen und Schmerzen, letztendlich doch ins Bett. Doch kurz bevor ich einschlief, schreckte ich hoch, da die Zimmertür mit einem lauten Knall geöffnet wurde.

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Spannung. Haha. Man ist das lustig!
Ich mag euch. Wirklich. Am Ende der Geschichte wird noch was Wichtiges von mir kommen, aber warum Rede ich vom Ende? Die Geschichte ist noch lange nicht vorbei!

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